08.10.2018

Es gibt zu wenig Galaxienhaufen

Neue Messungen fordern kosmologisches Standard­modell heraus.

Neue Messungen stellen die Astrophysiker vor ein Rätsel: Demnach haben sich in der Zeit seit dem Urknall deutlich weniger Galaxien­haufen gebildet, als eigent­lich zu erwarten wäre. Forscher der Uni Bonn konnten dieses Phänomen jetzt bestätigen. In den kommenden drei Jahren wollen die Wissen­schaftler ihre Beobach­tungs­daten noch genauer analy­sieren. Spätestens dann könnte sich end­gültig zeigen, ob die heute gültigen Theorien über­arbeitet werden müssen.

Abb.: Der Galaxienhaufen XLSSC006. (Bild: ESA / CFHT / XXL Survey)

Nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren war die Materie nicht exakt gleich­mäßig verteilt: An manchen Stellen war sie etwas dichter als an anderen. Von dort gingen daher etwas höhere Gravi­ta­tions­kräfte aus. Mit der Zeit konzen­trierte sich an diesen Konden­sa­tions­punkten mehr und mehr Materie. Der Raum zwischen ihnen wurde dagegen leerer und leerer. So entstand inner­halb von 13 Milliarden Jahren eine Schwamm­struktur: große materie­freie „Löcher“, dazwischen Galaxien­haufen, in denen sich auf engem Raum Tausende von Galaxien tummeln.

Das Standardmodell der Kosmologie beschreibt diese Entste­hungs­geschichte von den ersten Sekunden­bruch­teilen nach dem Urknall bis heute. Das Schöne daran: Es kommt mit nur sechs Stell­schrauben aus und erklärt doch alles, was wir heute über Geburt und Entwick­lung des Weltalls wissen. Möglicher­weise stößt es jetzt aber an seine Grenzen. „Neue Beobach­tungen deuten darauf hin, dass die Materie heute anders verteilt ist, als die Theorie vorher­sagt“, erklärt Florian Pacaud von der Uni Bonn.

Stein des Anstoßes sind Daten des Planck-Teleskops. Danach schwankte die Vertei­lung der Materie 380.000 Jahre nach dem Urknall so stark, dass sich mit der Zeit mehr Galaxien­haufen hätten bilden müssen, als man heute tatsäch­lich sieht. „Wir haben uns mit einem Röntgen­satel­liten die Zahl der Galaxien­haufen in unter­schied­lichen Entfer­nungen von uns ange­sehen“, erklärt Pacaud. Das Licht von weit ent­fernten Haufen erlaubt es einen Blick in eine Zeit, als das Universum noch jung war. Nahe Haufen verraten uns dagegen etwas über die nähere Vergangen­heit.

„Unsere Messungen bestätigen, dass sich die Haufen zu langsam bilden“, sagt Pacaud. „Wir haben berechnet, inwieweit diese Beobach­tung mit bestimmten Grund­an­nahmen des Standard­modells kolli­diert.“ Demnach gibt es zwar eine Diskre­panz zwischen Messungen und Vorher­sagen. Die Ungenauig­keit der Daten ist aber noch so groß, dass sie die Theorie nicht wirklich in Frage stellen. Die Forscher rechnen jedoch damit, dass sie in spätestens drei Jahren erheb­lich verläss­lichere Werte haben. Dann wird sich zeigen, ob die aktu­ellen Modelle über­dacht werden müssen.

RFWU / RK

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