Flüssigkeiten ultraschnell aufladen
Neue Methode für die Analyse von Ladungsprozessen an Grenzflächen.
Ob in den Batterien von Elektroautos, in Elektrolytkondensatoren oder bei der Elektrolyse: Bei all diesen technologischen Prozessen müssen sich Ladungsträger in Flüssigkeiten zu einer Grenzfläche bewegen. Solche Prozesse finden sich auch in biologischen Prozessen im menschlichen Körper und werden zur Energiespeicherung genutzt. Allen Prozessen ist gemeinsam, dass sich an einer Grenzfläche eine elektrische Doppelschicht bildet. Während eine Seite negativ geladen ist, befindet sich die entsprechende positive Ladung in Form von beweglichen Ionen auf der flüssigen Seite. Wie schnell sich diese nur wenige Nanometer dicken Doppelschichten bilden können oder wie schnell sie auf eine Störung reagieren, ist wichtig, um zu verstehen, wie schnell ein Energiespeicher die elektrische Energie aufnehmen und abgeben kann, beispielsweise für Anwendungen wie das Laden von Batterien.

Für eine geringe Anzahl mobiler Ladungsträger haben theoretische Modelle und Messungen diese Dynamik schon lange vorhergesagt und können die Bewegung von Ionen in dieser Doppelschicht gut beschreiben. Wird die Anzahl der Ladungsträger jedoch erhöht, wie es in biologischen Systemen der Fall ist und auch für Batterien notwendig ist, brechen die Annahmen dieser Modelle zusammen. Daher ist es ein bisher ungelöstes Rätsel, wie genau sich die elektrischen Doppelschichten bilden.
„Bisher war es nicht möglich, die genauen Prozesse bei der Bildung der Doppelschicht zu untersuchen“, sagt Mischa Bonn vom MPI für Polymerforschung. „Es ist einfach nicht möglich, mit elektronischen Schaltkreisen Prozesse zu untersuchen, die so schnell ablaufen wie die Bewegung von Ionen, da die Schaltkreise selbst nur eine begrenzte zeitliche Auflösung bieten können. Wir verwenden ultraschnelle Spektroskopie, um diese Einschränkung zu umgehen.“
Das Team des MPI-P und der Universität Wien nutzte daher eine optische Messmethode, um die Bildung der Doppelschicht zu untersuchen. Zu diesem Zweck gaben sie Säure in Wasser, wodurch sich positive Ionen (H3O+) bilden. Diese Ionen ordnen sich bevorzugt an der Wasseroberfläche an, wo sie eine elektrische Doppelschicht bilden. Ein starker Laserpuls im Infrarotbereich wurde verwendet, um die Oberfläche zu erhitzen, wodurch H3O+ von der Oberfläche entfernt und die Doppelschicht gestört wurde. Durch die Untersuchung der Oberfläche mit weiteren Laserpulsen nach einer gewissen Zeitverzögerung und die Erfassung des reflektierten Lichts konnten sie quantifizieren, wie sich die Ionen von der Oberfläche entfernten, um ein neues Gleichgewicht zu erreichen.
Sie kombinierten ihre experimentellen Ergebnisse mit Computersimulationen. So konnten sie nachweisen, dass die Bildung der Doppelschicht auch bei hohen Konzentrationen hauptsächlich durch elektrische Felder verursacht wird. Die neue Methodik eröffnet neue Möglichkeiten, solche Prozesse an Grenzflächen in einer Vielzahl von chemischen und biologischen Systemen zu untersuchen. Darüber hinaus stellte das Team fest, dass sich auch komplexe Grenzflächensysteme mit relativ einfachen physikalischen Modellen beschreiben lassen. Sie bestätigen, dass die existierenden theoretischen Modelle die Bildung der Doppelschicht bemerkenswert genau beschreiben.
MPI-P / JOL