Die Energiewende schreitet global mit großen Schritten voran. Vorreiter Deutschland deckte 2016 ein gutes Drittel seines Strombedarfs aus Wind-, Wasser- und Solaranlagen. 2016 stellte die Windstromerzeugung in Deutschland mit etwa 100 Milliarden Kilowattstunden die Leistung der hiesigen Kernkraftwerke in den Schatten. Global überrundete der Zuwachs an Erneuerbaren wie bereits im Vorjahr den Zubau an konventioneller Kraftwerke, die fossile und nukleare Brennstoffe nutzen. Dazu zählte auch einer der weltweit größten Solarparks, der derzeit in Marokko entsteht.
Abb.: Parabolspiegel des Kraftwerks Noor-I bündeln Sonnenlicht auf eine zentrale Röhre, durch die heiße Thermoöle bei etwa 350 Grad Celsius zirkulieren. (Bild: J. O. Löfken)
Bis 2040 werden die neuen Kraftwerke laut dem aktuellen World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur IEA zu mehr als 80 Prozent erneuerbare Quellen, aber auch Erdgas nutzen, das bei der Stromerzeugung im Vergleich zur Kohle nur halb so viel Kohlendioxid freisetzt. Dadurch werde im gleichen Zeitraum der Anteil von Kohle an der globalen Energieversorgung signifikant fallen. Positiv fielen 2016 die stark gefallenen Kosten für Photovoltaik-Strom auf, die etwa im sonnigen Arabien bereits unter 2,3 Eurocent/kWh liegen. Allerdings reichen die Anstrengungen, auf sich die internationale Staatengemeinschaft im Pariser Klimaabkommen geeinigt und auf in der Marrakesch-Proklamation bekräftigt haben, nicht für das selbst gesetzte „Unter-Zwei-Grad-Ziel“ für die Erderwärmung aus. Nach Abschätzung der IEA müsse derzeit noch mit mindestens einer Zunahme von 2,7 Grad bis zum Jahr 2100 gerechnet werden.
Für eine größere Dynamik der Energiewende könnten zahlreiche Forschungsergebnisse aus den verschiedensten Energiesektoren sorgen. Für großflächige und günstige Solarzellen stechen die Fortschritte bei den Perowskiten heraus. Am Cavendish Laboratory an der Universitsy of Cambridge konnten sie die verblüffend hohen Wirkungsgrade über 20 Prozent mit Lumineszenzen rekombinierter Elektron-Loch-Paare erklären. Am Karlsruher Institut für Technologie entwickelten sie vielversprechende Prototypen, in denen Perowskit mit CIGS-Dünnschichtzellen kombiniert wurden. Am wichtigsten für eine 2017 mögliche Pilotproduktion von Perowskit-Solarzellen waren Versuche an der École Polytechnique Fédérale in Lausanne (EPFL), bei denen Rubidiumionen die Haltbarkeit von Zellen deutlich steigern konnten.
Auch bereits etablierte Solarzell-Typen konnten optimiert werden. So hat das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg ZSW mit 22,6 Prozent Wirkungsgrad einen neuen Weltbestwert bei Dünnschichtsolarzellen aufgestellt. Silizium-Experten um Bernd Rech vom HZB-Institut für Siliziumphotovoltaik konnten zeigen, dass mit einer Silizium-Perowskit-Tandemzelle ein Wirkungsgrad von dreißig Prozent erreichbar ist. Am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE erreichte erstmals eine III-V/Silizium-Mehrfachsolarzelle mit einer Fläche von vier Quadratzentimetern eine Effizienz von 30,2 Prozent. Und um Solarparks in Zukunft auch auf weiten Wasserflächen installieren zu können, entwickelten Forscher der TU Wien eine Leichtbaukonstruktion, mit der sich hundert Meter lange Plattformen bauen lassen, die auch bei hohem Wellengang ruhig und stabil an Ort und Stelle bleiben.
Abb.: Heliofloat-Plattformen treiben stabil auf dem Wasser (künstlerische Darstellung, Bild: TU Wien)
Auch die bereits weit gereifte Windrad-Technologie kann noch weiter verbessert werden. Im Projekt Smart Blades entwickelten und prüften die Wissenschaftler des Forschungsverbunds Windenergie neue Ideen für intelligente Rotorblätter, die sich dem Wind anpassen können. Größere Windkraftanlagen mit Rotoren aus neuen, leichteren Materialien wurden im EU-Projekt WALiD (Wind Blade Using Cost-Effective Advanced Lightweight Design) vom Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT in Pfinztal in enger Zusammenarbeit mit zehn Partnern aus Industrie und Forschung konzipiert.
Wie der Rückbau älterer Anlagen schnell, günstig und umweltfreundlich gelingen kann, ermittelten Wissenschaftler am Institut für Integrierte Produktion Hannover IPH rechtzeitig vor der großen Rückbau-Welle, mit der sie in zirka zehn Jahren rechnen. Für den Offshore-Bereich standen schwimmende Fundamente und sogar Konzepte für künstliche Inseln im Interesse von meist deutschen Ingenieuren.
Eine effiziente Stromerzeugung mit der Kraft der Meereswellen hat sich die Nemos GmbH aus Duisburg mit ihrem Wellenkraftwerk zum Ziel gesetzt. Nach dem Erfolg der Pilotanlage in Dänemark soll 2017 die erste Großanlage in der Nordsee den Betrieb aufnehmen. Im Flüssen ließe sich selbst in kleinen Fließwasserkraftwerken mit neuen Turbinen, die das französische Start-Up Turbiwatt konstruiert hat, mehr Strom erzeugen als bisher. Das gleiche Ziel verfolgen Forscher der Salzgitter AG und der TU Braunschweig mit einem neuartigen Hochleistungswasserrad, das mit 60 Kubikmetern pro Sekunde das zehnfache Schluckvermögen gegenüber klassischen Wasserrädern ermöglicht.
