27.10.2022

Energetische Winde aus der Dreiecksgalaxie

Komplexes Szenario zwischen Sternentstehung und dem interstellaren Medium in der Galaxie M33.

Untersuchungen des Zusammen­spiels zwischen Stern­entstehung und dem inter­stellaren Medium sind wichtig, um die Entwicklung von Galaxien zu verstehen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Fatemeh Tabatabaei mit mehreren Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Radio­astronomie hat mit dem VLA-Teleskop in New Mexico hochaufgelöste Radio­beobachtungen der Galaxie M33 in der lokalen Gruppe durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass in M33 ein Zusammenhang zwischen molekularem Gas und Sternentstehung besteht. Die Entstehung masse­reicher Sternen verstärkt das Magnetfeld und erhöht die Zahl hochener­getischer Elektronen der kosmischen Strahlung, die die Entstehung von galaktischen Winden und Ausströmungen begünstigen können.

Abb.: Illustration der von der kosmischen Strahlung angetriebenen Winde,...
Abb.: Illustration der von der kosmischen Strahlung angetriebenen Winde, überlagert von einem optischen Bild der Dreiecksgalaxie M33. (Bild: IPM / ESO)

Beobachtungen zeigen, dass Galaxien heute weniger Sterne bilden als in der Vergangenheit. Da für die Entstehung von Sternen kaltes Gas benötigt wird, bringen Modell­rechnungen die Verlangsamung dieses Prozesses und die beobachtete Entwicklung von Galaxien mit galaktischen Winden in Verbindung, durch die kaltes Gas abtrans­portiert wird. Galaktische Winde entstehen in den Scheiben von Galaxien und erstrecken sich auf den Halo und das inter­galaktische Medium; ihr Ursprung ist jedoch noch umstritten. Supernova-Explosionen und aktive galaktische Kerne (AGN) können starke Winde antreiben.

Ihrer Rolle bei der Behinderung von Sternentstehung steht die Tatsache entgegen, dass das Gas ihrer Winde in die Galaxienscheibe zurückfallen und die Entstehung von neuen Sternen auslösen kann. Dank neuer hochauf­gelöster Radio­beobachtungen mit dem „Karl G. Jansky Very Large Array“ fand das internationale Forscherteam Hinweise für kosmische Strahlung als alternative Ursache für galaktische Winde, und zwar in unserer Nachbar­galaxie M33 im Sternbild Dreieck (Triangulum) in einer Entfernung von 2,7 Millionen Lichtjahren von der Erde. Diese Galaxie enthält rund 23-mal weniger Masse als die Milchstraße.

Hochener­getische Teilchen der kosmischen Strahlung können den Druck im interstellaren Medium erhöhen, Ausströmungen verursachen und die Strukturen über eine gesamte Galaxie hinweg verändern. Frühere Studien hatten bereits auf die Bedeutung der von kosmischer Strahlung ange­triebenen Winde für die Entstehung von Blasen in der Milchstraße und in der Andromeda-Galaxie hingewiesen, die eine Größe von einigen Tausend Lichtjahren haben. „Das ist das erste Mal, dass wir Beweise für solche Winde in einer massearmen, sternbildenden Spiralgalaxie wie M33 finden“, sagt Fatemeh Tabatabaei. „Dieser Nachweis ergab sich aus einem Widerspruch, als wir feststellten, dass die Elektronen der kosmischen Strahlung in Regionen energie­reicher sind, in denen auch das Magnetfeld stärker ist. In einem starken Magnetfeld erwartet man, dass die Elektronen der kosmischen Strahlung Energie an eine stärkere Synchrotron­strahlung verlieren.“ 

Dieses Paradoxon kann aufgelöst werden, wenn man die Struktur des Magnetfeldes in der Galaxie berück­sichtigt. In Sternentstehungs­gebieten wird das Magnetfeld aufgrund von turbulenten Gasbewegungen durch die Wirkung eines Dynamo­mechanismus verstärkt, der kinetische Energie in magnetische Energie umwandelt. Die resul­tierenden Feldlinien sind stark ineinander verknäuelt. „Der Dynamoeffekt ist ein wirkungsvoller Mechanismus, der überall im Universum arbeitet: in Sternen, Planeten, Galaxien und sogar in riesigen inter­galaktischen Gaswolken“, sagt Max-Planck-Forscher Rainer Beck. „Diese verwirbelte Struktur des Magnetfeldes hilft der kosmischen Strahlung, sich über größere Bereiche zu verteilen, bevor sie ihre Energie durch die Synchrotron­kühlung im Magnetfeld verliert. Die hochenergetische kosmische Strahlung kann sich dann leicht mit dem Hintergrundgas und -plasma verbinden und so Gebiete hohen Drucks in der Scheibe erzeugen. Das daraus resultierende Druckungleich­gewicht zwischen der Scheibe und den äußeren Schichten im Halo verursacht die Entstehung von Winden“, ergänzt Fatemeh Tabatabaei.

Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass von der kosmischen Strahlung angetriebene Winde in den meisten Galaxien eine Rolle spielen können, insbesondere in solchen mit relativ geringer Masse, aber aktiver Stern­entstehung wie M33. Das sind Systeme, die viel häufiger im Kosmos auftreten als massereiche Galaxien. Daher können die von der kosmischen Strahlung ange­triebenen Winde prinzipiell auch in früheren Epochen eine wichtige Rolle beim Abtransport von Gas gespielt haben, da sie aufgrund der höheren Sternentstehungs­aktivität damals noch stärker waren. 

„Um diese Ergebnisse zu bestätigen und die Untersuchung auf frühere Epochen im Universum auszudehnen, sind detaillirte Radio­beobachtungen von weiter entfernten Galaxien erforderlich, die mit zukünftigen empfind­lichen Radio­teleskopen wie dem Next Generation Very Large Telescope und dem SKA-Observatorium möglich werden“, sagt Karl Menten, Leiter der Forschungs­abteilung Millimeter- und Submillimeter-Astronomie.

MPIfR / JOL

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