25.11.2020

Fingerkuppen-Sensor mit Feingefühl

Extrem dünner Drucksensor kann wie eine zweite Haut auf der Fingerkuppe getragen werden.

Die genaue Funktion des Tastsinns ist für Forschungsgebiete in der Medizin, im Sport, in den Neuro­wissenschaften oder auch für das Erlernen von Fähigkeiten von großer Bedeutung. Jedoch sind solche Daten nicht leicht zugänglich: Die Finger­spitzen eines Menschen sind sehr sensibel und reagieren bereits auf die kleinste spürbare Wahrnehmung, was das Messergebnis beeinflussen könnte. Ein Fingerkuppen-Sensor muss daher einerseits extrem dünn und flexibel sein aber andererseits auch Reibung sowie anderen physischen Einflüssen standhalten. Dieses Problem löste nun ein Team um David Franklin von der Technischen Universität München zusammen mit Kollegen um Takao Someya von der Universität Tokyo. Ihre Sensor­folie besteht aus vier hauchdünnen, nano­strukturierten Schichten, die sich perfekt für die Messung des menschlichen Tastsinns eignen.

Abb.: Die extrem dünne Sensor­folie kann den ausgeübten Druck an den...
Abb.: Die extrem dünne Sensor­folie kann den ausgeübten Druck an den Finger­kuppen messen, ohne das dabei der Tastsinn beeinträchtigt wird. (Bild: Someya et al., U.Tokyo)

Als Passivierungs- und Träger­schicht diente den Forschern eine Lage aus Poly­urethan-Nanofasern. Darauf folgte eine ultradünne Schicht aus Gold, eine Zwischenlage aus Parylen-um­hüllten Polyurethan-Nanofasern und zuletzt wieder eine Goldschicht. Eine abschließende dünne Schicht aus Polyurethan- und Polyvinyl­alkohol-Nanofasern schützte die vier Lagen des Sensors mechanisch. „Die Nano­netzwerk-Schichten werden im Elektro-Spinning-Prozess hergestellt,“ sagt Someya. „Die Poly­urethan-Nanofasern sind zwischen 200 und 400 Nanometer dünn.“ Die Goldschichten bilden eine Linien-Matrix, die den elek­tronischen Bestandteil des Sensors bildet. Um sie herzustellen wurde Gold auf einer Trägerschicht aus Polyvinyl­alkohol aufgebracht, ein Kunststoff der auch für Kontakt­linsen verwendet wird. Dieser wird nach der Herstellung der Schicht ausgespült, sodass nur noch die Goldfasern erhalten bleiben. 

Die Forscher führten eine Testreihe mit 18 Probanden durch. Alle Test­personen gaben an, den Sensor nicht zu spüren. Ihre Fähigkeit, Gegenstände zu greifen, wurde nicht beein­trächtigt. Wurde diese Folie mit kleinen Drücken von einigen Kilopascal belastet, änderte sich messbar die elektrische Kapazität. „In der Vergangenheit hatten wir nur vergleichsweise grobe und steife Messinstrumente, die das Gespür im Finger sehr beein­trächtigt haben“ sagt Franklin. „Denken Sie mal an ein Haustier daheim, etwa eine Katze oder einen Hund. Welches Messinstrument wäre feinfühlig genug, um den Druck zu messen, der beim Streicheln des Tieres ausgeübt wird? Das war vorher unmöglich. Doch jetzt, mit dem Nanognetzwerk-Sensor am Finger, ist das tatsächlich machbar.“

Tatsächlich handelt es sich um den weltweit ersten Finger-Sensor, der ohne den Verlust des mensch­lichen Feingefühls Messungen durchführen kann. Und trotz seiner dünnen Beschaffenheit ist der Sensor sehr stabil: Bei Abriebversuchen mit einem Druck von einem Kilogramm pro Quadrat­zentimeter, was in etwa dem Atmosphären­druck entspricht, gingen seine Fähigkeiten auch nach 300 Wieder­holungen nicht verloren. „Das zeigt, dass wir die Manipulation jeglicher Art von Objekten messen können – das war vorher nicht möglich“, sagt Franklin.

TUM / JOL

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