01.07.2020

Extrem seltener Zerfall

Bestätigung des selten vorkommenden kompetitiven Doppeltgammazerfalls.

Im Oktober 2015 veröffentlichte ein Team der Technischen Universität Darmstadt im Magazin „Nature“ die Entdeckung einer neuen Variante von Radio­aktivität. Es handelt sich um eine sehr selten auftretende Spielart der Gammastrahlung, bei der ein radioaktiver Quanten­zustand eines Atomkerns gleichzeitig zwei Gamma-Quanten –hoch­energetische Licht­teilchen mit Wellenlängen unterhalb des Röntgenbereichs – aussendet und so über einen Quantensprung in einen energetisch niedrigeren Zustand übergeht, obwohl dieser Quantensprung auch durch die Aussendung nur eines einzigen Gamma-Quants möglich gewesen wäre. Dieser „kompetitiver Doppelt-Gammazerfall“ wird mit dem Symbol „γγ/γ“ bezeichnet. Die Darmstädter Kernphysiker beobachteten im Nuklid Ba-137, dass dieser Prozess dort nur mit einer Wahrschein­lichkeit von etwa zwei zu einer Million auftritt.

Abb.: Kernphysik-Experiment an der mit Förder­geldern der EU einge­richteten...
Abb.: Kernphysik-Experiment an der mit Förder­geldern der EU einge­richteten Euro­päischen Extreme Light Infra­structure – Nuclear Physics ELI-NP. (Bild: ELI-NP)

Nun bestätigt eine internationale Forschungs­gruppe aus Rumänien, Japan, Italien und Deutschland die Existenz des γγ/γ Zerfalls. Die kern­physikalischen Messungen wurden an der Euro­päischen Extreme Light Infrastructure – Nuclear Physics (ELI-NP) am rumänischen National-Labora­torium IFIN-Horia Hulubei bei Bukarest mit einer über zwei Jahre eigens hierfür aufgebauten und betriebenen Messapparatur durchgeführt. Das Experiment wurde von dem an der europäischen Anlage beschäf­tigten schwedischen Wissenschaftler Pär-Anders Söderström geleitet, der sich zuvor im Institut für Kernphysik der TU Darmstadt als Post­doktorand in der Arbeitsgruppe von dem an der Entdeckung beteiligten Norbert Pietralla wissen­schaftlich weitergebildet hatte. Die neuen Messdaten bestätigen die Wahrschein­lichkeit, mit der diese Variante der Radio­aktivität auftritt, und bestimmen diese nun noch genauer.

Die genaueren Messdaten liefern neue Erkenntnisse über die Eigen­schaften und die wissen­schaftlichen Anwendungs­möglichkeiten der neuen Art von Radioaktivität. Durch eine im Vergleich zu den Darmstädter Daten präziseren Vermessung der Energie­verteilung auf die beiden Gamma-Quanten im Doppelt-Gammazerfall konnten neue Schluss­folgerungen über deren elektro­magnetischen Strahlungscharakter gezogen werden. Die neuen Daten zeigen, dass es sich beim γγ/γ Zerfall im Nuklid Ba-137 um eine Kombination von elektrischer Oktupol- und magnetischer Dipol­strahlung aus dem Atomkern handelt. Diese Beobachtung steht im Widerspruch zu einfachen Kernstruktur­modellen, mit denen die Darmstädter Entdeckungen zunächst verglichen worden waren und die eine Kombination von elektrischer und magnetischer Quadrupol­strahlung als Hauptursache des γγ/γ Zerfall im Nuklid Ba-137 verantwortlich machten. 

Eine in der Nuklear­theorie weltweit führende Wissenschaftler­gruppe aus Japan konnte nun die Dominanz von elek­trischer Oktupol- und magnetischer Dipolstrahlung am γγ/γ Zerfall im Nuklid Ba-137 durch aufwändige Berechnungen auf dem japanischen Super­computer K am Tokioter Forschungszentrum Riken auch nuklear­theoretisch erklären. Die Computer-Modelle zeigen, dass die γγ/γ-Zerfalls­prozesse sehr sensitiv auf die Interaktion von Protonen und Neutronen in einem Atomkern sind und sich daher als Präzisionstests für unser wissen­schaftliches Verständnis der Struktur von Atomkernen und der Kernkräfte besonders eignen.

TU Darmstadt / JOL

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