Elektronenoptik aus Licht
Adaptive Bildgebungstechnik für Materialwissenschaft und Strukturbiologie.
Eine neue Technik, die Elektronenmikroskopie und Lasertechnologie kombiniert, ermöglicht die programmierbare Modulation von Elektronenstrahlen. Sie kann zur Optimierung der Elektronenoptik und für die adaptive Elektronenmikroskopie eingesetzt werden, um die Empfindlichkeit zu maximieren und gleichzeitig die durch den Strahl verursachten Schäden zu minimieren. Diese grundlegende und bahnbrechende Technologie wurde nun von Forschern der Unis Wien und Siegen demonstriert.
Wenn Licht turbulentes oder dichtes Material, wie die Erdatmosphäre oder ein millimeterdickes Gewebe, durchdringt, kommt es bei herkömmlichen Bildgebungsverfahren zu erheblichen Einschränkungen der Abbildungsqualität. Wissenschaftler platzieren daher verformbare Spiegel im optischen Pfad des Teleskops oder Mikroskops, die die unerwünschten Effekte ausgleichen. Diese adaptive Optik hat zu zahlreichen Durchbrüchen in der Astronomie und bei der Abbildung von tiefen Gewebsschichten geführt.
Dieses Maß an Kontrolle wurde in der Elektronenoptik jedoch bislang nicht erreicht, obwohl viele Anwendungen in der Materialwissenschaft und Strukturbiologie dies erfordern. In der Elektronenoptik verwenden Wissenschaftler Elektronenstrahlen anstelle von Licht, um Strukturen mit atomarer Auflösung abzubilden. Normalerweise werden statische elektromagnetische Felder verwendet, um die Elektronenstrahlen zu lenken und zu fokussieren.
In ihrer Studie haben die Forscher jetzt gezeigt, dass sie Elektronenstrahlen mit Hilfe hochintensiver, geformter Lichtfelder, welche Elektronen abstoßen, nahezu beliebig ablenken können. Das Experiment macht sich die Möglichkeit zunutze, Licht zu formen. Ein Laserpuls wird durch einen räumlichen Lichtmodulator geformt und wechselwirkt in einem modifizierten Rasterelektronenmikroskop mit einem entgegengerichteten synchronisierten Elektronenstrahl. Auf diese Weise können der Elektronenwelle auf Knopfdruck beliebige transversale Phasenschubmuster aufgeprägt werden, was eine noch nie dagewesene Kontrolle über Elektronenstrahlen ermöglicht.
Das Potenzial dieser innovativen Technologie wird durch die Erzeugung konvexer und konkaver Elektronenlinsen und durch die Erzeugung komplexer Elektronenintensitätsverteilungen demonstriert. „Wir schreiben mit dem Laserstrahl in der transversalen Phase der Elektronenwelle“, erläutert Marius Constantin Chirita Mihaila von der Uni Wien. „Unsere Experimente ebnen den Weg für die Wellenfrontformung in gepulsten Elektronenmikroskopen mit Tausenden von programmierbaren Pixeln. In Zukunft könnten Teile des Elektronenmikroskops aus Licht bestehen.“
Im Gegensatz zu anderen konkurrierenden Technologien zur Elektronenmodulation ist das Verfahren programmierbar und vermeidet Verluste, inelastische Streuung und Instabilitäten, welche in materiellen Beugungselementen auftreten können. „Unsere Technik ermöglicht die Aberrationskorrektur von gepulsten Elektronenmikroskopen, sowie adaptive Abbildungsverfahren“, ergänzt Thomas Juffmann von der Uni Wien. „Bei Letzteren wird das Mikroskop an die Probe angepasst, um die Empfindlichkeit zu maximieren.“
U. Wien / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. C. Chirita Mihaila et al.: Transverse Electron-Beam Shaping with Light, Phys. Rev. X 12, 031043 (2022); DOI: 10.1103/PhysRevX.12.031043 - Quantum Microscopy and Biophysics (T. Juffmann), Max Perutz Labs, Universität Wien, Österreich