18.09.2017

Exzitonen-Dynamik in Echtzeit

Mit Attosekundenpulsen lässt sich die Bewegung von Elektronen in Festkörpern festhalten.

Mit Hilfe ultra­kurzer Laser- und Röntgen­blitze haben Wissen­schaftler am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München Schnapp­schüsse der bislang kür­zesten Bewegung von Elektronen in Fest­körpern gemacht. Die Bewegung hielt 750 Atto­sekunden lang an, bevor sie abklang. Damit stellten die Wissen­schaftler einen neuen Rekord auf, ultra­kurze Prozesse innerhalb von Festkörpern aufzu­zeichnen.

Abb.: Attosekundenblitze von Licht- und Röntgenstrahlen machen Schnappschüsse von der schnellen Bewegung von Elektronen in Festkörpern. (Bild: MPQ, FG Attoelectronics)

Wenn Röntgen­strahlen auf Festkörper­materialien oder große Moleküle treffen, wird ein Elektron von seinem ange­stammten Platz in der Nähe des Atomkerns weg­geschubst, und zurück­bleibt ein Loch. Bereits seit langem wird vermutet, dass die frei gesetzten Elektronen mit dem positiv geladenen Loch ein neues Quasi­teilchen bilden, es handelt sich dabei um kernnahe Exzi­tonen. Doch bislang ließ sich deren Existenz nicht zweifels­frei beweisen. Es gibt eine Reihe von Werkzeugen, um gewöhnl­iche, von normalem Licht erzeugte Exzitonen in Fest­körpern zu beobachten. Diese werden auch bereits auf viel­fältige Weise in der Mikro- und Opto­elektronik genutzt. Im Gegensatz dazu sind kernnahe Exzi­tonen extrem kurzlebig, und bislang gab es keine Techniken, ihre Bewegung nachzu­verfolgen und daraus auf ihre Eigen­schaften zu schließen.

Ein Team um Elef­therios Gouliel­makis, dem Leiter der Forschungs­gruppe „Atto­electronics“ am Max-Planck-Institut für Quanten­optik, war jetzt in der Lage, die Dynamik von kernnahen Exzi­tonen in einem Festkörper in Echtzeit aufzu­zeichnen. Mit Hilfe von Röntgen­blitzen, die nur einige hundert Atto­sekunden lang dauerten, jeweils gefolgt von ähnlich kurzen optischen Licht­blitzen verfügten die Wissen­schaftler über eine Art Kamera, mit der sie erstmals Schnapp­schüsse der Bewegung von kernnahen Exzitonen in Silizium­dioxid aufnehmen konnten.

„Kernnahe Exzi­tonen leben nur eine sehr kurze Zeit, weil ihre Bewegung durch die Wechsel­wirkung mit anderen Teilchen im Festkörper schnell gestoppt wird“, erklärt Antoine Moulet. „In der Sprache der Quanten­mechanik würden wir sagen, dass das Exziton seine Kohärenz verliert“, fügt er hinzu. Das Schlüssel­werkzeug, die Dynamik von kernnahen Exzitonen zu beobachten, sind die in der Forschungs­gruppe Atto­electronics entwickelten Atto­sekunden-Licht­pulse im optischen Bereich. „Die Röntgen­blitze in unserem Experiment dienen dem Zweck, Exzitonen im Fest­körper anzuregen. Die optischen Attosekunden­pulse ermög­lichen es uns dagegen, deren Bewegung in Echtzeit aufzu­lösen“, erläutert Julien Bertrand, ein ehemaliger Wissen­schaftler in der Gruppe von Gouliel­makis, der jetzt eine Assistenz­professur an der Univer­sité Laval im kana­dischen Quebec innehat. „Die Kombination der beiden verschieden­artigen Pulse erlaubt es uns, Moment­aufnahmen der Bewegung von kernnahen Exzitonen aufzu­zeichnen, die nur ungefähr 750 Atto­sekunden lang leben.“

Aber die Unter­suchungen beschränkten sich nicht darauf, die schnellen Bewegungen der Elektronen innerhalb des Fest­körpers einzufangen. „Wir konnten darüber hinaus Information über die Eigen­schaften der Exzitonen gewinnen, wie etwa ihre winzige Aus­dehnung, die kaum größer als die eines einzigen Atoms ist, oder z.B., inwieweit sie von sichtbaren Licht polari­siert werden“, führt Gouliel­makis aus. „Unsere Technik bedeutet einen Fort­schritt für die Exzitonik. Gleich­zeitig ist sie auch ein viel­seitiges Werkzeug, ultra­schnelle Prozesse in Fest­körpern, die durch Röntgen­strahlen ausgelöst werden, auf ihren natür­lichen Zeit­skalen zu untersuchen. Diese Möglich­keit hat es bisher in den Röntgen­wissenschaften noch nicht gegeben.“

Jetzt denkt das Team über mög­liche Anwen­dungen der Technik für die Beobachtung ultra­schneller Prozesse an Grenz­flächen von Festkörpern nach, sowie über neue Wege, ultra­schnelle Schalter für Röntgen­strahlung auf der Basis von optischen Licht­feldern zu rea­lisieren. „Angesichts der Tatsache, dass weltweit immer mehr Freie-Elektronen-Laser für Röntgen­strahlung gebaut werden, wird es immer wichtiger, Röntgen­strahlung mit sichtbarem Licht zu steuern“, betont Gouliel­makis.

MPQ / JOL

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