Europäische Universitäten in der (Finanz-)Krise
Die Schere zwischen den Hochschulen in den Krisenstaaten und den gut versorgten Unis in Deutschland und Skandinavien öffnet sich immer weiter.
In vielen europäischen Ländern sind aufgrund der Schuldenkrise die finanziellen Spielräume der öffentlichen Haushalte sehr eng geworden. Dies wirkt sich auch auf die Lage der Universitäten aus. Seit 2008 verfolgt die European University Association (EUA) die Auswirkungen der Krise auf die öffentliche Finanzierung der europäischen Universitäten. Eine aktuelle Studie der EUA, deren Ergebnisse online zugänglich sind, zeigt alarmierende Zahlen vor allem für Süd- und Osteuropa. Gleichzeitig wächst der Abstand zu den vergleichsweise gut gestellten Hochschulen in Deutschland und Skandinavien immer weiter an.
Die Erhebung basiert auf Fragebögen, die an die Mitglieder der EUA, also die nationalen Rektorenkonferenzen, verschickt wurden, gezielten Nachbefragungen sowie auf Wirtschaftsdaten von Eurostat. Beim Vergleich der Zahlen aus den einzelnen Ländern muss man berücksichtigen, dass nicht immer zwischen direkter und indirekter Finanzierung der Universitäten sowie zwischen Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen differenziert wurde. Qualitativ sind die Ergebnisse aber belastbar und zeigen große Unterschiede.
Vergleich 2008–2012 | nominal | inflationsbereinigt |
---|---|---|
> 10 % | AT, BE#), DE, IS, NL, NO, PL, SE | DE, NO, SE |
+ 5–10 % | FR, HR | AT, BE#) |
+ 1–5 % | – | FR, NL |
± 1 % | – | – |
– 1–5 % | PT | HR, PL |
– 5–10 % | ES | PT, SK |
– > 10 % | CZ, GR, HU, IE, IT, LT, UK§) | CZ, ES, GR, HU, IE, IS, IT, LT, UK§) |
Tab. 1: Öffentliche Finanzierung von Universitäten in europäischen Ländern
#) Belgien: nur französischsprachiger Teil, §) United Kingdom: ohne Schottland
Am dramatischsten war der Rückgang der öffentlichen Mittel für die Universitäten in Griechenland und Ungarn (um über 30 %, allein von 2012 auf 2013 wurde die öffentliche Hochschulfinanzierung in Griechenland um 25 % gekürzt). In Lettland lagen für 2012 keine Zahlen vor, im Zeitraum 2008–2011 brach dort aber die Hochschulfinanzierung sogar um 47 % ein. Auffällig ist der Nicht-Eurostaat Island: Absolut stieg die Förderung der Universitäten um 13 %, inflationsbereinigt entsprach dies jedoch einem Rückgang um 17 %. Interessant ist auch der Vergleich des Anteils der Forschungsförderung am Bruttosozialprodukt. Dieser Anteil liegt aktuell (2013) in Österreich, Frankreich, den Niederlanden, Kroatien, Polen, Island und Schweden höher als 2008, in Italien, Griechenland, Portugal, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Litauen und Norwegen dagegen niedriger (Aus Deutschland lagen der EUA für 2013 noch keine Zahlen vor). Bei den von der Finanzkrise besonders stark betroffenen Ländern macht der radikale Sparkurs also auch vor Bildung und Forschung nicht halt. Norwegen bildet hier die große Ausnahme – im reichen Norden stieg das BSP noch stärker an als die Forschungsförderung.
Wie wirken sich die Kürzungen auf die betroffenen Universitäten aus? Unabhängig von der Höhe der Kürzungen und dem jeweiligen Grad an Autonomie der einzelnen Hochschulen wird praktisch überall zunächst an der Infrastruktur gekürzt – mit Blick auf die Zukunft eine besorgniserregende Entwicklung. Ebenfalls häufig von Kürzungen betroffen waren die Gehälter der Universitätsangestellten, etwa in Griechenland, Italien, Kroatien, Irland oder den Niederlanden.
Die Hochschulen fahren aber nicht nur ihre eigenen Ausgaben zurück, sondern suchen auch nach weiteren Finanzquellen. In Spanien, Großbritannien oder Irland wurden die Studiengebühren zum Teil massiv erhöht, was zu erheblichen Protesten unter den Studierenden geführt hat. Bemühungen, Drittmittel einzuwerben, verbessern die Situation meist nicht nennenswert, da gerade in den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern Institutionen, Wirtschaft und private Geldgeber ebenfalls unter dem wirtschaftlichen Einbruch leiden. Daher werden in allen Ländern EU-Förderprogramme stark nachgefragt, sowohl im Bereich der eigentlichen Forschungsförderung als auch über die europäischen Strukturfonds. Allerdings sollen und können diese Förderinstrumente die Defizite der nationalen Etats nicht ausgleichen, insbesondere wenn die vorgeschriebene nationale Kofinanzierung nicht möglich ist.
Die EUA sieht als Fazit ihrer Studie zwei beunruhigende Entwicklungen: In vielen europäischen Ländern greift die Sparpolitik im Bereich der Universitäten mittlerweile die Substanz an mit langfristigen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Forschungsraums.
Matthias Delbrück