13.02.2008

Europäer übernehmen Regie in Weltraumlabor

Nach dem erfolgreichen Andocken des Weltraumlabors «Columbus»an die Internationale Raumstation ISS werden nun nach und nach alle Systeme in Betrieb genommen.

Oberpfaffenhofen (dpa) - Mit einer Lampe, Atemmaske und Schutzbrille schwebt Leopold Eyharts in das neue europäische Weltraumlabor «Columbus». «Auf den ersten Blick sieht Columbus gut aus», meldet der französische Astronaut zur Erde. Nach dem erfolgreichen Andocken des Labors an die Internationale Raumstation ISS öffnete Eyharts zusammen mit seinem deutschen ESA-Kollegen Hans Schlegel am Dienstagnachmittag deutscher Zeit (MEZ) erstmals die Luke zu dem noch unbeleuchteten Labor. Danach inspizierten auch ISS-Kommandantin Peggy Whitson und andere Crewmitglieder das Labor. Bis zum späten Abend waren die Mannschaft und «Columbus»-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München weiter damit beschäftigt, Systeme zum Laufen bringen.

Mit Dichtigkeits- und Drucktests hatte die Crew vorher sichergestellt, dass «Columbus» kein Leck hat. Die Brille trugen die Astronauten beim ersten «Betreten» des Labors zum Schutz vor möglichen Splittern - für den Fall, dass bei der Reise Teile der empfindlichen Einrichtung zu Bruch gegangen waren. «Das ist aber sehr unwahrscheinlich», sagt Markus Bauer von der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA. Die Atemmaske sollte unter anderem vor Staubpartikeln schützen.

Nach jahrelanger Verzögerung haben die Europäer einen Meilenstein erreicht, für die europäische Raumfahrt beginnt mit «Columbus» ein neues Kapitel. Denn das Weltraumlabor als rund 880 Millionen Euro teurer Beitrag zur ISS macht die ESA zum wichtigen Partner, die Europäer dürften nun über 8,3 Prozent der Ressourcen auf der ISS verfügen. Die «New York Times» bezeichnete «Columbus» als «Kronjuwel» der europäischen ISS-Beteiligung. «Wir haben jetzt ein eigenes Labor an Bord der ISS, wir sind da Herr im Haus und können sehr attraktive Wissenschaft machen», sagte der Chef des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums, Klaus Wittmann am Dienstagabend.

Rund 75 Wissenschaftler und Ingenieure in Oberpfaffenhofen bei München haben nun die Kontrolle über das Weltraumlabor. Über Kopfhörer stehen in ständigen Kontakt zu Houston und Moskau, hochkonzentriert verfolgen sie die Aktionen auf der ISS, die live übertragen werden. «Der technische Inbetriebnahmeprozess läuft», sagte Andreas Schütz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Dienstagabend in Oberpfaffenhofen.

«Es ist wie bei einem neuen Auto: Man liest eher mal die Gebrauchsanleitung, bevor man irgendwelche Knöpfe drückt», erläuterte der ESA-Astronaut und Leiter der «Columbus»-Mission in Oberpfaffenhofen, Reinhold Ewald. Vorsichtiges Vorgehen verzögere die Aktion, etwa habe es geringfügige Probleme bei der Inbetriebnahme des Kühlsystems gegeben. Weil es im Labor deshalb schnell heiß wurde, konnten die Astronauten zunächst immer nur kurz in das Labor. Ewald: «Ich fiebere natürlich mit.» Er war 1997 auf der Raumstation Mir, als dort ein Feuer ausbrach.

Im Kontrollraum rund 25 Kilometer vor den Toren der bayerischen Landeshauptstadt in Oberpfaffenhofen verfolgen die Wissenschaftler an Dutzenden Bildschirmen die Aktionen der Astronauten, zu denen sie nun über Funk und Video rund um die Uhr Kontakt halten. Der Einfachheit halber und zur Vermeidung von sprachlichen Hürden wird es aber im internationalen Funkverkehr nicht Oberpfaffenhofen, sondern München gerufen werden.

