10.11.2017

Flüssiger Stoßdämpfer

Kolloide verfestigen sich unter starken und plötz­lichen Kraft­einwirkungen.

Auf den ersten Blick ähneln Kolloide homogenen Flüssig­keiten wie beispiels­weise Milch oder Blutplasma. Tatsächlich sind sie jedoch Suspen­sionen aus festen Partikeln. Einige Kolloide haben erstaun­liche Eigen­schaften: Sie werden unter Kraft­einwirkung fest und ihre Oberflächen absor­bieren die auf sie einwir­kenden Kräfte. Diese Besonder­heit eröffnet eine ganze Reihe interes­santer Anwendungs­möglichkeiten, von der kugel­sicheren Weste bis zum Schutz­schild für Satelliten. Wissen­schaftler der Tech­nischen Hochschule in Zürich ETHZ haben entdeckt, dass sich das Verhalten der Kolloide unter extremer Kraft­einwirkung verändern kann. Um die Eigen­schaften dieser Kolloide besser zu verstehen, haben sie ein neues Modell entwickelt.

Abb.: Schematische Darstellung der Ausbreitung einer Stoßwelle vom rot markierten Zentrum durch ein Kolloid. (Bild: ETHZ)

Lucio Isa und sein Team an der ETH Zürich stellten zwei­dimensionale, kolloidale Kristalle her. Die winzigen Silizium­kügelchen hatten einen Durch­messer von wenigen Mikrometern und schwebten in einem Gemisch aus Wasser und Glyzerin. Danach untersuchten die Forscher, wie dieses Kolloid Kräfte absor­bierte. Dabei haben sie fest­gestellt, dass sich bei Kolloiden mit mikrometer­kleinen Teilchen die Art und Weise der Absorption in Abhängigkeit von der Intensität und der Geschwin­digkeit der einwir­kenden Kraft verändert. Unterhalb eines bestimmten Schwellen­werts ist die Visko­sität der Flüssig­keit entscheidend. „Stellen Sie sich vor, wie die winzigen Glas­kügelchen in der Flüssig­keit schweben“, sagt Lucio Isa. "Sobald eine Kraft einwirkt, fangen sie an, sich zu bewegen. Dabei gerät auch die sie umge­bende Flüssig­keit in Bewegung, und zwar je nach Visko­sität schneller oder langsamer. Diese Bewegung des Fluids sorgt dafür, dass sich das Ganze verfestigt."

Ist die einwir­kende Kraft aller­dings sehr stark, kann sich die Flüssig­keit zwischen den Kügelchen nicht mehr bewegen und diese verformen sich. „Dann wird die Absorp­tion der Kräfte vor allem durch die physi­kalischen Eigen­schaften der Kügelchen bestimmt, weshalb sich die üblichen Gleichungen nicht anwenden lassen“, erklärt Lucio Isa. Damit die Teilchen zum entschei­denden Faktor werden, muss die einwir­kende Kraft extrem stark sein – wie beispielsweise beim Aufprall einer Gewehr­kugel oder eines Mikro­meteoriten, die Satelliten im All mit einer Geschwin­digkeit von zehn Kilo­metern pro Sekunde treffen können.

Derart intensive Kräfte im Labor zu erzeugen, sei ziemlich schwierig gewesen, erklärt Lucio Isa. Die Forscher über­zogen zu diesem Zweck einen kleinen Teil der Silizium­kügelchen mit Gold. Wird das Gold mit einem gepulsten Laser bestrahlt, verdampft es und erzeugt eine Stoßwelle, die das Kolloid in ähn­licher Weise verändert wie der Aufprall eines Mikro­meteoriten. Die Wissen­schaftler dokumen­tierten ihr Experiment mit High­speed-Mikroskop-Kameras. „Ihre speziellen Eigen­schaften machen die Kolloide zu faszi­nierenden Forschungs­objekten,“, so Lucio Isa, „die beispiels­weise die Entwicklung neuar­tiger Schilde, die Satelliten gegen aufpral­lende Mikro­meteoriten schützen, ermög­lichen könnten.“

SNF / JOL

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