Extremer Frontalaufprall
Isotopenanalysen liefern neue Erkenntnisse über die Entstehung des Mondes.
Die Fachwelt ist sich weitgehend einig: Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren prallte ein planetenartiger Himmelskörper auf die Erde, die zu diesem Zeitpunkt bereits einen festen Gesteinsmantel hatte. Dabei wurden große Mengen von Staub und Gesteinsbrocken in die Erdumlaufbahn geschleudert, aus denen sich allmählich der Mond herausbildete. Bisher war in der Forschung die Annahme verbreitet, jener Himmelskörper – der nach einer Gestalt aus der griechischen Mythologie den Namen „Theia“ erhielt – sei von der Seite her in einem eher flachen Winkel auf der Erdoberfläche aufgeschlagen.
Abb.: Künstlerische Darstellung des Aufpralls von Theia auf der Erde. (Bild: NASA / JPL)
Dieses Szenario ist jedoch unplausibel, wie ein internationales Forscherteam jetzt herausgefunden hat. Die Ergebnisse des Teams sprechen vielmehr dafür, dass Theia mit extrem hoher Geschwindigkeit frontal auf die Erde zugestürzt ist, vermutlich mit rund zehn Kilometern pro Sekunde. Die enorme Wucht des Aufpralls setzte Energien frei, die einen großen Teil des Erdgesteins aufgeschmolzen haben. Dadurch ist Theia tief in die Erde eingedrungen und hat sich mit dem Gestein der Erde vermischt – mit dem Effekt, dass es sich bei dem in die Erdumlaufbahn herausgeschleuderten Material ebenfalls um eine solche Mischung handelte.
Die Wissenschaftler sind zu diesem Ergebnis gekommen, indem sie Gesteinsproben unterschiedlicher Herkunft miteinander verglichen haben: einerseits Gestein aus Hawaii und Arizona, das infolge vulkanischer Prozesse aus dem Erdmantel an die Erdoberfläche gelangt ist, andererseits Mondgestein, das die Astronauten der Apollo-Missionen 12, 15 und 17 mitgebracht hatten. Entscheidend war dabei die Analyse des Sauerstoffs, der rund neunzig Prozent des Volumens dieser Gesteinsbrocken ausmacht. Der Sauerstoff im Erdgestein enthält fast nur O-16-Isotope, nur in sehr geringen Mengen kommen auch die schwereren Isotope O-17 und O-18 vor. Die gleichen Mengenverhältnisse finden sich in allen Proben des Mondgesteins.
„Wir haben hinsichtlich der Sauerstoff-Isotope keine signifikanten Unterschiede zwischen dem irdischen Gestein und dem Mondgestein feststellen können“, erklärt David Rubie von der Uni Bayreuth, der die an der Gesteinsbildung beteiligten Sauerstoff-Isotope modelliert hat. Die gleichen Anteile von Sauerstoff-Isotopen im Gestein von Erde und Mond sind umso auffälliger, als sich Erde, Mars und andere Planeten des Sonnensystems in dieser Hinsicht signifikant unterscheiden. Auch Theia als extraterrestrischer Himmelskörper dürfte sich in diesem Punkt deutlich von der Ur-Erde unterschieden haben. „Die Ergebnisse unserer Gesteinsanalysen sprechen deshalb eindeutig dafür, dass die Erde in ihrer heutigen Gestalt und der Mond aus einer Materialmischung hervorgegangen sind, die ihren Ursprung in einer wechselseitigen Durchdringung von Theia und Ur-Erde hat“, sagt Rubie. „Die nach dem Aufprall in die Erdumlaufbahn geschleuderten Staub- und Gesteinsmengen, aus denen der Mond entstanden ist, enthielten einen ungefähr gleich hohen Anteil von Theia-Material wie die Materialmischung, die sich nach dem Aufprall zum heutigen Planeten Erde verfestigt hat.“
Dieser Befund spricht nach Ansicht des Forscherteams eindeutig für einen äußerst heftigen und zerstörerischen Frontalaufprall von Theia. Wäre dieser extraterrestrische Körper seitlich in einem relativ flachen Winkel aufgeschlagen, wäre das Material von Theia größtenteils in der Erdumlaufbahn gelandet. Das heutige Mondgestein würde dann sehr wahrscheinlich andere Anteile von Sauerstoff-Isotopen aufweisen als das Gestein der Erde.
U. Bayreuth / RK