09.04.2018

Falten glätten mit Infrarotstrahlung

Smartes Material absorbiert Strahlung und verändert dadurch seine Ober­flächen­struktur.

Intelligente Werkstoffe sollen ohne Regelung von außen auf ver­än­derte Umwelt­bedin­gungen reagieren. Forscher der Uni­ver­sität Schanghai haben jetzt ein neu­artiges Material ent­wickelt, das auf Infra­rot­strahlung reagiert, indem es seine Ober­flächen­struktur ver­ändert. So lassen sich nicht nur optischen Eigen­schaften wie der Trans­missions­grad ein­stellen, was letzt­end­lich zu smarten Displays oder dyna­mischen Beugungs­gittern führen könnte. Auch Anwen­dungen in der Elek­tronik in Form licht­empfind­licher Wider­stände scheinen möglich.

Abb.: Schematische Darstellung der rever­si­blen Ver­ände­rung der Ober­flächen­struktur durch Infra­rot­be­strah­lung (oben). Atom­kraft­mikro­skopie­auf­nahme der Ober­fläche mit und ohne Falten (unten; Bild: F. Li et al. / AAAS)

Als Ausgangsmaterial diente den Forschern ein transparentes Elastomer, das sie mit einer geringen Menge ein­wandiger Kohlen­stoff­nano­röhr­chen ver­setzten, die auf­tref­fende Infra­rot­strah­lung effektiv absor­bieren und in Wärme um­wandeln. Während das reine Elastomer durch Bestrah­lung kaum erhitzt werden kann, führte die Bei­mengung der Röhr­chen dazu, dass sich das Material nach drei­minü­tiger Bestrah­lung bei einer Wellen­länge von 808 Nano­metern und einer Inten­sität von 1,5 Watt pro Quandrat­zenti­meter von Raum­tempe­ratur auf über hundert Grad Celsius erhitzt und sich ent­spre­chend aus­dehnt.

Auf ein solches Substrat brachten die Forscher mittels Spin­coating eine dünne Schicht eines anderen Polymers auf, das sowohl steifer war, als auch einen anderen ther­mischen Aus­deh­nungs­koeffi­zienten hatte. So entstand an der Ober­fläche eine Struktur aus einigen Mikro­meter breiten und etwa einen halben Mikro­meter hohen Falten, die sich durch Bestrah­lung wieder glätten ließen: Erwärmte sich das Substrat aufgrund der Strah­lung, dehnte es sich aus und spannte die obere Schicht zu einer glatten Fläche. Wurde die Strah­lung aus­ge­schaltet, kühlte das Material ab und die Falten kamen wieder zum Vor­schein. Dieser Prozess konnte über tausend­mal wieder­holt werden, ohne die charak­teris­tische Morpho­logie der Falten zu zer­stören.

Als Beschichtung kamen dabei unterschiedliche Polymere zum Ein­satz. So ließ eine 122 Nano­meter dicke Schicht eines Copoly­mers Falten ent­stehen, die schon nach zwanzig­sekün­diger Bestrah­lung und einer Aus­deh­nung des Substrats um 0,6 Prozent wieder ver­schwanden. Auf­grund der geringen Wärme­leit­fähig­keit des Materials dauerte die Wieder­her­stel­lung der Falten­struktur nach Ab­schalten der Strah­lungs­quelle dagegen etwa dreißig Sekunden.

Um hierarchisch strukturierte Oberflächen zu generieren, die Bereiche mit rever­siblen Falten auf­wiesen und daneben solche, die immer glatt blieben, nutzten die Forscher für die Beschich­tung PAN, ein Copolymer, dessen Elasti­zitäts­modul sie mittels ultra­vio­letter Strah­lung beein­flussen konnten. PAN bildet unter Bestrah­lung mit einer Wellen­länge von 365 Nano­metern Cross­links und wird dadurch steif, während Strah­lung mit 254 Nano­metern den Effekt rück­gängig macht und das Material wieder weich werden lässt.

Zunächst wurde eine 180 Nanometer dicke Schicht PAN auf das Substrat auf­ge­bracht und an­schlie­ßend bei einer Tempe­ratur von achtzig Grad Celsius für vierzig Minuten mit 365 Nano­meter-UV-Licht bestrahlt. Für die Bestrah­lung kam eine Maske zum Ein­satz, sodass nur bestimmte Bereiche der Beschich­tung aus­härteten, während der Rest der Ober­fläche unbe­strahlt und damit weich blieb. Nach dem Abkühlen warfen nur die aus­ge­här­teten Bereiche Falten, die sich durch an­schlie­ßende Bestrah­lung mit Infra­rot­licht inner­halb von 15 Sekunden auch wieder glätten ließen. Auch dieser Vorgang war rever­sibel und das durch die UV-Maske gene­rierte Muster – paral­lele Streifen oder konzen­trische Kreise – konnte wieder­holt sicht­bar und wieder unsicht­bar gemacht werden. Bestrah­lung mit 254-Nano­meter-UV-Licht brach die Ver­net­zungen im PAN wieder auf, was zu einer end­gül­tigen Glät­tung der gesamten Ober­fläche führte.

In ihrer Studie präsentieren die Forscher auch einige Beispiele für mög­liche Anwen­dung ihrer smarten Ober­flächen. So zeigen sie zum Beispiel, dass eine gleich­mäßig mit Falten durch­setzte Ober­fläche als Trans­missions­beugungs­gitter ver­wendet werden kann, das bei Bestrah­lung mit grünem Laser­licht ein­deutige Beugungs­muster in Form konzen­trischer Kreise auf einem Schirm erzeugte. Den Wissen­schaftlern zufolge handelt es sich dabei um die erste bekannte Reali­sie­rung eines mit Infra­rot­licht gesteu­erten Beugungs­gitters. Da auch der Trans­missions­grad des Materials leicht vom Zustand der Ober­fläche abhängt, könnte es darüber hinaus auch als schalt­bares optisches Fenster einge­setzt werden.

Indem sie die Oberfläche mit PAN beschichteten und durch ver­schie­dene Masken in Form von Buch­staben mit UV-Licht bestrahlten, konnten die Forscher ein ein­faches, smartes Display erzeugen, das abhängig von der Infra­rot­be­strah­lung die Buch­staben zeigte oder nicht. Und auch mögliche Anwen­dungen in der Elek­tronik stellen die Wissen­schaftler in Aus­sicht. Dazu beschich­teten sie die rever­siblen Falten noch zusätz­lich mit Gold, um sie elek­trisch leit­fähig zu machen. Darauf­hin brachten sie die Ober­fläche in Kontakt mit einer flachen Elek­trode, wobei die Größe der effek­tiven Kontakt­fläche vom Zustand der Ober­fläche abhing: Im rauen Zustand berührten nur die Spitzen der Falten die Elek­trode, während die geglät­tete Ober­fläche konform auflag. So konnte der elek­trische Wider­stand durch Bestrah­lung mit Infra­rot­licht um 15 Prozent redu­ziert werden. Auch dieser Vorgang war rever­sibel und über­stand mehr als hundert Wieder­holungen.

Thomas Brandstetter

RK

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