13.08.2018

Festes Kohlendioxid im Erdmantel

Experiment stellt die gängigen Modelle zur Bildung von Diamanten infrage.

Ein inter­nationales Forschungs­team aus Wien und Florenz hat durch Messungen an der Euro­päischen Synchrotron­strahlquelle ESRF in Grenoble heraus­gefunden, dass freies CO2 2.500 Kilometer unter der Erdober­fläche in Form eines kristal­linen Festkörpers bestehen kann und nicht zwingend zu Diamant und Sauerstoff zerfällt. Diese uner­wartete Stabi­lität stellt die gängigen geo­chemischen Modelle des tiefen Erdmantels in Frage.

Abb.: Mikroskopaufnahme durch einen der beiden Stempeldiamanten auf das auf 27 GigaPascal komprimierte feste Kohlendioxid. (Bild: M. Ende)

Nur ein Bruchteil des klima­relevanten Treibhaus­gases CO2 ist in der Atmo­sphäre unserer Erde freigesetzt. Der Hauptteil von Kohlen­dioxid ist in fester Form in Karbonat­gesteinen gebunden, gelangt durch Platten­tektonik in die Tiefe unseres Planeten oder wird durch vulka­nische Erup­tionen aus Gesteins­schmelzen wieder freigesetzt. Mit über 99,9 Prozent Anteil am Gesamt­kohlenstoff stellt die Litho­sphäre bis in den tiefen Erdmantel den größten Kohlenstoff­speicher dar. Als Bestandteil lang­fristiger Kreisläufe sind jedoch die eigent­lichen Reservoirs und der Austausch zwischen diesen mit zuneh­mender Tiefe nur bedingt bekannt.

Das Forschungs­team aus Kristallo­graphen um Ronald Miletich von der Univer­sität Wien und Kollegen vom Euro­päischen Labor für Nicht­lineare Spektro­skopie (LENS) in Florenz lieferte nun neue Erkennt­nisse zum Festkörper­verhalten von Kohlen­dioxid bei hohem Druck und Temperatur. Ihre Ergebnisse stellen einer­seits eines der bis­herigen Modelle der Entstehung von Diamanten und anderer­seits auch geo­chemische Modelle eines oxidierten Erdmantels in Frage. In Experi­menten kompri­mierten die Forscher CO2 in einer Diamant­stempelzelle auf einen Druck von 1,2 Millionen bar. Dies entspricht einer Tiefe von etwa 2.500 Kilometern im unteren Erdmantel. Mit Hilfe eines fokus­sierten Infrarot-Lasers erhitzten sie das zu einem glas­artigen Festkörper verdichtete CO2 auf eine Temperatur von etwa 2.700 Kelvin, etwa auf jene Temperatur, die im Erd­inneren in diesen Tiefen vorherrscht.

Bei einem experi­mentellen Aufbau an der Euro­päischen Synchrotron­strahlquelle ESRF in Grenoble zeigte sich, dass CO2 sich bei diesen Tempera­turen nicht zwingend, wie bisher angenommen, in Diamant und Sauerstoff zersetzt. „Unser Forschungs­team vor Ort konnte es anfangs nicht recht glauben, dass in den gemes­senen Röntgen-Beugungs­bildern die Peaks von kristallinem CO2-V auftauchten, also von jener Hochdruckmodifikation von festem CO2, die unter derartigen Bedin­gungen längst zu Diamant und Sauerstoff umgewandelt hätte sein müssen", erklärt Ronald Miletich. Wenn CO2 tatsächlich instabil wäre, hätte diese beobach­tete Rekristal­lisation einer mit dem Silikat­mineral Cristo­balit identischen Struktur keinesfalls erfolgen können.

„Nun haben wir erstmals einen experi­mentellen Nachweis, dass freies CO2 tatsächlich in der Natur in diesen Tiefen exis­tieren könnte. Auch konnten wir nach­weisen, dass die bislang geglaubte Zersetzung nur ein experi­mentelles Artefakt ist, da extrem heißes CO2 mit einer der Komponenten der Diamant­stempelzelle reagieren kann", so Miletich. Der Befund stellt nun die gängigen Modelle der Bildung von Diamanten durch einfache Zersetzung von instabilen Kohlen­dioxid in Frage. Darüber hinaus wirft es die Frage auf, ob vielleicht weitere bislang nicht in Erwägung gezogene Reaktionen des CO2 zu ganz neuen CO2-haltigen Hochdruck­phasen möglich sind und so diese etwa freies CO2 als neuartige Kohlenstoff-Reser­voirs im untersten Erdmantel eine zentrale Rolle einnehmen können. Auch geo­chemische Modelle des oxi­dierten Erdmantels müssen neu hinter­fragt werden.

U. Wien / JOL

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