26.06.2017

Extreme nichtlineare Thomson-Streuung

Wie man aus 500 Infrarotphotonen ein Röntgenphoton macht.

Mit relativistischen Elektronen und extrem intensiver Laserstrahlung haben Forscher jetzt erstmals nichtlineare Vielphotonen-Thomson-Streuung von sehr hoher Ordnung erzeugt und beobachtet. Dabei entstanden einzelne Röntgen­photonen durch das Zusammen­wirken von jeweils mehr als 500 Infrarot­photonen. Der britische Physiker Joseph John Thomson hatte 1883 untersucht, wie mono­chromatische elektro­magnetische Wellen auf eine elektrisch geladene Kugel wirken. Demnach wird die Kugel von einer Welle zu Schwingungen mit der Wellen­frequenz angeregt, sodass sie ihrerseits elektro­magnetische Wellen derselben Frequenz abstrahlt. Dabei ist der Streu­querschnitt unabhängig von der Frequenz.

Abb.: Der Elektronenstrahl trifft auf den fokussierten Laserstrahl und es kommt zur nichtlinearen Thomson-Streuung. Dabei werden die Photonen vom Laserfokus anders gestreut (grüner Kegel) als von den weniger intensiven Randbereichen des Laserstrahls (blauer Kegel). (Bild: W. Yan et al.)

Diese nach Thomson benannte Streuung beschreibt, wie einzelne langwellige Photonen elastisch von Elektronen abgelenkt werden. Sie ist der Grenzfall der inelastischen Compton-Streuung für große Lichtwellenlängen. Die Thomson-Streuung von Photonen an Elektronen ist ein fundamentaler elektro­magnetischer Prozess, der z. B. in der Astrophysik eine wichtige Rolle spielt.

In sehr starken elektromagnetischen Feldern treten bei der Thomson-Streuung auch nichtlineare Effekte auf. Im klassischen Bild bewegen sich die Elektronen dann auf komplizierten Bahnen und erzeugen dabei höhere Harmonische der Grund­frequenz des Feldes. Im Photonenbild treten Prozesse auf, bei denen viele lang­wellige Photonen vernichtet werden und ein kurz­welliges entsteht. Solche Prozesse haben jetzt Donald Umstadter von der University of Nebraska-Lincoln und seine Kollegen beobachtet.

Bei ihren Experimenten verwendeten sie infrarote Hochleistungs-Laserpulse von 35 Femto­sekunden Dauer. Mit einem Strahlteiler zerlegten sie den Laserstrahl in zwei Teile. Den einen Teilstrahl richteten sie auf einen Helium­gasstrahl und erzeugten durch Laser-Kielfeld­beschleunigung einen hoch­energetischen Elektronenstrahl: Die Elektronen „surften“ auf den Lichtpulsen und erreichten dabei relativistische Energien von etwa 200 Mega­elektronen­volt.

Abb.: Die spektrale Verteilung der vom Compton-Spektrometer gemessenen Photonen, die von einem starken (a0=2) bzw. einem extrem starken (a0=12) Lichtfeld gestreut wurden. Die gestrichelten Linien bezeichnen die Vorhersagen der Theorie. (Bild: W. Yan et al.)

Den anderen Teilstrahl, dessen Pulsenergie zwischen 0,1 und 2,1 Joule variiert werden konnte, fokussierten die Forscher auf den zuvor erzeugten Elektronen­strahl, sodass die Elektronen einem extrem starken elektro­magnetischen Feld ausgesetzt waren. Durch die relativistische Bewegung der Elektronen wurden die Laser­photonen in einen kleinen Raumwinkel um die Strahlrichtung der Elektronen gestreut.

Während der Elektronenstrahl mit einem Magnetfeld abgelenkt und von einem Schirm aufgefangen wurde, trafen die gestreuten Photonen nach etwa zwei Metern auf eine Szintillator­anordnung, die die Intensitäts­verteilung des Strahls sichtbar machte. Alternativ dazu konnte der Photonen­strahl von einem Compton-Spektrometer aufgefangen werden, das die Energie­verteilung der Photonen bis zu maximal 20 Mega­elektronen­volt bestimmte.

Die Forscher führten ihr Thomson-Streuexperiment für ein starkes und ein extrem starkes Lichtfeld durch, beschrieben durch ein normiertes Vektor­potential a0=2 bzw. a0=12. Eine nichtlineare Streuung erwartet man für a0>1, wobei die Ordnung n der auftretenden nicht­linearen Prozesse wie a03 gehen sollte. Im Falle des extrem starken Feldes sollten demnach Photonen entstehen, die tausendmal höhere Energie haben als die Laserphotonen.

Tatsächlich konnten die Forscher Röntgenphotonen mit einer 500-mal größeren Energie beobachten, als sie die ursprünglichen IR-Photonen aufwiesen. Es sollten auch noch höhere Energien auftreten, die aber außerhalb des Mess­bereichs des benutzten Compton-Spektrometer lagen. Dennoch haben die Forscher die bisherige Messungen der nicht­linearen Thomson-Streuung um zwei Größen­ordnungen übertroffen.

Mit Hilfe der Szintillator­anordnung konnten sie die Richtungs­verteilung der gestreuten Photonen detailliert und für verschiedene Energien messen. Damit wurde erstmals ein Vergleich der Theorie für die stark nicht­lineare Thomson-Streuung mit experimentellen Resultaten möglich. Die Übereinstimmung war demnach gut.

Anhand der Charakteristiken des gestreuten Lichtes ließ sich direkt die Intensität des Laserlichts bestimmen. Daraus ergibt sich eine neue Messmethode für die Intensität von Hochleistungslasern. Auch für die Astrophysik und für die Plasma­diagnostik in der Fusions­forschung sind die gewonnen Resultate von Interesse. Zudem eröffnet die nicht­lineare Thomson-Streuung die Möglichkeit, ultrakurze Gamma­strahlen­pulse zu erzeugen, mit denen man ultra­schnelle Vorgänge in Atomkernen erforschen könnte.

Rainer Scharf

DE

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