16.04.2009

Flippern mit Elektronenspins

Auch mit statischen elektrischen Feldern kann man Spins umdrehen



Auch mit statischen elektrischen Feldern kann man Spins umdrehen

Bislang nutzt die Halbleiterelektronik lediglich die Ladung der Elektronen, um logische Operationen durchzuführen, nicht aber ihren Spin, der nur in magnetischen Datenspeichern zum Einsatz kommt. Mit der Spinelektronik oder „Spintronik“ soll das anders werden. Einzelne Spins in einem bestimmten Quantenzustand könnten z. B. elektrische Ströme oder Spinströme schalten. Computer, die mit Spintronik arbeiteten, wären erheblich leistungsfähiger als herkömmliche Elektronenrechner. Zahlreiche Forschungsgruppen bemühen sich, Einzelspins in gewünschte Quantenzustände zu bringen und gezielt zu manipulieren. Dabei kommt der Richtungsumkehr des Spins, dem Spinflip, eine besondere Bedeutung zu. An der University of British Columbia in Vancouver hat man jetzt einen neuen Dreh gefunden, die Spins flippen zu lassen.  

Die klassische Methode des Spinflips ist die Elektronenspinresonanz, die vor 70 Jahren von Isidor Isaac Rabi entwickelt wurde. Dazu setzt man die Spins einem konstanten Magnetfeld aus, das den beiden Spinzuständen (parallel bzw. antiparallel zur Feldrichtung) unterschiedliche Energie gibt. Die Spinvektoren präzedieren daraufhin um die Magnetlinien mit einer bestimmten Frequenz. Setzt man die Spins zusätzlich einem magnetischen Wechselfeld dieser Frequenz aus, so kommt es zur Resonanz. Die Spins klappen um, d. h. sie wechseln ihre Ausrichtung zwischen parallel und antiparallel zur Feldrichtung. Für die Elektronen- und Kernspinresonanz liegen die Resonanzfrequenzen in GHz- bzw. MHz-Bereich. Die Spinresonanz wird vielfältig genutzt, z. B. in der medizinischen Bildgebung.

Doch in einem Spintronik-Chip wäre es zu aufwendig, Spinflips mit magnetischen Wechselfeldern hervorzurufen. Einfacher geht es mit elektrischen Wechselfeldern, die die Elektronen in einem zeitlich konstanten Magnetfeld periodisch hin und her bewegen. Dabei kommt es zur relativistischen Spin-Bahn-Kopplung: Im Bezugssystem der Elektronen tritt neben dem elektrischen auch ein magnetisches Wechselfeld derselben Frequenz auf, das die präzedierenden Spins umklappen lässt, wenn es die Resonanzfrequenz trifft. Doch es geht noch einfacher, wie Joshua Folk und seine Kollegen jetzt gezeigt haben. Spinflips können auch mit zeitlich konstanten elektrischen Feldern hervorgerufen werden, wenn sich die Elektronen von selbst periodisch mit der Resonanzfrequenz bewegen.

Um diese periodische Bewegung zu erzwingen, ließen die Forscher die Elektronen durch eine kanalförmige Halbleiterstruktur laufen und dabei zwischen den Kanalwänden hin und her reflektieren. Die GaAs/AlGaAs-Halbleiterstruktur erzeugte ein zweidimensionales Elektronengas von 1µm Breite und 20 µm Länge, dem durch einzelne Kontakte Elektronen zugeführt und entnommen werden können. In diesem Kanal sind die Elektronen einem konstanten elektrischen Feld ausgesetzt, das sie aufgrund ihrer periodischen Bewegung quer zum Kanal als periodisch veränderliches Magnetfeld wahrnehmen. Dabei ist die Frequenz dieses Feldes umso größer, je schneller sich die Elektronen bewegen. Die Geschwindigkeit der Elektronen ist dabei durch die Fermi-Geschwindigkeit des Elektronengases bestimmt, die durch Vergrößerung der Elektronendichte im Gas erhöht werden kann.

Bei der „richtigen“ Elektronengeschwindigkeit bewegen sich die Elektronen mit der Resonanzfrequenz zwischen den Kanalwänden hin und her, während sie den Kanal entlanglaufen. Aufgrund der Spin-Bahn-Kopplung nehmen sie ein periodisches Magnetfeld wahr, das ihren Spin umklappen lässt. Treten die Elektronen in den Kanal mit einer Spinrichtung ein, so kann man erreichen, dass sie nach Durchlaufen des Kanals ihn mit der anderen Spinrichtung wieder verlassen. Vereinfacht gesagt, haben die Forscher gemessen, wie die Spins der Elektronen nach Durchlaufen des Kanals polarisiert waren. Dabei stellten sie fest, dass es nur dann zu Spinflips gekommen war, wenn die Elektronenbewegung die richtige Frequenz traf und wenn das statische Magnetfeld quer zum Kanal ausgerichtet war. Zeigte es entlang des Kanals, so war es parallel zum periodischen Magnetfeld orientiert, das daraufhin keine Spinflips verursachen konnte.

Das neue Spinflipverfahren hat jedoch noch einige Nachteile. Störstellen im Halbleiter machen die Spinflips inkohärent. Zudem treten die Elektronen unter unterschiedlichen Winkeln in den Kanal ein, sodass die Frequenzen, mit denen sie im Kanal hin und her reflektiert werden, unterschiedlich sind. Die Forscher sind indes zuversichtlich, beide Probleme in den Griff bekommen zu können.

RAINER SCHARF

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