12.12.2016

Elektronenautobahn im Kristall

Stufenkanten auf den Oberflächen von Bruch­stücken bilden Leiter­bahnen für elek­trische Ströme.

Neuartige elektronische Zustände von Materie konnten Forscher der Uni Würz­burg in Zusammen­arbeit mit Kollegen aus Polen und der Schweiz in topo­logisch kristal­linen Isola­toren nach­weisen. Das zentrale Ergebnis des Teams: Werden kristal­line Materi­alien gespalten, ent­stehen an den abge­spal­teten Ober­flächen kleine atomar flache Bereiche, die durch Stufen­kanten von­ein­ander getrennt sind. Darin bilden sich Leiter­bahnen für elek­trische Ströme, die mit etwa zehn Nano­metern extrem schmal sind und die sich durch eine über­raschende Robust­heit gegen äußere Störungen aus­zeichnen. In diesen Leiter­bahnen bewegen sich Elek­tronen mit unter­schied­lichem Spin in ent­gegen­ge­setzte Rich­tungen – ähnlich einer Auto­bahn mit sepa­raten Fahr­spuren für beide Fahr­rich­tungen. Das macht die Materi­alien für techno­logische Anwen­dungen in zukünf­tigen Elek­tronik-Bau­teilen, etwa in besonders schnellen und energie­sparenden Computern, inte­ressant.

Abb.: An Stufenkanten topologisch kristal­liner Isola­toren bilden sich unter bestimmten Um­ständen Leiter­bahnen. Auf ihnen bewegen sich Elek­tronen mit unter­schied­lichem Spin in ent­gegen­ge­setzte Rich­tungen – eine Kehrt­wendung ist nicht möglich. (Bild: T. Bathon, P. Sessi & M. Bode, U. Würz­burg)

„Topologisch kristalline Isolatoren, kurz TCIs, sind verhältnis­mäßig einfach herzu­stellen und heben sich bereits auf­grund ihrer beson­deren Kristall­struktur von konven­tio­nellen Materi­alien ab“, erklärt Paolo Sessi von der Uni Würz­burg. Was sie außer­dem so besonders macht, sind ihre elek­tro­nischen Eigen­schaften: In topo­lo­gischen Materi­alien bedingt die Richtung des Spins die Bewegungs­richtung der Elek­tronen. Aller­dings war bislang unklar, wie die dafür nötigen Leiter­bahnen herge­stellt werden könnten. Der Zufall brachte die Forscher auf den richtigen Weg: Sie ent­deckten, dass beim Spalten des topo­lo­gisch kristal­linen Iso­lators Blei-Zinn-Selenid sehr schmale Leiter­bahnen auf ganz natür­liche Weise ent­stehen.

Verantwortlich dafür sind Stufenkanten auf den Ober­flächen der Bruch­stücke, genauer: die Höhe der jewei­ligen Stufen­kanten. „Kanten, die eine gerade Anzahl atomarer Ebenen über­brücken, sind völlig unauf­fällig. Reichen die Kanten aller­dings über eine unge­rade Anzahl atomarer Ebenen, so entsteht ein etwa zehn Nano­meter schmaler Bereich mit den bis­lang unbe­kannten elek­tro­nischen Leitungs­bahn­eigen­schaften“, erklärt Sessi.

Die Kristallstruktur führt zu einer Anordnung der Atome, bei der sich die verschie­denen Elemente wie abwechseln. Dieser Wechsel gilt nicht nur für neben­ein­ander liegende Atome, sondern auch für darüber und darunter liegende. Zieht sich der Bruch des Kristalls also durch unter­schied­liche atomare Schichten, bildet sich dort nicht nur eine Kante. Von oben gesehen kann dieser Kante an unter­schied­liche oder an gleiche Atome stoßen – je nachdem, ob eine gerade oder eine ungerade Anzahl von Atom­lagen für den Höhen­unter­schied zwischen den beiden Ober­flächen sorgt.

„Berechnungen zeigen, dass dieser Versatz an der Ober­fläche tat­säch­lich für diese neu­artigen elek­tro­nischen Zustände ursäch­lich ist“, sagt Sessi. Sie weisen darüber hinaus nach, dass die für topo­lo­gische Materi­alien charak­teris­tische spinab­hängige Leitungs­bahn­phäno­meno­logie auch hier vorliegt. Nach Ansicht der Wissen­schaftler macht insbe­sondere diese Eigen­schaft die Ent­deckung für poten­zielle Anwen­dungen inte­ressant, da der­artige Leitungs­bahnen einer­seits zu geringen Leitungs­ver­lusten führen, anderer­seits aber auch direkt für die Über­mitt­lung und Verar­bei­tung von Infor­mation im Bereich der Spin­tronik genutzt werden könnten. Hierzu müssten aller­dings noch zahl­reiche Fragen beant­wortet und Heraus­forde­rungen über­wunden werden. So sei beispiels­weise nicht klar, über welche Distanzen sich Ströme in den neu ent­deckten Leiter­bahnen trans­por­tieren lassen. Auch müssten für die Anwen­dung in Schalt­kreisen Methoden ent­wickelt werden, mit denen Stufen­kanten defi­nierter Höhe entlang vorge­gebener Rich­tungen erzeugt werden können.

JMU / RK

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