09.08.2016

Europäischer Gleichtakt

Glasfaserstrecke verbindet optische Atomuhren in Frankreich und Deutschland – europäisches Netzwerk geplant.

Optische Atomuhren haben in den letzten Jahren spektakuläre Fortschritte gemacht. Sie sind 100-mal genauer als die besten Cäsium-Atomuhren. Leider ist diese Genauigkeit bisher nur lokal nutzbar, denn die herkömmliche Übertragungs­technik per Satellit verursacht eine zu hohe Frequenz­unsicherheit. Ein neuer direkter „Draht“ zwischen Frankreich und Deutschland ändert dies jetzt: Über eine 1400 Kilometer lange Glasfaser­strecke zwischen Braunschweig und Paris lassen sich hochgenaue Frequenzen sozusagen auf die Reise schicken. In diesen Städten betreiben die Physikalisch-Technische Bundes­anstalt (PTB) und das Institut Systèmes de Référence Temps-Espace (LNE-SYRTE) die genauesten optischen Uhren Europas. Ebenfalls am Uhren­vergleich beteiligt ist das französische Laboratoire de Physique des Lasers (LPL). Ein erster Vergleich zwischen den optischen Strontium­uhren der Partner­institute lieferte den Beweis, dass die Verbindung tatsächlich mit der gewünschten Qualität funktioniert. Gleichzeitig stellt diese Messung den ersten Frequenzvergleich optischer Uhren über Länder­grenzen hinweg mit einer bisher unerreicht kleinen relativen Unsicherheit von 5 × 10–17 dar. Damit wird ein europäisches Netzwerk optischer Uhren denkbar. Dieses könnte in Zukunft ultragenaue optische Referenz­frequenzen beispielsweise für die Grundlagen­physik, die Astronomie und die Geo­wissenschaften zur Verfügung stellen.

Abb.: Die 1400 Kilometer lange metrologische Glasfaserverbindung zwischen der PTB in Braunschweig und dem LNE-SYRTE in Paris wird in Straßburg zusammengeführt. (Bild: PTB)

Der Vergleich von sehr genauen Uhren ermöglicht äußerst empfindliche Messungen, z. B. für die Suche nach möglichen zeitlichen Änderungen von Natur­konstanten. Der Gang einer Uhr lässt sich aber auch für die Messung des lokalen Gravitations­potenzials nutzen: Ein Vergleich zwischen zwei Uhren ergibt – über die gemessene Gravitationsrotverschiebung – die Höhen­differenz zwischen den Uhren, also Stützpunkte für die Referenz­fläche der Geodäten, das sogenannte Geoid der Erde. Dieser Forschungs­ansatz wird etwa im DFG-Sonder­forschungs­bereich 1128 („geo-Q“) von Physikern und Geodäten gemeinsam verfolgt.

Die genauesten Atomuhren basieren heutzutage auf optischen Übergängen. Diese optischen Uhren können eine stabile Frequenz mit einer relativen Unsicherheit von wenigen 10–18 liefern. Somit sind sie etwa 100-mal genauer als die besten Cäsium-Fontänenuhren, die zurzeit die SI-Einheit Sekunde realisieren. Doch Vergleiche, bei denen Frequenzen optischer Uhren per Satellit übertragen werden, stoßen bei einer Frequenz­unsicherheit von 10–16 an ihre Grenzen.

Vor diesem Hintergrund haben schon seit Jahren Wissenschaftler in der PTB und an zwei französischen Instituten in Paris (Systèmes de Référence Temps-Espace, LNE-SYRTE, und Laboratoire de Physique des Lasers, LPL) an einer Glasfaserverbindung zwischen dem deutschen und dem französischen nationalen Metrologie­institut, also der PTB und dem LNE-SYRTE, gearbeitet. Jetzt ist die 1400 Kilometer lange Strecke fertig. Sie beruht auf kommerziellen Glasfasern, bei denen Frequenz­verschiebungen um bis zu sechs Größen­ordnungen aktiv unterdrückt und Leistungs­verluste von 200 Dezibel mit speziellen Verstärkern ausgeglichen werden. So können sie optische Signale mit sehr hoher Stabilität durchleiten.

Der deutsche Teil der Strecke nutzt kommerziell angemietete Glasfasern und Einrichtungen des Deutschen Forschungs­netzes (DFN). Der französische Teil nutzt das Netz des Bildungs- und Forschungs­ministeriums RENATER, das von GIP RENATER betrieben wird. Etwa in der Mitte der Strecke, im IT-Zentrum der Universität Straßburg, treffen sich die Signale aus dem LNE-SYRTE und der PTB, so dass man die Uhren der beiden Institute dort miteinander vergleichen kann.

Dass die Strecke tatsächlich die hohen Erwartungen erfüllt, zeigte sich beim ersten Vergleich der beiden optischen Strontium-Gitter­uhren von PTB und LNE-SYRTE. Bereits nach einer Mittelungszeit von nur 2000 Sekunden lag die Frequenz­schwankung bei weniger als 2 × 10–17, und diese zeigt die hohe Stabilität der Uhren. Die Strecke selbst erlaubt schnelle Uhren­vergleiche mit einer Unsicherheit von weniger als 10–18. Da beide Uhren auf demselben atomaren Übergang basieren, sollten sie theoretisch exakt die gleiche Frequenz liefern. Doch ihre Standorte haben eine Höhen­differenz von 25 Metern, die sich durch eine Gravitations­rot­verschiebung ausdrückt. Tatsächlich konnte das innerhalb der kombinierten Unsicherheit der Uhren von 5 × 10–17 bestätigt werden.

Die Partner sehen diese erfolgreiche Zusammenarbeit als einen wichtigen ersten Schritt in Richtung auf ein europäisches Netzwerk von glasfaser­verbundenen optischen Uhren, an dem sich sukzessive weitere europäische Metrologie­institute mit ihren optischen Uhren beteiligen könnten. Das dürfte ihnen eine führende Rolle auf dem Gebiet der Verbreitung von optischen Referenz­frequenzen einbringen. Langfristig könnte ein solches Netzwerk den verschiedensten Nutzern ultra­stabile und hochgenaue optische Referenz­signale liefern, wie sie zurzeit nur in Metrologie­instituten verfügbar sind. Damit ist auch ein weiterer Schritt getan, um auf dem Weg zu einer Neudefinition der Sekunde optische Uhren an der Realisierung der weltweiten Zeitskala zu beteiligen.

PTB / DE

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