Elektrostatisches Materialdesign
Über kollektive Effekte lassen sich Eigenschaften von dreidimensionalen Strukturen verändern.
Herkömmlicherweise wird computergestütztes Materialdesign dazu genutzt, um bereits existierende Materialien zu verbessern und weiterzuentwickeln. Simulationen erlauben einen tiefen Einblick in die quantenmechanischen Effekte, die letztendlich die Materialeigenschaften bestimmen. Egbert Zojer geht einen Schritt weiter: Mit seinem Team vom Institut für Festkörperphysik der TU Graz nutzt er Computersimulationen, um ein gänzlich neues Konzept zur Kontrolle elektronischer Materialeigenschaften vorzuschlagen. Vermeintlich störende Einflüsse, kollektive elektrostatische Effekte, nutzt die Gruppe zur gezielten Manipulation von Materialeigenschaften. Dieser neue Ansatz funktioniert auch für dreidimensionale Materialien.
Abb.: Computersimulation der Energieverteilung in einem ausgedehnten Materials. (Bild: TU Graz)
„Der grundlegende Ansatz unserer Forschung zum elektrostatischen Design von Materialien ist es, die elektronischen Eigenschaften insbesondere von halbleitenden Materialien so zu modifizieren, dass kontrolliert Energieniveaus verschoben werden können. Dabei wenden wir Effekte an, die sich aus der periodischen Anordnung von dipolaren Gruppen ergeben. Wir versuchen also nicht, Wege zu finden, diese gerade an Grenzflächen unvermeidlichen Effekte zu umgehen, sondern nutzen sie ganz gezielt für unsere Zwecke aus“, erklärt Egbert Zojer.
Der erste Schritt war das elektrostatische Design von molekularen Monolagen, etwa auf Goldelektroden. Experimente haben gezeigt, dass die vorhergesagten Energieverschiebungen innerhalb der Schichten tatsächlich auftreten und sich der Ladungstransport durch die Monolagen gezielt manipulieren lässt. Auch die elektronischen Eigenschaften zweidimensionaler Materialien, wie beispielsweise Graphen, lassen sich über kollektive elektrostatische Effekte kontrollieren. Nun erweitern Veronika Obersteiner, Egbert Zojer und weitere Kollegen aus der Arbeitsgruppe das volle Potential des Konzepts, indem sie es auf dreidimensionale Materialien erweitern.
„Für das Beispiel dreidimensionaler kovalenter organischer Netzwerke zeigen wir, wie man mittels kollektiver elektrostatischer Effekte die energetische Landschaft innerhalb eines ausgedehnten Materials so manipuliert, dass räumlich begrenzte Pfade für Elektronen und Löcher entstehen. So kann man beispielsweise gezielt Ladungsträger trennen und die elektronischen Materialeigenschaft quasi nach Lust und Laune gestalten“, so Zojer. Das vorliegende Konzept kann insbesondere für Solarzellen interessant sein.
In klassischen organischen Solarzellen nutzt man chemisch unterschiedliche Elemente als Donatoren und Akzeptoren zum Auftrennen der durch den Absorptionsprozess entstandenen Elektron-Loch Paare. Im nun vorgeschlagenen Zugang funktioniert die dazu nötige lokale Verschiebung der Energieniveaus aufgrund periodisch eingebauter polarer Gruppen. Die halbleitenden Bereiche, auf die die Elektronen bzw. die Löcher verschoben werden, sind dabei chemisch identisch. „Wir können so die Energieniveaus durch Variation der Dipoldichte effizient und quasi kontinuierlich einstellen“, sagt Zojer. Und mit elektrostatischem Design in 3D-Systemen können auch komplexe Quantenstrukturen realisiert werden, wie Quantenschachbretter oder Quantenkaskaden. „Nur die Phantasie der Materialdesigner setzt unserem neuen Konzept Grenzen“, sagen Zojer und Obersteiner.
TU Graz / JOL