02.07.2015

Flüssigkeiten auf dem seidenen Faden

Rutschen oder Fließen – unterschiedliche Dynamiken der Tröpfchenbildung auf Fasern.

Ob Glasfaser-Kabel für die superschnelle Datenübertragung oder Textilfasern in Kleidung: Hauchdünne Fasern spielen in vielen Lebensbereichen im wahrsten Sinne des Wortes eine tragende Rolle. Damit solche Fasern ihre speziellen Eigenschaften erhalten, werden sie oft gezielt mit einem Flüssigkeitsfilm beschichtet, der stabil und homogen sein soll. Bei der Trinkwassergewinnung hingegen verhält es sich genau umgekehrt: Dort will man mit Hilfe von Fasernetzen aus Nebel Wasser „ernten“, das als Film oder Tropfen entlang der Faser transportiert wird. Anhand von Lackfilmen auf Glasfasern konnte ein internationales Forscherteam um Karin Jacobs und Sabrina Haefner von der Saar-Universität jetzt aufklären, ob der Film entlang der Faser langsam fließt oder schneller über die Faser rutscht. Die Wissenschaftler zeigen mittels neuer Experimente und mathematischer Modelle, wie sich ein Flüssigkeitsfilm auf einer Faser in Abhängigkeit von deren Beschichtung bewegt.

Abb.: Ein homogener Honigfilm auf einem Faden zerfällt aufgrund der Plateau-Rayleigh-Instabilität in einzelne Tröpfchen (a), ebenso wie der im Modellsystem untersuchte Lackfilm auf einer Glasfaser (b; Bild: H. & S. Haefner & AG Jacobs, UdS)

In der Natur gibt es viele Beispiele für Flüssigkeiten auf Fasern, beispielsweise morgendliche Tautropfen auf Spinnennetzen. Hier sammelt sich die Luftfeuchtigkeit in Form von Tropfen, weil so die Flüssigkeitsoberfläche minimiert wird. Diese Rayleigh-Plateau-Instabilität kann man auch bei einem Wasserstrahl beobachten, der beim Strömen aus dem Wasserhahn in kleine Tröpfchen zerfällt.

„Alle Systeme streben in den Zustand der geringsten Energie, und das ist in diesem Fall die Tropfenform“, erklärt Sabrina Haefner. Diese Instabilität kann sehr nützlich sein, denn in sehr trockenen und abgelegenen Gebieten der Erde, beispielsweise in der chilenischen Atacama-Wüste, ist die Beschaffung von Trinkwasser für Menschen lebensnotwendig: Sie ernten das Wasser aus dem Nebel mit Hilfe von Fasernetzen.

In industriellen Anwendungen ist es dagegen meist erforderlich, stabile und homogene Flüssigkeitsfilme auf Fasern zu erzeugen. Wie aber lässt sich die Tropfenbildung unterbinden? „Eine Rolle spielen die Oberflächenenergie der Flüssigkeit und ihre Viskosität, ebenso wie die Dicke des Flüssigkeitsfilms und der Durchmesser der Faser“, erklärt Karin Jacobs. Außerdem spielt die Beschaffenheit der Faser einen wesentlichen Einfluss. wie das Team herausgefunden hat. Entscheidend ist dabei der Kontakt der Flüssigkeit mit der Oberfläche. Rutscht die Flüssigkeit über die Faseroberfläche, so findet die Tropfenbildung schneller statt als im Falle des Fließens entlang der Faser. Getestet haben die Forscher dies mithilfe eines Flüssigkeitsfilms, den sie sowohl auf unbeschichtete als auch auf teflonbeschichtete Glasfasern auftrugen. Auf den unbeschichteten Fasern bewegte sich die Flüssigkeit nur langsam, die Tröpfchenbildung dauerte länger. Auf den beschichteten Fasern hingegen rutschte der Flüssigkeitsfilm und zerfiel schneller in Tröpfchen.

„Zusammen mit mathematischen Modellen erlauben uns diese Experimente, das Rutschen eines Flüssigkeitsfilms zu quantifizieren und die Dynamik der Tröpfchenbildung exakt vorherzusagen“, erklärt Haefner. Diese Ergebnisse seien, so die Forscherin, für die Entwicklung neuer Faserbeschichtungen von großer Bedeutung.

UdS / RK

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