12.05.2020

Erdnächstes schwarzes Loch aufgespürt

Teil eines Dreifachsystems ist nur 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Eine Gruppe von Astronomen der Europäischen Südstern­warte ESO und anderer Institute hat ein schwarzes Loch entdeckt, das nur 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Das schwarze Loch ist näher an unserem Sonnensystem als jedes andere bisher gefundene und ist Teil eines Dreifach­systems, das mit dem bloßen Auge sichtbar ist. Das Team fand den Nachweis für das unsicht­bare Objekt, indem es seine beiden Begleitsterne mit dem 2,2-Meter-Teleskop MPG/ESO am La-Silla-Obser­vatorium der ESO in Chile nachv­erfolgte. Sie sagen, dass dieses System nur die Spitze des Eisbergs sein könnte, da in Zukunft noch viele weitere ähnliche schwarze Löcher gefunden werden könnten.

Abb.: Künst­lerische Darstellung des Dreifach­systems mit dem erdnächsten...
Abb.: Künst­lerische Darstellung des Dreifach­systems mit dem erdnächsten schwarzen Loch. (Bild: L. Calçada, ESO)

„Wir waren völlig überrascht, als wir feststellten, dass dies das erste Sternsystem mit einem schwarzen Loch ist, das man mit bloßem Auge sehen kann“, sagt Petr Hadrava von der Akademie der Wissen­schaften der Tschechischen Republik in Prag . Das System befindet sich im Sternbild Telescopium und ist uns so nahe, dass seine Sterne von der Südhalbkugel aus in einer dunklen, klaren Nacht ohne Fernglas oder Teleskop beobachtet werden können. „Dieses System enthält das der Erde nächst­gelegene schwarze Loch, von dem wir wissen“, sagt der ESO-Wissen­schaftler Thomas Rivinius, der die Studie leitete.

Das Team beobachtete das System mit der Bezeichnung HR 6819 ursprünglich als Teil einer Studie über Doppel­sternsysteme. Als sie ihre Beobach­tungen analysierten, waren sie jedoch verblüfft, als sie einen dritten, bisher unentdeckten Körper in HR 6819 entdeckten: ein Schwarzes Loch. Die Beobach­tungen mit dem FEROS-Spektro­graphen am MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop in La Silla zeigten, dass einer der beiden sichtbaren Sterne alle vierzig Tage ein unsichtbares Objekt umkreist, während der zweite Stern sich in großer Entfernung von diesem inneren Paar befindet. Dietrich Baade, emeritierter Astronom an der ESO in Garching, sagt: „Die Beobach­tungen, die zur Bestimmung des Zeitraums von vierzig Tagen notwendig waren, mussten über mehrere Monate verteilt werden.“

Das verborgene schwarze Loch in HR 6819 ist eines der allerersten gefundenen schwarzen Löcher mit stellarer Masse, die nicht gewaltsam mit ihrer Umgebung interagieren und daher wirklich schwarz erscheinen. Aber die Forscher konnten seine Anwesen­heit ausmachen und seine Masse berechnen, indem sie die Umlaufbahn des Sterns im inneren Paar untersuchten. „Ein unsicht­bares Objekt mit einer Masse, die mindestens viermal so groß ist wie die der Sonne, kann nur ein schwarzes Loch sein“, folgert Rivinius, der in Chile ansässig ist.

Astronomen haben bisher nur ein paar Dutzend schwarze Löcher in unserer Galaxie entdeckt, die fast alle in starker Interaktion mit ihrer Umgebung stehen und ihre Anwesenheit durch die Freisetzung starker Röntgen­strahlung in dieser Wechselwirkung verraten. Wissen­schaftler schätzen jedoch, dass im Laufe der Lebenszeit der Milchstraße viel mehr Sterne zu schwarzen Löchern kollabierten, als diese ihr Leben beendeten. Die Entdeckung eines stillen, unsicht­baren schwarzen Lochs in HR 6819 gibt Hinweise darauf, wo sich die vielen versteckten schwarzen Löcher in der Milchstraße befinden könnten. „Es muss Hunderte von Millionen schwarzer Löcher geben, aber wir wissen nur von sehr wenigen. Wenn wir wissen, wonach wir suchen müssen, sollten wir besser in der Lage sein, sie zu finden“, sagt Rivinius. Baade fügt hinzu, dass die Suche nach einem schwarzen Loch in einem Dreifach­system so nahe beieinander bedeutet, dass wir nur „die Spitze eines aufregenden Eisbergs“ sehen.

Schon jetzt glauben die Astronomen, dass ihre Entdeckung Aufschluss über ein zweites System geben könnte. „Wir erkannten, dass ein anderes System, genannt LB-1, ebenfalls ein solches Dreifach­system sein könnte, auch wenn wir mehr Beobach­tungen benötigen würden, um dies sicher sagen zu können“, sagt Marianne Heida von der ESO. „LB-1 ist etwas weiter von der Erde entfernt, aber astro­nomisch gesehen immer noch ziemlich nah, was bedeutet, dass wahrscheinlich noch viel mehr dieser Systeme existieren. Wenn wir sie finden und untersuchen, können wir viel über die Entstehung und Entwicklung dieser seltenen Sterne lernen, die ihr Leben mit mehr als etwa der achtfachen Masse der Sonne beginnen und in einer Supernova-Explosion enden, die ein schwarzes Loch hinterlässt.“

Die Entdeckungen dieser Dreifachsysteme mit einem inneren Paar und einem fernen Stern könnten auch Hinweise auf die heftigen kosmischen Verschmel­zungen liefern, die Gravitations­wellen freisetzen, die stark genug sind, um auf der Erde entdeckt zu werden. Einige Astronomen glauben, dass diese Verschmel­zungen in Systemen mit einer ähnlichen Konfiguration wie HR 6819 oder LB-1 stattfinden können, bei denen das innere Paar jedoch aus zwei schwarzen Löchern oder aus einem schwarzen Loch und einem Neutronen­stern besteht. Das entfernte äußere Objekt kann das innere Paar durch Gravitation so beeinflussen, dass es eine Verschmelzung und die Freisetzung von Gravitations­wellen herbeiführt. Obwohl HR 6819 und LB-1 nur ein schwarzes Loch und keine Neutronen­sterne haben, könnten diese Systeme den Wissenschaftlern helfen zu verstehen, wie es zu Stern­kollisionen in Dreifachs­ternsystemen kommen kann.

MPIA / JOL

Weitere Infos

 

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen