21.02.2014

Fels- und Steinbruch

Neues Modell erklärt, wie winzige Risse unter Belastung kaskadenartig zu katastrophalem Versagen führen.

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht – sagt der Volksmund. Ein Physiker könnte ergänzen: Bei jedem Material häufen sich bei wiederholter Belastung die strukturellen Schäden, wenn es an die Grenze seiner mechanischen Belastbarkeit gerät. Aber obwohl Rissbildung in porösen Gesteinen zu enormen Folgen führen kann – etwa bei Felsstürzen, dem Abriss von Klippen oder im Erdinnern bei Erdbeben –, existieren hierzu bislang nur wenige aussagekräftige Modelle. Einem Team von Forschern um Ferenc Kun von der Universität Debrecen in Ungarn ist es nun gelungen, ein numerisches Modell zu entwickeln, das sich gut mit experimentellen Befunden deckt.

Abb.: Das Modell simuliert poröse Sedimentgesteine (wie Sandstein) unter Belastung. Rot sind die fest verbundenen Gesteinspartikel markiert. Die gelb eingezeichneten sind durch winzige Risse gelockert; an ihnen entlang würde sich der Hauptriss ausbilden. (Bild: Ferenc Kun et al.)

Viele der gängigen Simulationen bedienen sich einfacher Modelle, bei denen die simulierten Kügelchen durch Federn oder ein Netzwerk starrer Stäbe verbunden sind. Damit können sie aber nicht das komplexe Verhalten echten Gesteins nachbilden, das aus kleinen mineralischen Körnchen variabler Größe besteht, die unterschiedlich stark zusammenhalten. Außerdem basieren viele dieser Modelle auf zweidimensionalen Strukturen. Die Forscher um Ferenc Kun ersannen deshalb ein Verfahren, das die natürliche Entstehung von Sedimentgesteinen nachahmt.

Ihr virtuelles Gestein bauten die Wissenschaftler im Rechner so nach, dass sie rund 20.000 mikroskopische Kügelchen von variierender Größe in einen Zylinder rieseln ließen, wobei sich diese Gesteinsteilchen schichtenweise absetzten und dabei miteinander fest verbanden. Diesen Anhaftprozess simulierten die Forscher durch ein Netzwerk von Verbindungsstreben, das der miteinander verkitteten Matrix von Mineralien in echtem Gestein entsprechen sollte. „Unser Modell ist dreidimensional und beruht außerdem direkt auf der Mikrostruktur in realem Sandstein“, sagt Kun. Um keine zu extremen und unrealistischen Verhältnisse zu simulieren, ließen die Forscher die Größe der Kügelchen maximal um einen Faktor zwanzig variieren, wobei die mittlere Größe fünffach über dem Minimaldurchmesser lag. Die Gesamtporosität betrug 56 Prozent.

Ihr virtuelles Material setzten die Forscher dann mechanischem Stress aus, um nicht nur dessen Belastbarkeit, sondern auch diejenige ihrer Modelle zu prüfen. Zum Vergleich mit echtem Gestein zogen sie akustische Signale heran, die auf die Bildung mikroskopischer Risse unter Belastung hindeuten. Denn nicht nur Änderungen in mechanischen Eigenschaften wie Spannung oder Dehnung gehen einem Materialversagen voraus. Meist deuten veränderte Wellengeschwindigkeiten oder elektrische Leitfähigkeit oder auch Geräuschemissionen schon lange vor größeren strukturellen Schäden auf eine Überanspruchung im Gestein hin. Ohne gute Modellierung des Gesteins sind diese Ergebnisse jedoch nur schwer zu interpretieren.

So lassen sich akustische Signale, die durch Mikrobrüche verursacht werden, zwar im Labor nachweisen. Über sie können Forscher den räumlichen und zeitlichen Ursprung der Risse, ihre Orientierung und Größe bestimmen. Doch typischerweise führt nur ein kleiner Teil dieser Mikrorisse zu nachweisbaren Geräuschemissionen. Dies zeigen Untersuchungen an in feine Scheibchen geschnittenen Steinbrocken nach Belastungstests.

Ihr virtuelles Gestein setzten die Forscher dann unter Druck, indem sie die oberen Lagen sich langsam nach unten bewegen ließen. Während dieser Kompression zeigten sich kaskadenartig fortpflanzende Bruchstellen. Bis zu dem Punkt, an dem der gesamte Zylinder endgültig auseinander brach, traten schon über 2000 kurze Risse in unregelmäßigen Abständen auf – jeweils unterbrochen von einer kurzen Periode, in der keine Verbindungsstellen rissen.

Um die Realitätsnähe ihrer Simulationen zu testen, verglichen die Forscher diese dann mit den Geräuschemissionen echter Mikrobrüche. Auch dort traten kurze, unterbrochene Folgen von Rissen auf. In ihrer Analyse stellten die Forscher fest, dass die Stärke der Signale einem Potenzgesetz gehorcht. Hierin stimmten Experiment und Simulation gut überein. Sowohl die Durchschnittswerte der Exponenten passten zusammen als auch die Weise, wie sie bei zunehmender Belastung bis hin zum Materialversagen abnahmen.

Das simulierte Netzwerk interner kraftübertragender Verstrebungen entsprach damit gut dem Verhalten in der Realität, das sich nur aufwändig beobachten lässt. Damit könnten solche Simulationen in Zukunft Einblick in mögliche Defekte und strukturelle Schäden von porösen granularen Medien liefern, die experimentell nur schwer zugänglich sind.

Dirk Eidemüller

PH

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