13.02.2017

Flüssigkeit als Metamaterial

Gezielte Anregung von Wellen erzeugt regelmäßige, makroskopische Gitterstruktur auf einer Wasseroberfläche.

Wenn Wissenschaftler neue Metamaterialien vorstellen, geht es üblicherweise um fein strukturierte Festkörper­oberflächen mit außergewöhnlichen optischen Eigenschaften. Wie Forscher der Australian National University nun zeigen, lassen sich aber auch durch die Strukturierung von Flüssigkeiten Materialien mit außer­gewöhnlichen physikalischen Eigenschaften erzeugen. Durch gezielte Anregung von Wellen gelang es der Gruppe um Michael Shats, ein regel­mäßiges Gitter aus Verwirbelungen auf einer Wasser­oberfläche zu erzeugen. Schwimmende Partikel werden so auf engen, geschlossenen Bahnen innerhalb der Einheitszellen gehalten. Mögliche Anwendungen sehen die Forscher etwa in der Manipulation von Mikroorganismen. Unter Verwendung elektrisch leitfähiger Flüssigkeiten wäre mit der neuen Methode allerdings auch die Herstellung zwei­dimensionaler Strukturen mit maß­geschneiderten elektrischen Eigenschaften denkbar.

Abb.: Durch die Überlagerung orthogonaler Oberflächenwellen entsteht eine regelmäßige Struktur aus rotierenden Wellen. Schwimmende Partikel werden so in den Einheitszellen festgehalten. (Bild: N. Francois et al., NPG)

Die Gruppe von Shats beschäftigt sich schon seit Längerem mit der gezielten Erzeugung von Wellen auf Wasser­oberflächen. 2014 etwa ließen die Forscher mit der Erzeugung eines „Traktorstrahls“ aufhorchen: Es gelang ihnen, eine Strömung zu erzeugen, die Objekte in Richtung des Wellen­generators zieht – eindrucksvoll demonstriert mit einem schwimmenden Pingpong­ball. In ihrer aktuellen Studie haben sie nun aus einer Überlagerung stehender Wellen eine regelmäßige, zwei­dimensionale Struktur mit quadratischen Einheits­zellen erzeugt. Im Zentrum jeder Zelle befindet sich eine rotierende Welle, die schwimmende Partikel dort festhält – analog zu den optischen Gittern von Ionenfallen. „Das ist ein ausgesprochen leistungs­fähiges, neues Werkzeug, das mit so gut wie jeder erdenklichen Flüssigkeit funktioniert“, sagt Shats. „Indem wir die Wellen ändern, können wir auch die Muster ändern. Das erlaubt uns, die Eigenschaften des Materials quasi fernzusteuern.“

Die Experimente wurden in einem 40 mal 40 Quadratzentimeter großen Becken bei einer Wassertiefe von etwa acht Zentimetern durchgeführt. An zwei orthogonalen Rändern des Beckens befinden sich horizontal oszillierende Paddel, deren Bewegung über Beschleunigungs­messer kontrolliert wird. Die Amplituden der erzeugten, linearen Oberflächen­wellen betrugen etwa einen Millimeter, waren also klein im Vergleich zu den Wellen­längen. Die Anregungs­frequenzen wurden so gewählt, dass immer ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge zwischen Paddel und der gegenüberliegenden Behälter­wand passte. Darüber hinaus ließen sich beliebige Phasen­verschiebungen zwischen den orthogonalen Anregungen mit einer Genauigkeit von einem zehntel Grad einstellen.

Um die erzeugten Strömungen bzw. die sich ausbildenden rotierenden Wellen zu charakterisieren, haben die Forscher die Bahnen schwimmender Nano­partikel verfolgt. Dabei zeigte sich, dass sich abhängig von der Phasen­verschiebung der Anregungen unterschiedliche Strukturen bilden. Schwingen die Paddel im Gleichtakt, bewegen sich die Partikel vor und zurück entlang gerader Linien. Bei einer Phasen­verschiebung von 45 Grad beschreiben sie Ellipsen und bei 90 Grad Kreise. Lässt man dagegen ein Paddel mit der doppelten Frequenz des anderen schwingen, ergeben sich Bahnen in Form einer Acht. Nicolas Francois, der Hauptautor der Studie, vergleicht die einzelnen Strömungen mit Legosteinen. „Wir haben verschiedene Steine entwickelt. In Zukunft wird es damit möglich sein, komplexe Strukturen zu erzeugen, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können.“

Thomas Brandstetter

DE

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