ESA-Direktor: Erde wichtigstes Forschungsziel europäischer Satelliten
Volker Liebig, Direktor der Europäischen Raumfahrtagentur, im Interview.
Volker Liebig, Direktor der Europäischen Raumfahrtagentur, im dpa-Interview.
Der Klima- und Umweltsatellit Satellit «SMOS» der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, der am 2. November 2009 ins All gestartet ist, soll einzigartige Daten zum Salzgehalt der Ozeane und zur Bodenfeuchte liefern. Die Klima- und Umweltforschung vollzieht mit derartigen Instrumenten gegenwärtig einen Schritt zur Routinebeobachtung, wie ihn die Wettersatelliten vor 30 Jahren gegangen sind. Das sagte der ESA-Direktor Volker Liebig (53) im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der in München aufgewachsene Geophysiker ist für die hunderte Millionen Euro teuren Satellitenmissionen verantwortlich. In den kommenden Jahren sollen im Bereich des ESA-Programms «Lebender Planet» vier weitere künstliche Trabanten folgen.
Abb.: Volker Liebig, ESA Direktor seit Oktober 2004 (Bild: ESA - Corvaja)
Herr Liebig, es gibt bereits etliche Satelliten, die die Erde beobachten. Warum braucht Europa immer neue fliegende Himmelskörper?
Liebig: «Es gibt viele. Das ist vollkommen richtig. Aber die Technik macht ständig Fortschritte. Das heißt, wir können jetzt Dinge beobachten, die wir vor ein paar Jahren noch nicht beobachten konnten. Und Wissenschaftler sind natürlich sehr erpicht darauf, immer mehr Parameter unseres Systems Erde besser zu erforschen. Wir haben globale Fragestellungen - zum Beispiel im Bereich Klimawandel. Da ist der Satellit ein sehr gutes Mittel, um einen raschen Überblick zu bekommen. Ein Klimamodell kann zum Beispiel nicht mit Daten nur aus einer Region arbeiten. Es braucht globale Daten und die bekommt man am besten vom Satelliten.»
Ist es durch die Diskussion um den Klimawandel einfacher geworden, Geld für solche Projekte zu bekommen?
Liebig: «Ja wir haben es leichter - weil die Fragestellungen so dringend sind. Wir liefern Daten, die wichtig dafür sind, was die Regierungschefs zum Beispiel im Dezember in Kopenhagen besprechen, wenn es darum geht, für die Zeit nach dem Kyoto-Protokoll neue Vereinbarungen zu treffen. Das Erdbeobachtungsprogramm der ESA ist zum größten Teilprogramm geworden. Eben aus dem Grund, dass es eine so große Nachfrage gibt. Je weiter die Klimawandel-Forschung kommt, je mehr sehen wir, dass uns Daten fehlen, weil wir die Zusammenhänge nicht verstehen. Das gilt für die Polarregionen, aber auch für Dinge wie den Salzgehalt der Ozeane und Bodenfeuchte. Man hat bisher kein Instrument gehabt, das so etwas messen konnte. Mit dem "SMOS"- Satelliten wird es das jetzt zum ersten Mal geben.»
Für die nächsten Jahre sind bereits weitere Satelliten-Missionen fest geplant. Was sind Projekte, bei denen sich die Regierungen noch mehr engagieren könnten?
Liebig: «Wir sind gerade dabei, den Schritt zu machen von den wissenschaftlichen Satelliten hin zum operationellen Beobachten. Das, was wir vor 30 Jahren in der Meteorologie gemacht haben und was dazu führte, dass wir heute in jedem Wetterbericht Satellitendaten sehen - diesen Schritt machen wir jetzt gerade bei den Umweltdaten. Und wir sind noch nicht am Ende. Wir haben jetzt die Mittel für die Entwicklung des Systems. Aber uns fehlen noch die Mittel für den Betrieb. Und hier brauchen wir die Unterstützung der Politik.»
Was können Politiker ihren Bürgern sagen: Warum ist es so wichtig, in diesem Bereich Geld zu investieren?
Liebig: «Ich denke, jeder versteht inzwischen, dass es hohe Priorität hat zu wissen, was auf unserem Planeten in Bezug auf den Klimawandel passiert. Das hat nicht nur mit Umweltaspekten, sondern auch mit dem gesamten Wirtschaften auf unserem Planeten zu tun. Da geht es um riesige volkswirtschaftliche Summen. Nehmen wir ein Beispiel: den Anstieg des Meeresspiegels. Zuletzt hat man noch einen Meeresspiegelanstieg von 29 bis 48 Zentimetern in diesem Jahrhundert vorhergesagt. In der Zwischenzeit messen wir vom Satelliten, dass die Vorhersagen und Modelle falsch waren. Man hat das stark unterschätzt. Beim Rückzug des Eises in der Arktis ist es ähnlich: Es hieß, bis 2050 etwa würde im Sommer das Eis verschwunden sein. Nach unseren Satelliten-Messungen wird das voraussichtlich schon 10 bis 20 Jahre früher stattfinden. Das sind Argumente, warum wir diese Instrumente brauchen.»
Welche Rolle spielt Deutschland bei den Erdbeobachtungsmissionen?
Liebig: «Deutschland ist einer unserer wichtigsten Partner in der ESA - im Erdbeobachtungsprogramm sogar der größte. Das heißt, wir bekommen auf der einen Seite sehr viele Beiträge aus Deutschland zu diesem Programm - zum anderen gehen aber auch sehr viele Aufträge nach Deutschland. Bei der ESA gibt es die Regel, dass die Aufträge in die Länder gehen, aus denen die Beiträge kommen. Insoweit profitiert davon direkt die deutsche Industrie. Dass die Bundesrepublik größter Partner im Erdbeobachtungsprogramm ist, hat zudem etwas damit zu tun, dass Deutschland sehr großes Interesse an der Umweltthematik hat und in diesem Bereich auch politisch eine der führenden Nationen in Europa ist.»
Interview: Ansgar Haase, DPA
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