03.05.2021

Ferromagnetische Momente zeigen Nutation

Ultraschnelle Spindynamik in ferromagnetischen Dünnschichtsystemen beobachtet.

Für moderne Speicher- und Daten­verarbeitungs-Technologien auf ferromagnetischer Basis ist es essentiell, die Dynamik magnetischer Phänomene im Terahertz-Bereich zu verstehen. Das betrifft zum Beispiel Anwendungen in MRAMs (Magnetic Random Access Memories) oder die klassischen und nach wie vor relevanten Festplatten in Datenzentren. Diese arbeiten bisher bei der Daten­übertragung im Gigahertz-Bereich. Die nun vorliegenden Ergebnisse aus der Grundlagen­forschung eines internationalen Forschungsteams unter Beteiligung des Lehrstuhls Magnetische Funktions­materialen von Olav Hellwig an der Technischen Universität Chemnitz eröffnen mögliche Anwendungen zu noch schnelleren und leistungs­effizienteren Datentransfers im Terahertz-Bereich.

 

Abb.: Darstellung der Präzession eines magnetischen Moments ohne (li.) und mit...
Abb.: Darstellung der Präzession eines magnetischen Moments ohne (li.) und mit Nutation (Bild: O. Hellwig)

Kern der Beobachtung des Teams waren Dünnschicht­systeme. Alle moderne Speicher- und Datenverarbeitungs-Technologien basieren auf Dünnschicht­systemen. Damit werden in der Regel Schichten von einer Atomlage bis in den Mikrometer-Bereich bezeichnet. Forscher verwenden hier Schichten, die typischerweise im Dickenbereich von einem bis fünfzig Nanometer liegen. Was in diesen ferromagnetischen Schichten auf solch kurzer Zeitskala passiert, war bisher aufgrund mangelnder Experimentier­techniken und entsprechender Daten nicht klar. Dem Forschungsteam ist es nun erstmals gelungen, eine ultraschnelle Nutation in ferromagnetischen Dünnschicht­systemen zu beobachten.

Zu dem Team gehörten Physiker der TU Chemnitz, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Duisburg-Essen, des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt, der Technischen Universität Berlin, der École Polytechnique (Frankreich), der Universität Federico II von Neapel, der Universität Parthenope von Neapel, der Universität Ca’ Foscari von Venedig und der Universität von Stockholm. Die Federführung lag bei den Wissenschaftlern und Experten für Ultrakurzzeit-Experimente Kumar Neeraj und Stefano Bonetti aus Italien.

Für die Untersuchungen wurde die TELBE-Anlage am HZDR genutzt, die Hellwig und sein Team aus Chemnitz und Dresden unterstützten. Die TELBE-Anlage ist Teil des Elektronenbeschleunigers ELBE und erlaubt auf einzigartige Weise die Erzeugung von phasen­stabilen Hochfeld-Terahertz-Pulsen mit extrem flexiblen Parametern wie Wiederholungsrate, Pulsform und Polarisation. Die für die Experimente nötigen Proben wurden am Lehrstuhl Magnetische Funktions­materialien der TU Chemnitz hergestellt. Zum Einsatz kam dabei die Magnetron-Sputter-Depositions­technik.

„Meine Gruppe hat die Proben für diese Messungen hergestellt und sie entsprechend für diese Messungen zusammen mit unseren Kollaborations­partnern optimiert“, erklärt Olav Hellwig. Das betreffe die Optimierung der Schichtabfolge, Schichtdicke und lateralen Mikrostruktur sowie die magneto-dynamischen Eigenschaften, wie zum Beispiel die magnetische Dämpfung. „Dieser Vorgang gehört zur speziellen Expertise meiner Arbeitsgruppe Magnetische Funktions­materialien in Chemnitz und Dresden“, sagt Hellwig.

Als Methode kam Pump-Probe-Technik zum Zuge. Dafür bestrahlten die Forscher die Dünnschichtproben mit ultrakurz gepulster Strahlung im Terahertz-Wellenlängenbereich. Diese wurden wiederum mit einem ultrakurzen, variabel zeitverzögerten 800-Nanometer-Femtosekunden-Laserpuls detektiert. So prüfte das Team, wie die magnetischen Momente in der Probe auf den Terahertz­puls reagieren.

„Mit diesen superkurzen Terahertz-Pulsen kann man magnetische Systeme gezielt auf ultrakurzer Zeitskala beeinflussen und dann hoffentlich bald auch kontrollieren. Dabei haben wir in dieser Publikation neben der schon bekannten Präzessions­bewegung zusätzlich zum ersten Mal eine Nutations­bewegung der ferromagnetischen Momente beobachtet, die auf einer noch schnelleren Zeitskala stattfindet“, fasst Hellwig zusammen.

TU Chemnitz / DE

 

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