26.11.2013

Ferroelektrischer Flüssigkristall – überwiegend aus Wasser

In bestimmten Flüssigkristallen kann es makroskopisch zu einer spontanen elektrischen Polarisation kommen.

Joseph Valasek entdeckte dir Ferroelektrizität zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sie war lange Zeit nur in festen Kristallen bekannt. Bislang galt es als äußerst unwahrscheinlich, dass solch spontane elektrische Polarisation auch in lyotropen Flüssigkristallen auftreten kann, da diese zu einem großen Anteil aus kleinen, ungeordneten Lösungsmittelmolekülen bestehen.

Abb.: Je nach Neigungsrichtung der Moleküle in den Schichten (links bzw. rechts oben) ändert sich das Vorzeichen der spontanen Polarisation. Durch Anlegen eines elektrischen Feldes kann zwischen diesen zwei Richtungen hin und her geschalten werden, wodurch sich die Textur im Polarisationsmikroskop ändert (links bzw. rechts unten; Bild: U. Stuttgart)

Diese Frage weckte schon vor einigen Jahren den wissenschaftlichen Ehrgeiz der Forschungsgruppe von Frank Gießelmann am Institut für Physikalische Chemie der Universität Stuttgart. Nach einigen Fehlschlägen und den daraus gewonnenen Erfahrungen gelang es dem Team jetzt, ein neues organisches „Zwittermolekül“ maßzuschneidern, das eine wasserlösliche chirale Kopfgruppe und einen wasserunlöslichen, starren Rest vereint. Johanna Bruckner experimentierte mit verschiedenen Lösungsmitteln, Konzentrationen und Temperaturbereichen und fand schließlich die passenden Bedingungen, unter denen der lyotrope Flüssigkristall mit einem Wasseranteil von bis zu sechzig Prozent tatsächlich eine spontane elektrische Polarisation und damit ferroelektrische Eigenschaften zeigt. Dies konnte Bruckner mit elektrooptischen Messungen im Polarisationsmikroskop nachweisen.

Voraussetzung für diesen Effekt ist aber, dass die Neigungsrichtung in allen Molekülschichten gleich ist. Die spannende Frage, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun umtreibt ist: Woher „wissen“ die Molekülschichten, wie ihre Nachbarschichten ausgerichtet sind, obwohl sie durch die vergleichsweise ungeordneten Wassermoleküle voneinander getrennt sind und somit eigentlich keine Verbindung zwischen ihnen besteht. Wie können sie trotzdem miteinander „kommunizieren“?

Gießelmann erklärt: „Jetzt möchten wir natürlich gerne klären, wie dieses Phänomen möglich ist. Es handelt sich hier zunächst um reine Grundlagenforschung, doch auch zukünftige Anwendungen wären denkbar.“ Möglich wären Anwendungen in der Sensorik chiraler Moleküle, wie man sie z. B. häufig in pharmazeutischen Wirkstoffen findet. Sind sie in den Wasserschichten des neuen Flüssigkristalls gelöst, induzieren sie – je nach Reinheit und Konzentration der Moleküle – messbare Änderungen seiner spontanen elektrischen Polarisation.

U. Stuttgart / OD

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