19.07.2019

Flüssiger Magnet

Festgeklemmte Nanoteilchen auf kleinen Tröpfchen machen flüssigen Ferromagneten möglich.

Ferromagnetische Materialien haben eine wichtige Eigenschaft gemeinsam: Sie sind Festkörper. Bislang haben Ferrofluide zwar schon Magnetisierbarkeit zeigen können. Doch beim Abschalten des Magnetfeldes verloren solche Flüssigkeiten ihre magnetischen Eigenschaften wieder. Diese Gewissheit hat ein internationales Wissenschaftlerteam nun untergraben. Forscher um Tom Russell vom Berkeley Lab haben flüssige Nanotröpfchen erzeugt, die auch bei Abwesenheit eines externen Magnetfeldes ferromagnetische Eigenschaften aufwiesen. Diese Tröpfchen lassen sich zudem in unterschiedliche Formen bringen, was für verschiedene Anwendungen wichtig sein kann. 

Abb.: Das ferro­magnetische Tröpfchen richtet sich in einem Magnet­feld aus....
Abb.: Das ferro­magnetische Tröpfchen richtet sich in einem Magnet­feld aus. (Bild: X. Liu & T. Russell, Berkeley Lab)

Die Besonderheit von Ferro­magneten, ein externes Magnetfeld dauerhaft aufzunehmen, liegt an der starken Spin-Spin-Wechsel­wirkung in diesen Materialien. In einem Festkörper liegen die Atome eng aneinander, was eine starke Spin-Spin-Wechsel­wirkung begünstigt. Bisherige Versuche, unter anderem mit Eisenoxid-haltigen Nano­teilchen magnetische Flüssig­keiten zu erzeugen, haben zwar zu sogenannten Ferro­fluiden geführt. Aufgrund der hohen Beweglichkeit und thermischen Störungen in einer Flüssigkeit haben sich solche Ferro­fluide aber nur para­magnetische Eigenschaften und verlieren ihre Magne­tisierung wieder, wenn das externe Magnetfeld abgeschaltet wird.

Die Wissenschaftler um Russell arbeiteten mit Eisenoxid-Nanopartikeln von zwanzig Nanometern Durchmesser, die sie mit Carbonsäure­gruppen in Wasser funk­tionalisierten. Dann gaben sie diese Tropfen in ein Öl, in dem ein Polymer-Ligand mit komplementärer Funk­tionalisierung gelöst war. Die Nanoteilchen und die Liganden gingen auf diese Weise eine Verbindung ein, bei der sich zahlreiche Liganden an die Partikel hefteten. Dabei erhöhte sich die Bindungs­energie an der Oberfläche so stark, dass die Nanoteilchen sich an der Außenhaut der Tröpfchen aneinander hefteten. „Auf diese Weise entstand im Wesent­lichen eine glasartige Mono­schicht an der Grenzfläche“, sagt Russell. Wenn die Forscher die Tröpfchen nun einem Magnetfeld aussetzten, behielten diese es dauerhaft bei – ein über­raschend ferro­magnetisches Verhalten, das bei Raum­temperatur stattfindet.

Den Forschern gelang es auch, die ferro­magnetischen Tröpfchen in unterschiedliche Form zu bringen. So konnten sie etwa durch Einsaugen in ein kleines Röhrchen die Tröpfchen in zylindrische Varietäten bringen. Aber auch abge­plattete „Pfannkuchen“-Nano­tropfen waren möglich. Mit ein paar Tricks gelang es sogar, Tintenfisch-artige Tröpfchen mit mehreren abstehenden Armen zu erzeugen, die dennoch ihre Magne­tisierung beibehielten. Die magne­tischen Eigen­schaften der Tropfen blieben sogar dann erhalten, wenn die Wissenschaftler sie in kleinere Tröpfchen teilten, die den Durchmesser eines mensch­lichen Haares hatten. Bei dieser Umformung blieb der magnetische Dipol­charakter erhalten, auch wenn die Struktur der miteinander verhafteten Nano­teilchen aufgebrochen und neu angeordnet wurde

„Besonders überraschend ist es, dass die Sättigung der Magne­tisierung von der Gesamtzahl der Nano­teilchen sowohl im Tröpfchen als auch an der Oberfläche abhängt“, erläutert Russell. Nicht nur die aneinander haftenden Nano­teilchen an der Oberfläche, sondern auch die frei herum­schwimmenden Partikel im Innern zeigten also ferro­magnetisches Verhalten. Dies ließ sich mit einem einfachen Experiment belegen: Wenn die Forscher ein Tröpfchen in viele kleinere aufteilten, vergrößerte sich die Oberfläche im Vergleich zum Volumen um ein Vielfaches. Die Gesamt­magnetisierung blieb allerdings gleich. Die Gründe für dieses Verhalten sind noch nicht geklärt, die Wissenschaftler arbeiten daran. Das Interess­ante aber: Die Abstände zwischen den Teilchen sind eigentlich zu groß, um starke wechselseitige Dipol­kopplungen zuzulassen. Insgesamt zeigte sich in den Messungen das typische Verhalten eines schwachen ferro­magnetischen Materials mit geringer remanenter Magne­tisierung und einer schmalen Hysterese­kurve.

Mit solchen ferro­magnetischen Nano­tröpfchen lassen sich im Prinzip ganz verschiedene Dinge tun. Man könnte sie etwa dazu nutzen, medi­zinische Wirkstoffe gezielt zu an bestimmte Stellen im Körper zu bringen. Etwas einfacher dürfte sich die Entwicklung neuartiger mechanischer Bauteile darstellen. So denken die Wissen­schaftler an flüssige Aktuatoren, mit denen sich etwa in der Mikrofluidik Substanzen dirigieren lassen. Eine nicht allzu schwer umsetzbare Idee besteht darin, solche flüssigen Magnete in flüssigen Reaktions­systemen als Mischer zu verwenden. Diese ließen sich etwa in rein flüssigkeits­basierten 3D-Druckern einsetzen. Auch könnte man Roboter mit flüssig­magnetischen Strukturen ausstatten, die sich mit externen Magnet­feldern bewegen lassen. Man könnte aber auch program­mierbare flüssig­magnetische Strukturen schaffen, um daran etwa Effekte der Selbst­organisation zu studieren.

Dirk Eidemüller

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