Expedition ins Eis
Rund 1100 Kilometer in 70 Tagen über Eis und Gletscher liegen vor dem Extremsportler und Chemiker Oliver Lechtenfeld und Herbert Seimetz
- 1100 Kilometer quer durch Grönland in 70 Tagen
Trier (dpa) - Rund 1100 Kilometer über Eis und Gletscher liegen vor ihnen. Nur etwa 70 Tage haben sie Zeit, mit ihren Schlitten bei Temperaturen von minus 10 bis minus 40 Grad quer durch Grönland zu ziehen. Den beiden rheinland-pfälzischen Extremsportlern Oliver Lechtenfeld (25) aus Pirmasens und Herbert Seimetz (52) aus Hermeskeil ist klar: «Das ist die größte Expedition unseres Lebens.»
Nicht nur, dass die am 1. April 2008 beginnende Tour besondere körperliche Herausforderungen mit sich bringt. Hinzu kommt, dass die beiden Arktis-Fans bei ihrem Abenteuer auf der größten Insel der Welt ganz auf sich allein gestellt sind. Sie haben keine technischen Hilfsmittel wie Motorschlitten oder Windsegel dabei. Und eine Versorgung von außen ist unterwegs auch nicht vorgesehen. «Wir haben vom Start weg alles für die Tage auf den Schlitten dabei», sagt der gelernte Chemotechniker Seimetz.
Das birgt Risiken für die beiden Botschafter des Internationalen Polarjahres 2007/2008: «Proviant und Brennstoff reichen für zehn Wochen», sagt Lechtenfeld, der am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven tätig ist. Wenn das Duo nicht durchschnittlich 15 Kilometer pro Tag mit den 150 Kilogramm schwer bepackten Zugschlitten vorankommt, könnte es also knapp werden. «Ein paar Tage ohne Nahrung halten wir es schon aus», sagen die Männer, deren Expedition wissenschaftlich vom Alfred-Wegener-Institut und der Universität Basel betreut wird.
Lechtenfeld und Seimetz wollen während ihrer Tour regelmäßig Daten über das Wetter sowie Eis- und Schneedichte per Satellitentelefon in die Heimat übermitteln. «Das geht aber nur an Tagen, an denen der Wind nicht zu stark ist», sagt Seimetz, der seit 30 Jahren als Bergsteiger aktiv ist. Bei Sturm sinke die gefühlte Temperatur rasch einige zehn Grad tiefer. «Und wenn wir dann stehen bleiben, ist schnell der Ofen aus.»
Anhand der ermittelten Daten soll ein Klimaprofil erstellt werden, das Aufschluss über den Witterungsverlauf des Winters gibt, sagt der Professor für Physische Geografie und Umweltwandel an der Universität Basel, Nikolaus Kuhn. Zudem werden die Männer Daten über das Inlandeis sammeln.
Nach Angaben der Männer ist die Streckenführung der Expedition, die die frühere «Station Eismitte» des 1930 in Grönland gestorbenen Polarforschers Alfred Wegener im Norden einschließt, einmalig. In den vergangenen fünf Jahren haben sich Lechtenfeld und Seimetz auf ihren «Arctic Move» hart vorbereitet, etwa mit Ultra-Bergmarathons in der Schweiz, Alpenläufen und Erkundungstouren über das arktische Inlandeis.
Auch die Ausrüstung stellt hohe Anforderungen. «Die große Herausforderung ist die Kälte.» Die Schuhe zum Beispiel werden deshalb Klettverschlüsse haben: «Wenn man sich bei minus 40 Grad die Handschuhe ausziehen muss, um die Schnürsenkel zu binden, erfrieren die Finger.» Auch andere Dinge müssen die Abenteurer verinnerlichen: Rechtzeitig daran denken zum Beispiel, wenn man auf Toilette muss. «Für jedes Mal müssen wir erst einen Loch als Windschutz graben», sagt Seimetz. «Wenn man zu lange wartet und dann ganz dringend muss, bereut man es nachher tagelang.»
Was die Männer an der schwierigen Tour reizt? Zum einen, als Selbstversorger in einer abgeschiedenen Region ganz allein unterwegs zu sein, sagt der Chemiker Lechtenfeld. Aber auch die eigenen Grenzen auszutesten und auszubauen, erklärt Seimetz. Er ist überzeugt: «Diese sind viel weiter entfernt als man immer glaubt.»
Von Birgit Reichert, dpa
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