30.08.2010

Elektronik aus dem Drucker

Neuer Sensor soll elektronische Funketiketten und Lichttapeten kostengünstiger machen.


Neuer Sensor soll elektronische Funketiketten und Lichttapeten kostengünstiger machen.

Am Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren (IDD) der TU Darmstadt arbeiten Wissenschaftler gemeinsam mit der Merck KGaA an einem Sensor, der verschiedene elektrische Geräte erheblich kostengünstiger machen wird. Der neue Sensor basiert nicht auf Silizium als leitendem Material, sondern auf Kunststoffen.

Dass bestimmte Kunststoffe, sogenannte Polymere, leitfähig sind, wurde in den 70er Jahren entdeckt, aber erst die Möglichkeit zur günstigen Produktion einfacher Schaltungen per Drucker macht die Polymer-Elektronik oder organische Elektronik für die Industrie interessant. Denn die Geschwindigkeit der Ladungsträger ist in den leitfähigen Kunststoffen, den Halbleitern, deutlich geringer als in der gängigen Silizium-Mikroelektronik. Ein Pentiumprozessor werde nie mit Polymer-Elektronik möglich sein. Doch überall dort, wo keine hohen Leitfähigkeiten notwendig sind, „werden sich zahllose neue Anwendungen auftun“, ist sich Hans Martin Sauer, Leiter der Forschungsgruppe Funktionales Drucken am IDD, sicher. Zum Beispiel bei der Etikettierung von Waren. Elektronische Funketiketten, sogenannte RFID (Radio Frequency Identification)-Chips, die über Radiowellen geortet werden, machen etwa bei einer verdorbenen Frischmilchpackung nachvollziehbar, an welchem Punkt in der Lieferkette die Kühlung unterbrochen wurde. Solche RFID-Etiketten könnten die Logistik optimieren, vor Produktpiraterie schützen und damit Kosten einsparen helfen. 

Um RFID-Etiketten und andere Anwendungen zu drucken, eignen sich Massendruckverfahren, wie sie etwa in der Zeitungsproduktion eingesetzt werden, also beispielsweise Tief-, Sieb- und Offsetdruck. Die klassischen Druckmaschinen bauen die Darmstädter dann um für den Druck elektrischer Funktionen. Für jedes einzelne Material muss eine Vielzahl von Parametern verändert werden, erzählt Sauer, wie der Anpressdruck des Druckzylinders, die Geschwindigkeit des Druckers oder auch die Temperatur des Farbwerks. „Bei der riesigen Menge an potenziell geeigneten Druckmaterialien gibt es nicht das eine Druckverfahren für alle.“

Ein Problem, das aber für alle Halbleitermaterialien gleichermaßen gilt, ist die Tatsache, dass die „elektronische Tinte“, die aus einem Flüssigkeitsgemisch besteht, in einer Schichtdicke von rund 100 Nanometern aufgebracht werden muss, um die Funktion zu garantieren. „Damit wäre die Schicht rund 500 mal dünner als ein menschliches Haar. Schon ein winziges Staubkorn kann ein Loch in den gedruckten Film reißen und seine elektrischen Eigenschaften zerstören“, gibt Sauer zu bedenken. Das verlangt eine optimale Rezeptur bezüglich der Mischung der Flüssigkeiten, der Oberflächenspannung und Viskosität.

Ziel der Darmstädter ist es, für die unterschiedlichsten Materialien Modelle für den Druck zu definieren, die den Herstellern aus der Industrie als Gebrauchsanweisung für das Druckverfahren dienen. Mit dem Chemieunternehmen Merck, der BASF Ludwigshafen, Bosch, der neu gegründeten Firma InnovationLab GmbH in Heidelberg und weiteren Partnern arbeiten die Darmstädter Wissenschaftler, die weltweit bekannt sind als Experten in Sachen gedruckte Elektronik, im Rahmen des Spitzenclusters „Forum organic electronics“ an dieser neuartigen Technologie.

So lassen sich zum Beispiel auch Lichtelemente drucken. Sogenannte organische Leuchtdioden (OLED) werden bereits in kleineren Displays von Handys und Autoradios genutzt. Diese Halbleiter haben den großen Vorteil, dass sie selbst leuchten, wodurch im Vergleich zu den herkömmlichen Flachbildschirmen aus Flüssigkristallen ein deutlich höherer Kontrast entsteht. So muss das Bild nicht frontal betrachtet werden, sondern ist auch von der Seite aus noch sichtbar, eine Hintergrundbeleuchtung ist nicht mehr nötig. Aus den leuchtenden Kunststoffen könnten in einer Druckmaschine Lichttapeten erzeugt werden und künftig so manche Wohnzimmerwand zieren. Und auch Solarzellen werden wohl bald aus dem Drucker kommen und als Sonnenenergie aufnehmende und in elektrischen Strom umwandelnde Folien an Häuserfassaden oder Fensterscheiben geklebt werden. Oder sie bedecken Autohauben und speisen beispielsweise die Klimaanlage.

„Folien sind zwar ein schwieriger Untergrund für OLED und Solarzellen“, weiß Sauer, „denn sie reagieren sehr sensibel auf Luftfeuchte und die Folie schirmt nicht ausreichend ab.“ Doch Wissenschaftler forschen auch auf diesem Gebiet intensiv an neuen Materialien. „Es ist nur eine Frage von wenigen Jahren, bis sie sie finden.“

Technische Universität Darmstadt/AL


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