Mit relativistischen Elektronen und extrem intensiver Laserstrahlung haben Forscher jetzt erstmals nichtlineare Vielphotonen-Thomson-Streuung von sehr hoher Ordnung erzeugt und beobachtet. Dabei entstanden einzelne Röntgenphotonen durch das Zusammenwirken von jeweils mehr als 500 Infrarotphotonen. Der britische Physiker Joseph John Thomson hatte 1883 untersucht, wie monochromatische elektromagnetische Wellen auf eine elektrisch geladene Kugel wirken. Demnach wird die Kugel von einer Welle zu Schwingungen mit der Wellenfrequenz angeregt, sodass sie ihrerseits elektromagnetische Wellen derselben Frequenz abstrahlt. Dabei ist der Streuquerschnitt unabhängig von der Frequenz.
Abb.: Der Elektronenstrahl trifft auf den fokussierten Laserstrahl und es kommt zur nichtlinearen Thomson-Streuung. Dabei werden die Photonen vom Laserfokus anders gestreut (grüner Kegel) als von den weniger intensiven Randbereichen des Laserstrahls (blauer Kegel). (Bild: W. Yan et al.)
Diese nach Thomson benannte Streuung beschreibt, wie einzelne langwellige Photonen elastisch von Elektronen abgelenkt werden. Sie ist der Grenzfall der inelastischen Compton-Streuung für große Lichtwellenlängen. Die Thomson-Streuung von Photonen an Elektronen ist ein fundamentaler elektromagnetischer Prozess, der z. B. in der Astrophysik eine wichtige Rolle spielt.
In sehr starken elektromagnetischen Feldern treten bei der Thomson-Streuung auch nichtlineare Effekte auf. Im klassischen Bild bewegen sich die Elektronen dann auf komplizierten Bahnen und erzeugen dabei höhere Harmonische der Grundfrequenz des Feldes. Im Photonenbild treten Prozesse auf, bei denen viele langwellige Photonen vernichtet werden und ein kurzwelliges entsteht. Solche Prozesse haben jetzt Donald Umstadter von der University of Nebraska-Lincoln und seine Kollegen beobachtet.
Bei ihren Experimenten verwendeten sie infrarote Hochleistungs-Laserpulse von 35 Femtosekunden Dauer. Mit einem Strahlteiler zerlegten sie den Laserstrahl in zwei Teile. Den einen Teilstrahl richteten sie auf einen Heliumgasstrahl und erzeugten durch Laser-Kielfeldbeschleunigung einen hochenergetischen Elektronenstrahl: Die Elektronen „surften“ auf den Lichtpulsen und erreichten dabei relativistische Energien von etwa 200 Megaelektronenvolt.
Abb.: Die spektrale Verteilung der vom Compton-Spektrometer gemessenen Photonen, die von einem starken (a0=2) bzw. einem extrem starken (a0=12) Lichtfeld gestreut wurden. Die gestrichelten Linien bezeichnen die Vorhersagen der Theorie. (Bild: W. Yan et al.)
Den anderen Teilstrahl, dessen Pulsenergie zwischen 0,1 und 2,1 Joule variiert werden konnte, fokussierten die Forscher auf den zuvor erzeugten Elektronenstrahl, sodass die Elektronen einem extrem starken elektromagnetischen Feld ausgesetzt waren. Durch die relativistische Bewegung der Elektronen wurden die Laserphotonen in einen kleinen Raumwinkel um die Strahlrichtung der Elektronen gestreut.
Während der Elektronenstrahl mit einem Magnetfeld abgelenkt und von einem Schirm aufgefangen wurde, trafen die gestreuten Photonen nach etwa zwei Metern auf eine Szintillatoranordnung, die die Intensitätsverteilung des Strahls sichtbar machte. Alternativ dazu konnte der Photonenstrahl von einem Compton-Spektrometer aufgefangen werden, das die Energieverteilung der Photonen bis zu maximal 20 Megaelektronenvolt bestimmte.
Die Forscher führten ihr Thomson-Streuexperiment für ein starkes und ein extrem starkes Lichtfeld durch, beschrieben durch ein normiertes Vektorpotential a0=2 bzw. a0=12. Eine nichtlineare Streuung erwartet man für a0>1, wobei die Ordnung n der auftretenden nichtlinearen Prozesse wie a03 gehen sollte. Im Falle des extrem starken Feldes sollten demnach Photonen entstehen, die tausendmal höhere Energie haben als die Laserphotonen.
Tatsächlich konnten die Forscher Röntgenphotonen mit einer 500-mal größeren Energie beobachten, als sie die ursprünglichen IR-Photonen aufwiesen. Es sollten auch noch höhere Energien auftreten, die aber außerhalb des Messbereichs des benutzten Compton-Spektrometer lagen. Dennoch haben die Forscher die bisherige Messungen der nichtlinearen Thomson-Streuung um zwei Größenordnungen übertroffen.
Mit Hilfe der Szintillatoranordnung konnten sie die Richtungsverteilung der gestreuten Photonen detailliert und für verschiedene Energien messen. Damit wurde erstmals ein Vergleich der Theorie für die stark nichtlineare Thomson-Streuung mit experimentellen Resultaten möglich. Die Übereinstimmung war demnach gut.
Anhand der Charakteristiken des gestreuten Lichtes ließ sich direkt die Intensität des Laserlichts bestimmen. Daraus ergibt sich eine neue Messmethode für die Intensität von Hochleistungslasern. Auch für die Astrophysik und für die Plasmadiagnostik in der Fusionsforschung sind die gewonnen Resultate von Interesse. Zudem eröffnet die nichtlineare Thomson-Streuung die Möglichkeit, ultrakurze Gammastrahlenpulse zu erzeugen, mit denen man ultraschnelle Vorgänge in Atomkernen erforschen könnte.
Rainer Scharf
DE