Oberpfaffenhofen steuert die technischen Systeme des Labors von der Heizung bis zur Luft- und Wasserversorgung. Das «Columbus»-Kontrollzentrum wird auch die Experimente und das wissenschaftliche Programm von Forschungszentren in ganz Europa koordinieren. «Die Experimente werden Realtests für die Funktionsfähigkeit von "Columbus" sein», erläutert Ewald. Möglicherweise bereits am Donnerstag wird das erste wissenschaftliche «Columbus»-Experiment starten.

Davor müssen die Experimentierschränke an ihre richtige Position gebracht werden. Sie waren für den Transport in der Ladebucht der Raumfähre «Atlantis» so befestigt worden, dass die Masse für den Flug optimal verteilt war. Die Computersysteme müssen gestartet und konfiguriert werden. Bis das Labor voll funktionsfähig ist, könnten mehrere Wochen ins Land gehen.

Zahlreiche Experimente in der Schwerelosigkeit sind geplant, unter anderem mit Flüssigkeiten, Mikroorganismen, Zellen, Gewebekulturen, Pflanzen und Insekten. Auch die Astronauten selbst spielen Versuchskaninchen. An ihnen sollen die Auswirkungen längerer Schwerelosigkeit wie Muskel- und Knochenschwund sowie Gegenmaßnahmen untersucht werden.

Der deutsche Astronaut Hans Schlegel bereitete sich unterdessen auf seinen ersten «Weltraumspaziergang» vor. Der Vater von sieben Kindern wird nach Thomas Reiter der zweite Deutsche sein, der im Raumanzug im All schwebt. Die Nacht zum Mittwoch sollte der 56-Jährige mit Atemmaske in der Außenbordschleuse schlafen und reinen Sauerstoff atmen, der Stickstoff wird damit praktisch aus seinem Blut «gespült». «Damit wird sein Körper auf den Einsatz vorbereitet», sagt Schütz. Nachdem Schlegel aus gesundheitlichen Gründen auf den ersten «Weltraumspaziergang» verzichten musste, soll er nun mit seinem US-Kollegen Rex Walheim ins All hinaus. Dabei geht es um die Installation eines neuen Stickstofftanks für das äußere Kühlsystem der ISS.

Sabine Dobel, dpa

Hintergrund - Das «Columbus»-Kontrollzentrum
Das «Columbus»-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München wurde im Jahr 2004 in Betrieb genommen. 75 Wissenschaftler und Ingenieure steuern dort die Aktivitäten im europäischen Forschungslabor «Columbus». Sie überprüfen Systeme, betreuen die wissenschaftliche Arbeit und trainieren das Team. Das «Columbus»-Kontrollzentrum wird unter anderem im Auftrag der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben.

Das Zentrum ist Bestandteil des Raumfahrt-Kontrollzentrums, das in den 40 Jahren seines Bestehens an mehr als 50 unbemannten und bemannten Missionen beteiligt war. Zu seinen Aufgaben gehörten dabei die Steuerung von Raumfahrzeugen und Experimenten an Bord, die Kommunikation zwischen Raumfahrzeugen und Bodenstationen sowie der Empfang, die Verarbeitung und Auswertung von Daten. Außerdem werden in Oberpfaffenhofen Flug- und Umlaufbahnen berechnet.

Die erste Mission des Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrums war Ende 1969 der deutsche Wissenschaftssatellit «Azur». Seit 20 Jahren betreut das Kontrollzentrum auch die bemannte Raumfahrt. Wegen der großen Erfahrungen in diesem Bereich wurde es auch von der ESA für den Betrieb des «Columbus»-Forschungsmoduls gewählt.

Derzeit bereitet sich das Raumfahrt-Kontrollzentrum auch auf das europäische Satelliten-Navigationssystem «Galileo» vor. Dafür wird allerdings ein eigenes Kontrollzentrum gebaut. Es soll den Betrieb der 30 Satelliten umfassenden Konstellation mindestens 20 Jahre lang führen.

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