Optische Atomuhren haben in den letzten Jahren spektakuläre Fortschritte gemacht. Sie sind 100-mal genauer als die besten Cäsium-Atomuhren. Leider ist diese Genauigkeit bisher nur lokal nutzbar, denn die herkömmliche Übertragungstechnik per Satellit verursacht eine zu hohe Frequenzunsicherheit. Ein neuer direkter „Draht“ zwischen Frankreich und Deutschland ändert dies jetzt: Über eine 1400 Kilometer lange Glasfaserstrecke zwischen Braunschweig und Paris lassen sich hochgenaue Frequenzen sozusagen auf die Reise schicken. In diesen Städten betreiben die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und das Institut Systèmes de Référence Temps-Espace (LNE-SYRTE) die genauesten optischen Uhren Europas. Ebenfalls am Uhrenvergleich beteiligt ist das französische Laboratoire de Physique des Lasers (LPL). Ein erster Vergleich zwischen den optischen Strontiumuhren der Partnerinstitute lieferte den Beweis, dass die Verbindung tatsächlich mit der gewünschten Qualität funktioniert. Gleichzeitig stellt diese Messung den ersten Frequenzvergleich optischer Uhren über Ländergrenzen hinweg mit einer bisher unerreicht kleinen relativen Unsicherheit von 5 × 10–17 dar. Damit wird ein europäisches Netzwerk optischer Uhren denkbar. Dieses könnte in Zukunft ultragenaue optische Referenzfrequenzen beispielsweise für die Grundlagenphysik, die Astronomie und die Geowissenschaften zur Verfügung stellen.
Abb.: Die 1400 Kilometer lange metrologische Glasfaserverbindung zwischen der PTB in Braunschweig und dem LNE-SYRTE in Paris wird in Straßburg zusammengeführt. (Bild: PTB)
Der Vergleich von sehr genauen Uhren ermöglicht äußerst empfindliche Messungen, z. B. für die Suche nach möglichen zeitlichen Änderungen von Naturkonstanten. Der Gang einer Uhr lässt sich aber auch für die Messung des lokalen Gravitationspotenzials nutzen: Ein Vergleich zwischen zwei Uhren ergibt – über die gemessene Gravitationsrotverschiebung – die Höhendifferenz zwischen den Uhren, also Stützpunkte für die Referenzfläche der Geodäten, das sogenannte Geoid der Erde. Dieser Forschungsansatz wird etwa im DFG-Sonderforschungsbereich 1128 („geo-Q“) von Physikern und Geodäten gemeinsam verfolgt.
Die genauesten Atomuhren basieren heutzutage auf optischen Übergängen. Diese optischen Uhren können eine stabile Frequenz mit einer relativen Unsicherheit von wenigen 10–18 liefern. Somit sind sie etwa 100-mal genauer als die besten Cäsium-Fontänenuhren, die zurzeit die SI-Einheit Sekunde realisieren. Doch Vergleiche, bei denen Frequenzen optischer Uhren per Satellit übertragen werden, stoßen bei einer Frequenzunsicherheit von 10–16 an ihre Grenzen.
Vor diesem Hintergrund haben schon seit Jahren Wissenschaftler in der PTB und an zwei französischen Instituten in Paris (Systèmes de Référence Temps-Espace, LNE-SYRTE, und Laboratoire de Physique des Lasers, LPL) an einer Glasfaserverbindung zwischen dem deutschen und dem französischen nationalen Metrologieinstitut, also der PTB und dem LNE-SYRTE, gearbeitet. Jetzt ist die 1400 Kilometer lange Strecke fertig. Sie beruht auf kommerziellen Glasfasern, bei denen Frequenzverschiebungen um bis zu sechs Größenordnungen aktiv unterdrückt und Leistungsverluste von 200 Dezibel mit speziellen Verstärkern ausgeglichen werden. So können sie optische Signale mit sehr hoher Stabilität durchleiten.
Der deutsche Teil der Strecke nutzt kommerziell angemietete Glasfasern und Einrichtungen des Deutschen Forschungsnetzes (DFN). Der französische Teil nutzt das Netz des Bildungs- und Forschungsministeriums RENATER, das von GIP RENATER betrieben wird. Etwa in der Mitte der Strecke, im IT-Zentrum der Universität Straßburg, treffen sich die Signale aus dem LNE-SYRTE und der PTB, so dass man die Uhren der beiden Institute dort miteinander vergleichen kann.
Dass die Strecke tatsächlich die hohen Erwartungen erfüllt, zeigte sich beim ersten Vergleich der beiden optischen Strontium-Gitteruhren von PTB und LNE-SYRTE. Bereits nach einer Mittelungszeit von nur 2000 Sekunden lag die Frequenzschwankung bei weniger als 2 × 10–17, und diese zeigt die hohe Stabilität der Uhren. Die Strecke selbst erlaubt schnelle Uhrenvergleiche mit einer Unsicherheit von weniger als 10–18. Da beide Uhren auf demselben atomaren Übergang basieren, sollten sie theoretisch exakt die gleiche Frequenz liefern. Doch ihre Standorte haben eine Höhendifferenz von 25 Metern, die sich durch eine Gravitationsrotverschiebung ausdrückt. Tatsächlich konnte das innerhalb der kombinierten Unsicherheit der Uhren von 5 × 10–17 bestätigt werden.
Die Partner sehen diese erfolgreiche Zusammenarbeit als einen wichtigen ersten Schritt in Richtung auf ein europäisches Netzwerk von glasfaserverbundenen optischen Uhren, an dem sich sukzessive weitere europäische Metrologieinstitute mit ihren optischen Uhren beteiligen könnten. Das dürfte ihnen eine führende Rolle auf dem Gebiet der Verbreitung von optischen Referenzfrequenzen einbringen. Langfristig könnte ein solches Netzwerk den verschiedensten Nutzern ultrastabile und hochgenaue optische Referenzsignale liefern, wie sie zurzeit nur in Metrologieinstituten verfügbar sind. Damit ist auch ein weiterer Schritt getan, um auf dem Weg zu einer Neudefinition der Sekunde optische Uhren an der Realisierung der weltweiten Zeitskala zu beteiligen.
PTB / DE