Fingerkuppen-Sensor mit Feingefühl
Extrem dünner Drucksensor kann wie eine zweite Haut auf der Fingerkuppe getragen werden.
Die genaue Funktion des Tastsinns ist für Forschungsgebiete in der Medizin, im Sport, in den Neurowissenschaften oder auch für das Erlernen von Fähigkeiten von großer Bedeutung. Jedoch sind solche Daten nicht leicht zugänglich: Die Fingerspitzen eines Menschen sind sehr sensibel und reagieren bereits auf die kleinste spürbare Wahrnehmung, was das Messergebnis beeinflussen könnte. Ein Fingerkuppen-Sensor muss daher einerseits extrem dünn und flexibel sein aber andererseits auch Reibung sowie anderen physischen Einflüssen standhalten. Dieses Problem löste nun ein Team um David Franklin von der Technischen Universität München zusammen mit Kollegen um Takao Someya von der Universität Tokyo. Ihre Sensorfolie besteht aus vier hauchdünnen, nanostrukturierten Schichten, die sich perfekt für die Messung des menschlichen Tastsinns eignen.
Als Passivierungs- und Trägerschicht diente den Forschern eine Lage aus Polyurethan-Nanofasern. Darauf folgte eine ultradünne Schicht aus Gold, eine Zwischenlage aus Parylen-umhüllten Polyurethan-Nanofasern und zuletzt wieder eine Goldschicht. Eine abschließende dünne Schicht aus Polyurethan- und Polyvinylalkohol-Nanofasern schützte die vier Lagen des Sensors mechanisch. „Die Nanonetzwerk-Schichten werden im Elektro-Spinning-Prozess hergestellt,“ sagt Someya. „Die Polyurethan-Nanofasern sind zwischen 200 und 400 Nanometer dünn.“ Die Goldschichten bilden eine Linien-Matrix, die den elektronischen Bestandteil des Sensors bildet. Um sie herzustellen wurde Gold auf einer Trägerschicht aus Polyvinylalkohol aufgebracht, ein Kunststoff der auch für Kontaktlinsen verwendet wird. Dieser wird nach der Herstellung der Schicht ausgespült, sodass nur noch die Goldfasern erhalten bleiben.
Die Forscher führten eine Testreihe mit 18 Probanden durch. Alle Testpersonen gaben an, den Sensor nicht zu spüren. Ihre Fähigkeit, Gegenstände zu greifen, wurde nicht beeinträchtigt. Wurde diese Folie mit kleinen Drücken von einigen Kilopascal belastet, änderte sich messbar die elektrische Kapazität. „In der Vergangenheit hatten wir nur vergleichsweise grobe und steife Messinstrumente, die das Gespür im Finger sehr beeinträchtigt haben“ sagt Franklin. „Denken Sie mal an ein Haustier daheim, etwa eine Katze oder einen Hund. Welches Messinstrument wäre feinfühlig genug, um den Druck zu messen, der beim Streicheln des Tieres ausgeübt wird? Das war vorher unmöglich. Doch jetzt, mit dem Nanognetzwerk-Sensor am Finger, ist das tatsächlich machbar.“
Tatsächlich handelt es sich um den weltweit ersten Finger-Sensor, der ohne den Verlust des menschlichen Feingefühls Messungen durchführen kann. Und trotz seiner dünnen Beschaffenheit ist der Sensor sehr stabil: Bei Abriebversuchen mit einem Druck von einem Kilogramm pro Quadratzentimeter, was in etwa dem Atmosphärendruck entspricht, gingen seine Fähigkeiten auch nach 300 Wiederholungen nicht verloren. „Das zeigt, dass wir die Manipulation jeglicher Art von Objekten messen können – das war vorher nicht möglich“, sagt Franklin.
TUM / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Lee et al.: Nanomesh pressure sensor for monitoring finger manipulation without sensory interference, Science 370, 966 (2020); DOI: 10.1126/science.abc9735 - Dept. of Electrical Engineering and Information Systems, School of Engineering, University of Tokyo, Japan
- Neuromuskuläre Diagnostik, Technische Universität München