Abb.: Konzept eines Meereswellenkraftwerks gekoppelt mit einem Offshore-Windpark. (Bild: Nemos)
Da die Strommenge aus Wind- und Solarkraftwerken stark von der Wetterlage abhängt, wurde 2016 wie schon im Vorjahr an optimierten Speichertechnologien gearbeitet. An einem Pumpspeicherkraftwerk in einem stillgelegten Kohleschacht arbeiten Forscher der Universitätsallianz Ruhr UA Ruhr. Ein Pilotprojekt auf der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop belegte die Machbarkeit. Ebenfalls erfolgreich verlief die Pilotphase mit einer im Bodensee versenkten Betonkugel, die den Wasserdruck zur Stromspeicherung nutzte. Nun denken die Speicherspezialisten des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel an eine 30-Meter-Kugel, die im Meer bei 700 Metern Tiefe ungefähr 20 Megawattstunden speichern könnte.
Energie in Form von Wärme in Flüssigkeiten speichern wollen Entwickler am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, 2016 begann der Aufbau einer Testanlage für Wärmespeicherung in geschmolzenem Salz – TESIS genannt. Mit dem Blick in die Zukunft starteten die „Kopernikus-Projekte für die Energiewende“. Das Teilprojekt „Power To X“ soll die großtechnischen Voraussetzungen erarbeiten, um mehr als 90 Prozent der zukünftigen Erneuerbare-Energien-Überschüsse in Form von chemischen Grundstoffen, gasförmigen Energieträgern und Kraftstoffen zu speichern.
Leistungsfähiger und um ein Vielfaches kompakter sind dagegen Batterie-Systeme, die vor allem zu einer größeren Reichweite von Elektromobilen führen sollen. Ein Team vom HZB-Institut für weiche Materie und funktionale Materialien hat erstmals detailliert beobachtet, wie Lithium-Ionen in Silizium einwandern. Ihre Arbeit zeigte, dass schon extrem dünne Silizium-Schichten ausreichten, um die Kapazität des Akkus weiter zu steigern. Ein schnelles Aufladen erlaubten nanostrukturierte, nickelbasierte Hochleistungselektroden. Wissenschaftler am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg ZSW konnten mit diesen Elektroden die Lade- und Entladegeschwindigkeit bis auf drei Sekunden reduzieren. Für höhere Kapazitäten schlug eine Arbeitsgruppe der Chinesischen Akademie der Wissenschaften Vanadiumoxid vor, das in mehrwandigen Mikrokugeln in eine Kathode integriert werden könnte. Erste Versuche mit dreiwandigen Mikrokugeln zeigten verblüffend hohe Werte von 447,9 mAh/g.
Über Lithiumionen-Akkus hinaus versprechen Silizium-Luft-Batterien weitaus höhere Energiedichten und sind dabei kleiner und leichter. Mit einer speziellen Elektrolytpumpe erreichte eine Arbeitsgruppe am Forschungszentrum Jülich eine Laufzeit von mehr als 1100 Stunden. Schnelles Aufladen bei hohen Energiedichten realisierten Forscher der University of California in Los Angeles mit einem pseudokapazitativen Material aus Molybdäntrioxid. Erste Pilotversuche belegten, dass der Effekt der Pseudokapazität für den Bau von leistungsfähigen und extrem schnell aufladbaren Stromspeichern prinzipiell geeignet ist.
Abb.: Das erste Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X dauerte eine Viertelsekunde und erreichte – bei moderater Plasmadichte – eine Temperatur von rund 80 Millionen Grad Celsius. (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto; Bild: IPP)
Die Energieforschung stand 2016 vor allem im Fokus der Erneuerbaren Energien und der Stromspeicher. Doch auch die trotz langer Entwicklungszeit oft gescholtene Kernfusion hatte vergangenes Jahr große Fortschritte zu verzeichnen. So lag nach Jahren der Unsicherheit das internationale Fusionsexperiment ITER in Südfrankreich immerhin im neu aufgestellten Zeitplan. Die Zündung des ersten Plasmas soll demnach weiterhin im Jahr 2025 erfolgen. Die deutsche Stellarator-Fusionsanlage Wendelstein-7X in Greifwald war da schon einen Schritt weiter und erzeugte im Februar ein erstes Wasserstoff-Plasma.
Nach rund 2200 Plasma-Pulsen seit Betriebsbeginn im Dezember 2015 ging die erste Experimentierkampagne am Wendelstein 7-X erfolgreich zu Ende. Danach starteten Umbauten im Plasmagefäß, um die Anlage bis Mitte 2017 fit für höhere Heizleistung und längere Pulse zu machen. Und nicht zuletzt kam auch die laserinduzierte Trägheits-Kernfusion, bei der riesige Laser ein kleines Kügelchen mit Fusionstreibstoff innerhalb kürzester Zeit aufheizen, einen großen Schritt weiter. Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien ist es 2016 erstmals gelungen, laserbefeuerte Fusionsprozesse in Gang setzen, bei denen das Aufheizen über Alphateilchen die dominierende Rolle beim Energieeintrag spielte.
Jan Oliver Löfken
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