18.08.2015

Flüssig oder hart: Eine Längenfrage

Neutronenstreuexperimente zeigen Bedeutung der Interaktionslänge für Verhalten von Kolloiden.

Forscher aus Jülich haben gemeinsam mit Kollegen aus Österreich, Italien, Kolumbien und den USA ein Modellsystem für sogenannte weiche Kolloide entwickelt. Das Modell macht es möglich, Zusammenhänge zwischen atomarer Struktur der Kolloide und den erlebbaren Material­eigenschaften besser zu verstehen. Mit den Erkenntnissen lassen sich zielgerichtet neuartige Kolloid­materialien entwickeln.

Abb.: Mit Neutronenstreuung untersuchten die Forscher die Struktur ihrer Proben. So lässt sich aus der Größe des „Rings“ im Bild der Abstand zwischen zwei Kolloidteilchen bestimmen. (Bild: FZJ)

Kolloide sind nano- oder mikrometergroße, fein verteilte Teilchen oder Tröpfchen. Weiche Kolloide bestehen aus flexiblen Stoffen, etwa Polymeren. Zu letzteren gehören auch Proteine oder Kunststoff­moleküle. In der Natur finden sich weiche Kolloide zum Beispiel in Zellen. Industriell werden sie unter anderem für Lebensmittelzubereitungen, Kosmetika und Dispersions­farben oder bei der Erdöl­förderung genutzt und sorgen für die gewünschten Fließ­eigenschaften. In Dispersions­farben etwa stellen sie sicher, dass diese sich leicht verstreichen lassen, aber nicht von der Wand laufen.

Das Modellsystem der Wissenschaftler vom Jülicher Zentrum für Forschung mit Neutronen besteht aus Wasser und Block­copolymeren – das sind fadenförmige Moleküle mit einem wasser­liebenden und einem wasser­abweisenden Teil. Im Wasser ordnen sich die Polymerfäden sternförmig an, mit den wasser­liebenden Enden nach außen, den wasserabweisenden nach innen. Ist der wasserliebende Anteil groß, knäulen sich jeweils nur wenige Moleküle locker zusammen, und das physikalische Verhalten ähnelt Fäden. Je größer der wasserabweisende Anteil ist, umso mehr Polymere ballen sich zusammen, und es bilden sich dichte, harte Kugeln.

Für Fäden und für Kugeln existierten bisher separate physikalische Modelle, die jeweils vorhersagten, ob eine Lösung daraus flüssig oder glasartig sein würde. Den Forschern gelang es nun unter anderem mit Neutronenstreuexperimenten, beide Modelle zu vereinen und ein umfassendes Phasendiagramm zu erstellen, das die Material­eigenschaften in Abhängigkeit von Kolloid­aufbau und -konzentration darstellt – quasi ein Rezeptbuch für Kolloide. Denn sie fanden einen verbindenden Parameter, der wesentlich darüber entscheidet, ob die Modell-Kolloidlösung flüssig oder glasartig ist: die sogenannte Inter­aktions­länge. Diese entspricht annähernd dem Radius, in dem die Kolloide untereinander wechselwirken können, und hängt unter anderem davon ab, aus wie vielen Molekülen ein Kolloid zusammengesetzt ist und wie stark die Kolloide konzentriert sind.

Die Erkenntnis wurde dadurch möglich, dass sich der Weichheits­grad der Modell-Kolloide über einen großen Bereich sehr genau einstellen lässt, indem man das Längen­verhältnis zwischen dem wasserliebenden und dem wasserabweisenden Teil der Molekülfaden verändert. Dass die Grundzutaten dabei stets die gleichen bleiben, vereinfacht es, grundlegende Zusammenhänge zu erkennen.

FZJ / DE

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