Es gibt zu wenig Galaxienhaufen
Neue Messungen fordern kosmologisches Standardmodell heraus.
Neue Messungen stellen die Astrophysiker vor ein Rätsel: Demnach haben sich in der Zeit seit dem Urknall deutlich weniger Galaxienhaufen gebildet, als eigentlich zu erwarten wäre. Forscher der Uni Bonn konnten dieses Phänomen jetzt bestätigen. In den kommenden drei Jahren wollen die Wissenschaftler ihre Beobachtungsdaten noch genauer analysieren. Spätestens dann könnte sich endgültig zeigen, ob die heute gültigen Theorien überarbeitet werden müssen.
Abb.: Der Galaxienhaufen XLSSC006. (Bild: ESA / CFHT / XXL Survey)
Nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren war die Materie nicht exakt gleichmäßig verteilt: An manchen Stellen war sie etwas dichter als an anderen. Von dort gingen daher etwas höhere Gravitationskräfte aus. Mit der Zeit konzentrierte sich an diesen Kondensationspunkten mehr und mehr Materie. Der Raum zwischen ihnen wurde dagegen leerer und leerer. So entstand innerhalb von 13 Milliarden Jahren eine Schwammstruktur: große materiefreie „Löcher“, dazwischen Galaxienhaufen, in denen sich auf engem Raum Tausende von Galaxien tummeln.
Das Standardmodell der Kosmologie beschreibt diese Entstehungsgeschichte von den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall bis heute. Das Schöne daran: Es kommt mit nur sechs Stellschrauben aus und erklärt doch alles, was wir heute über Geburt und Entwicklung des Weltalls wissen. Möglicherweise stößt es jetzt aber an seine Grenzen. „Neue Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Materie heute anders verteilt ist, als die Theorie vorhersagt“, erklärt Florian Pacaud von der Uni Bonn.
Stein des Anstoßes sind Daten des Planck-Teleskops. Danach schwankte die Verteilung der Materie 380.000 Jahre nach dem Urknall so stark, dass sich mit der Zeit mehr Galaxienhaufen hätten bilden müssen, als man heute tatsächlich sieht. „Wir haben uns mit einem Röntgensatelliten die Zahl der Galaxienhaufen in unterschiedlichen Entfernungen von uns angesehen“, erklärt Pacaud. Das Licht von weit entfernten Haufen erlaubt es einen Blick in eine Zeit, als das Universum noch jung war. Nahe Haufen verraten uns dagegen etwas über die nähere Vergangenheit.
„Unsere Messungen bestätigen, dass sich die Haufen zu langsam bilden“, sagt Pacaud. „Wir haben berechnet, inwieweit diese Beobachtung mit bestimmten Grundannahmen des Standardmodells kollidiert.“ Demnach gibt es zwar eine Diskrepanz zwischen Messungen und Vorhersagen. Die Ungenauigkeit der Daten ist aber noch so groß, dass sie die Theorie nicht wirklich in Frage stellen. Die Forscher rechnen jedoch damit, dass sie in spätestens drei Jahren erheblich verlässlichere Werte haben. Dann wird sich zeigen, ob die aktuellen Modelle überdacht werden müssen.
RFWU / RK