19.11.2013

Feuer frei!

Fusionsforscher kontrollieren Plasma mit Radiowellen für dreißig Sekunden.

Die Kernfusion stellt die Prozesse im Inneren der Sonne nach und gilt als sichere, umweltfreundliche und praktisch unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft. Eine der Kernfragen zur Erschließung dieser Technologie ist es, die instabile und nur schwer zu steuernde Fusionsreaktion über längere Zeit aufrechtzuerhalten.

Abb.: Blick in den chinesischen Tokamak-Fusionsreaktor EAST. (Bild: Institute of Plasma Physics / Chin. Acad. o. Sci.)


Ein internationales Team um den Fusionsforscher Yunfeng Liang vom Forschungszentrum Jülich berichtet nun über eine neue Methode, die unkontrollierten Plasmaentladungen weiter einzudämmen. Mithilfe von Radiowellen konnten sie im chinesischen Fusionsexperiment EAST ein energiereiches Plasma über eine Rekorddauer von 30 Sekunden erhalten.

Wenn es gelingt, die Verschmelzung von Atomkernen für die Energiegewinnung zu nutzen, so könnte dies eine Lösung sein auf viele offene Fragen zur Energieversorgung der Zukunft. Als nächster großer Schritt der Fusionsforschung gilt der Fusionsreaktor ITER, wie viele Fusionsexperimente ein Tokamak. Bis 2020 soll er in weltweiter Zusammenarbeit im südfranzösischen Cadarache in Betrieb gehen. Wissenschaftler wollen mit ITER erstmals im Kraftwerksmaßstab die Energieerzeugung durch Kernfusion demonstrieren. Doch die Kontrolle der Fusionsreaktion ist eine extreme technische Herausforderung.

Kein Material der Welt ist in der Lage, dem über 100 Millionen Grad heißen Plasma standzuhalten. Das Plasma muss deshalb in der Donut-förmigen Brennkammer durch ringförmige Magnetfelder eingeschlossen werden. Doch dieser „magnetische Käfig“ allein reicht nicht aus, um den Wandkontakt über längere Zeit zu verhindern. Auch im magnetisch eingeschlossenen Plasma kann eine Vielzahl unterschiedlicher Instabilitäten auftreten. Es bilden sich verschiedene Wellen und Moden aus, dazu kommt der hohe Druck des eingeschnürten hochenergetischen Plasmastroms.

In weltweiten Kooperationen an den großen amerikanischen und europäischen Fusionsexperimenten zeigte sich, dass sich diese unerwünschten Instabilitäten durch zusätzliche resonante magnetische Störfelder abmildern oder sogar ganz unterdrücken lassen. Der Jülicher Fusionsforscher Yunfeng Liang gehört zu den Pionieren dieser Methode. Gestützt auf Grundlagenversuche am Jülicher Experiment TEXTOR wurde die Technik auch am weltweit größten Fusionsexperiment JET in England eingeführt.

Nun ist in Zusammenarbeit mit chinesischen Fusionsforschern eine weitere vielversprechende Methode hinzugekommen. Mithilfe von hochfrequenten Radiowellen gelang es dem Team unter Leitung von Yunfeng Liang an der neuen supraleitenden Fusionsanlage EAST in Hefei, China, die Ausbrüche weiter einzudämmen, was dazu beitrug, neue Rekordwerte in Hochleistungsexperimenten zu erzielen. „Uns ist es gelungen, einen dreißig Sekunden langen Plasmapuls im sogenannten H-Mode zu erzeugen. Dabei handelt es sich um einen Plasmazustand mit besten Einschlusseigenschaften, der für die Entwicklung von ITER intensiv erforscht wird“, erläutert Yunfeng Liang, tätig am Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung.

Untersuchungen zeigen, dass die hochfrequenten Störfelder unerwünschte Instabilitäten im Randbereich des Plasmas abmildern.  ELMs („Edge Localised Modes“) führen zu hohen kurzzeitigen Belastungen der Brennkammerwände und drohen insbesondere im Dauerbetrieb, wie für ITER vorgesehen, die Widerstandsfähigkeit der Wände zu übersteigen. „Die beschriebene Methode wird daher über die erzielten Resultate hinaus sicherlich auch Einfluss auf die langfristige Planung von ITER haben“, so Ulrich Samm. Er leitet gemeinsam mit Christian Linsmeier den Forschungsbereich Plasmaphysik am Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung.

FZJ / PH

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