19.02.2019

Fluktuationen machen den Weg frei

Wie Moleküle sich schnell über eine voll besetzte Katalysatoroberfläche bewegen können.

Katalysatoren machen viele technische Verfahren überhaupt erst möglich. Allein in der chemischen Industrie beruhen mehr als achtzig Prozent aller Erzeugnisse auf katalytischen Verfahren. Ein Katalysator ist ein Festkörper, an dessen Oberfläche eine Reaktion zwischen Molekülen stattfindet. Er ermöglicht oder beschleunigt diese Reaktion, bleibt selbst aber unverändert. Essenziell ist dabei, dass die Moleküle auf dem Katalysator diffundieren können, damit sie für eine Reaktion aufeinander­treffen. Unter industriellen Bedingungen ist die Katalysator­oberfläche allerdings fast vollständig mit adsorbierten Teilchen bedeckt und dadurch blockiert – wie die Moleküle sich trotzdem bewegen können, war bisher unklar. Forscher um Joost Wintterlin von der Uni München zeigen nun, dass die Moleküle in der Oberflächen­matrix des Katalysators sich nur kleinräumig bewegen können, bis ihnen lokale Fluktuationen in der Matrix die Tür für schnelle Positions­wechsel öffnen.

Abb.: Fluktuationen in der Anordnung der Kohlenmonoxid-Moleküle erlauben einem...
Abb.: Fluktuationen in der Anordnung der Kohlenmonoxid-Moleküle erlauben einem Sauerstoff-Atom, sich schnell über die eigentlich voll besetzte Katalysatoroberfläche zu bewegen. (Bild: A.-K. Henß, LMU)

Um sich ein Bild von den Prozessen auf der Katalysator­oberfläche zu machen, untersuchten die Wissenschaftler mithilfe der Raster­tunnel­mikroskopie, wie Sauerstoffatome sich auf einer Ruthenium­oberfläche bewegen, die von einer dichtgepackten Schicht aus Kohlen­monoxid­molekülen bedeckt ist. „Dieses System haben wir gewählt, weil die Oxidation von Kohlenmonoxid an Metallen der Platingruppe ein gut untersuchtes Modell für die Katalyse ist“, sagt Wintterlin. Allerdings ist die Standard-Raster­tunnel­mikroskopie für die Oberflächen­dynamik dieses Systems viel zu langsam. Deshalb entwickelten die Wissenschaftler die Methode weiter und erreichten schließlich Bildraten von bis zu fünfzig Bildern pro Sekunde – schnell genug, um Videos der Teilchen­bewegungen machen zu können.

In dem untersuchten System sind die Sauerstoff­atome vollständig von Kohlenmonoxid-Molekülen umgeben und zwischen diesen Molekülen wie in einem Käfig gefangen. Wie die Analyse der Videos zeigte, springt das Sauerstoff­atom innerhalb dieses Käfigs „im Dreieck“, da es zwischen drei Positionen wechseln kann. „Überraschender­weise fanden wir aber, dass es den Käfig wieder verlässt und sich fast genauso schnell wie auf einer komplett freien Oberfläche durch die Kohlenmonoxid-Matrix bewegen kann“, sagt Ann-Kathrin Henß, eine der beteiligten Forscherinnen. Die Wissenschaftler konnten – in Zusammenarbeit mit Axel Groß von der Uni Ulm – dieses Phänomen mit Fluktuationen in der Kohlenmonoxid-Matrix erklären, durch die die Moleküle manchmal dichter, manchmal weniger dicht gepackt sind. Wenn eine solche Fluktuation in der Nähe eines Sauerstoff­atoms stattfindet, kann dieses seinen Kohlenmonoxid-Käfig verlassen und auf eine neue Position springen. Dieser „Türöffnungs-Mechanismus“ findet so schnell statt, dass die Bewegung der Sauerstoff­atome durch die Matrix von den Käfigen nur wenig beeinträchtigt wird. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Moleküle tatsächlich auf einen Bindungs­partner für die vom Katalysator geförderte chemische Reaktion stoßen.

LMU / RK

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