03.08.2022

Extrem genauer Blick in lebende Zellen

Neue Methode erlaubt räumliche Auflösung von weniger als zehn Nanometer.

Forschende der Universität Würzburg entwickeln mit dem „Photoswitching Finger­abdruck“ eine einzig­artige Technologie, die erstmals die Untersuchung molekularer Vorgänge und der Regulation einzelner Proteine in lebenden Zellen mit einer räumlicher Auflösung von weniger als zehn Nanometer ermöglicht. Die Anwendung erstreckt sich von der biolo­gischen bis hin zur medizinischen Forschung.

Abb.: Die Photoschaltraten von Fluoreszenz­farbstoffen sind so einzigartig wie...
Abb.: Die Photoschaltraten von Fluoreszenz­farbstoffen sind so einzigartig wie ein Fingerabdruck und auslesbar wie ein Barcode. (Bild: Beliu, Rudolf-Virchow-Z.)

Die hochauflösende Fluoreszenz­mikroskopie erlaubt es, Fluoreszenz­bilder von Zellen, Organellen und Molekülkomplexen mit bisher unerreichter räumlicher Auflösung aufzunehmen. Diese Auflösung reicht jedoch nicht, um Proteine mit einer Größe von wenigen Nanometern und ihre Wechsel­wirkungen mit anderen Molekülen oder die Architektur von Proteinkomplexen aufzulösen. Es limitiert zum Beispiel die Erforschung des molekularen Zusammenspiels der Neuronen in Lern- und Gedächtnis­prozessen. Entwickelt von der Forschungsgruppe von Markus Sauer und Gerti Beliu, ermöglicht der neue Photoswitching Fingerabdruck die optische Darstellung von dynamischen Wechsel­wirkungen mit anderen Molekülen in der Zelle. „Bisher existiert keine Methode, die eine strukturelle optische Auflösung in Zellen im sub-10-Nanometer Bereich verlässlich erlaubt. Durch die Aufklärung dieser Barriere zugrunde­liegenden Ursache ist es uns erstmals gelungen, in Kombination mit neuen direkten Markierungs­methoden, eine zelluläre Auflösung von wenigen Nanometern zu realisieren. Dieser Fortschritt ermöglicht die Aufklärung molekulare Funktionen und der Architektur wichtiger Komponenten unserer Zellen“, sagt Sauer.

Einzelmolekül-Lokali­sations-Mikro­skopiemethoden wie dSTORM ermöglichen Auflösungen im Bereich von zehn bis zwanzig Nanometer. In Kombination mit strukturierten Beleuchtungs­verfahren konnten Lokalisations­genauigkeiten von bis zu einem Nanometer für Farbstoffe erreicht werden. Leider konnte diese hohe Lokalisations­präzision nicht in eine räumliche Auflösung von wenigen Nanometern in Zellen übersetzt werden. Das Problem: Die gängigen Markierungs­methoden, zum Beispiel Immun­färbungen mit einem Antikörper, verursachen einen Abstandsfehler von mehr als zehn Nanometer. Dadurch verhindert die Größe der Markierungs­moleküle eine Auflösung im Nanometer­bereich.

Die Ursache für die Auflösungs­barriere war bisher nicht bekannt. „Wir konnten nun erstmals zeigen, dass die Photo­schaltraten der Farbstoffe zwischen einem An- und Aus-Zustand bei Abständen unterhalb von zehn Nanometer aufgrund verschiedener Energie­transferprozesse zwischen Farbstoffen stark beeinflusst wird. Hierdurch kommt es während den ersten Sekunden eines Experiments gehäuft zu An-Zuständen und damit verbunden zum schnellen Photo­bleichen der Farbstoffe, was ihre indi­viduelle Lokalisation erschwert“, erklärt Sauer. „Die verringerte Lokalisations­wahrscheinlichkeit der Farbstoffe resultiert daher in einer schlechteren strukturellen Auflösung, als man aufgrund der individuellen Lokalisations­genauigkeit erwarten würde. Dies ähnelt einem Orchester, indem alle Instrumente zeitgleich am Anfang des Stücks ihre Beiträge spielen; es ist unmöglich die einzelnen Tonspuren herauszuhören.“ 

Der Photoswitching Finger­abdruck und die Fluoreszenz­abklingdauer enthalten aber auch Information über die Anzahl der vorhandenen Farbstoffe und, aufgrund der Abstands­abhängigkeit der Energietrans­ferprozesse, auch Information über deren Abstände, ohne dass man die einzelnen Farbstoffe optisch auflösen kann. Durch den Einbau unnatürlicher Aminosäuren in multimere Membran­rezeptoren durch Erweiterung des genetischen Codes mit anschließender bioortho­gonaler Click-Markierung mit kleinen Fluoreszenz-Farbstoffen konnten die Würzburger Forschungsgruppen nun im nächsten Schritt aufzeigen, wie die spezifische ortsgenaue Markierung von Proteinen in Zellen ohne Abstands­fehler mit Sub-10-Nanometer Abständen gelingt. „Durch die Analyse der Photoswitching Fingerprints der multimeren Rezeptoren in der Plasma­membran konnten wir so erstmals Abstände zwischen Rezeptor­untereinheiten im Bereich von fünf bis sieben Nanometer in Zellen abschätzen und die Anzahl der markierten Unter­einheiten bestimmen“, sagt Beliu.

Im nächsten Schritt will das Forschungsteam die Photoswitching Fingerprint Analyse optimieren und in Kombination mit der Einzelmolekül-Lokali­sations-Mikro­skopie mittels struk­turierter Beleuchtung und DNA-PAINT zum verläss­lichen Super-Resolution Imaging in Zellen mit sub-10-Nanometer Auflösung einsetzen. Dies soll neue Erkenntnisse in der molekularen Organisation zellulärer Strukturen, Organellen und Multiprotein­komplexe sowie der Struktur­aufklärung von Protein­komplexen mit optischen Methoden ermöglichen. 

Die neu entwickelte Methode bietet nicht nur einzig­artige Einblicke in molekulare Mechanismen der Infektions-, Lipid- und Krebs­forschung: Der Photoswitching Finger­abdruck hat auch das Potential, die Dynamik und Komplexität von Rezeptoren im Nervensystem, die an den Synapsen der Neurone für die Signal­weiterleitung wichtig sind, realistischer darzustellen. Dieses Zusammenspiel der Neuronen definiert unsere täglichen Lern- und Gedächtnis­prozesse. „Es ist daher funda­mental wichtig zu verstehen, wie sich dieses molekulare Orchester zusammensetzt und funktioniert“, sagt Beliu.

U. Würzburg / JOL

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