Elektronenwellen mit siebenzähliger Symmetrie
Ultrakurze Laserblitze kontrollieren Eigenschaften von Elektronen.
Symmetrien sind in der Natur allgegenwärtig – etwa die Spiegelsymmetrie der Hände oder die sechszählige Symmetrie einer Schneeflocke. Forschern der Uni Oldenburg ist es erstmals gelungen, in Experimenten gezielt Elektronenwellen zu erzeugen, die eine in der Natur seltene siebenzählige Symmetrie aufweisen. Das könnte dazu beitragen, neuartige und ultraschnell steuerbare Elektronenquellen mit ungewöhnlichen Eigenschaften bereitzustellen.
Bereits vor gut zwei Jahren konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sie mit Hilfe extrem kurzer Laserpulse die Ladungstrennung für die Erzeugung von Elektronenwirbeln nutzen können. „Nun sind wir noch einen Schritt weiter“, sagt Matthias Wollenhaupt, Leiter der Arbeitsgruppe Ultraschnelle Kohärente Dynamik. „Unsere Experimente zeigen, dass es mit Hilfe modernster Lasertechniken gelingt, die Eigenschaften der bei der Photoionisation ausgesendeten Elektronen hochpräzise zu kontrollieren. Elektronenwellen mit siebenzähliger Symmetrie hat bisher noch niemand im Experiment beobachtet.“
Der Schlüssel hierzu sind maßgeschneiderte Laserblitze von der Dauer einiger Femtosekunden. Dank neuartiger experimenteller Techniken können Forscher solche Laserpulse in Raum und Zeit gezielt manipulieren: Durch Überlagerung zweier Laserpulse verschiedener Farbe lassen sich im Experiment nahezu beliebige gerad- oder ungeradzahlige Symmetrien des Strahlungsfeldes herstellen. Auf diese Weise erzeugen die Forscher beispielsweise nach Belieben abstimmbare propellerförmige oder herzförmige Laserpulsformen.
Den Forschern ist es nun erstmals gelungen, diese ungewöhnlichen Symmetrieeigenschaften der Laserpulse gezielt auf Elektronenwellen zu übertragen. Dafür bestrahlten sie ein Ensemble von Natrium-Atomen mit speziell eingestellten Laserfeldern. Natrium-Atome sind dank ihres Aufbaus für solche Experimente besonders geeignet, denn sie besitzen nur ein einziges Elektron in ihrer äußeren Hülle. „Die Ergebnisse offenbaren ein überraschendes Wechselspiel zwischen den Symmetrien des Laserfelds und den beobachteten Eigenschaften der Elektronenwellen“, sagt Team-Mitglied Stefanie Kerbstadt. Neben der siebenzähligen Symmetrie der Elektronen konnten die Forscher dabei die Photoelektronen auch halbmondförmig lokalisieren oder zu einem Wirbel formen.
Diese ultraschnelle Prozesse beobachteten die Forscher mit einer tomographische Methode, die sie selbst entwickelt haben: Ähnlich wie in der medizinischen Computertomographie entstehen dabei dreidimensionale Bilder, die das komplexe Geschehen der Ladungstrennung sichtbar machen. Dabei messen die Physiker die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen, also wie sich die Elektronen in Millionen von Beobachtungen verhalten.
„Mit unseren Experimenten wollen wir grundlegend verstehen, wie man mit zeitlich strukturierten, polarisationsgeformten Laserpulsen die Wechselwirkung von Licht und Materie im Innersten kontrollieren kann“, sagt Wollenhaupt. Zwar seien natürliche Prozesse, etwa die Wechselwirkung des Lichts mit großen Molekülen, deutlich komplexer als die Photoionisation von Atomen unter Laborbedingungen. Der zugrundeliegende physikalische Mechanismus sei dennoch auf andere Bereiche der Physik übertragbar, betont er. Ladungsträger kontrolliert auszusenden könnte beispielsweise helfen, elektrische Ströme ultraschnell zu schalten und zu steuern oder neuartige Elektronenquellen für die Grundlagenforschung zu entwickeln. Ziel der Wissenschaftler ist zudem, die Erzeugung von noch kürzeren Laserpulsen im Bereich von Attosekunden, also einer tausendstel Femtosekunde, mit diesen neuartigen Laserpulsen zu kontrollieren.
U. Oldenburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Kerbstadt et al.: Odd electron wave packets from cycloidal ultrashort laser fields, Nat. Commun. 10, 658 (2019); DOI: 10.1038/s41467-019-08601-7 - AG Ultraschnelle kohärente Dynamik (M. Wollenhaupt), Fklt. für Mathematik und Naturwissenschaften, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg