19.10.2018

Folie als Kristall

Dünne Metallschichten lassen sich zu großen Ein­kristall-Folien ver­arbeiten.

Metalle bestehen üblicherweise nicht aus einem wohl­geord­neten Kristall­gitter, sondern aus vielen kleinen Körn­chen, die mit­ein­ander ver­bunden sind. Bei der Her­stel­lung von Metallen aus der Schmelze ent­stehen während der Ver­festi­gung an vielen Stellen im Material unab­hängig von­ein­ander mikro­sko­pische Kristall­struk­turen, die schließ­lich anein­ander wachsen. Diese Korn­grenzen beein­flussen die physi­ka­lischen Eigen­schaften des Materials. Durch Streu­ung von Elek­tronen an den Korn­grenzen steigt etwa der elek­trische Wider­stand. So hat ein Ein­kristall aus Kupfer, der keine Korn­grenzen auf­weist, einen gerin­geren elek­trischen Wider­stand als gewöhn­liches poly­kristal­lines Kupfer.

Abb.: Foto der Einkristall-Kupfer­folie mit Zenti­meter­maß. (Bild: S. Jin et al. / AAAS)

Die Herstellung von metallischen Einkristallen ist jedoch auf­wändig und teuer. Man erzeugt sie ent­weder über das lang­same Wachs­tum eines Volumen­kristalls, zum Beispiel durch Ziehen aus der Schmelze oder über das Zonen­schmelz­ver­fahren, oder über die Abschei­dung von dünnen Filmen auf geeig­neten Sub­straten. In beiden Fällen spielt jedoch der Kontakt zum umge­benden Material eine störende Rolle, so dass die ent­ste­henden Kristalle einer­seits nicht allzu groß werden können und anderer­seits schnell teuer werden. Ein Forscher­team um Sunghwan Jin vom Institute for Basic Science im süd­korea­nischen Ulsan hat nun jedoch ein neues Ver­fahren vor­ge­stellt, mit dem sie aus gewöhn­lichen Metall­folien Ein­kristalle her­stellen konnten. Der Clou bei diesem Produk­tions­prozess ist, dass die Metall­folien frei in einer Atmo­sphäre aus Schutz­gas hängen und sich auf diese Weise die stören­den Kontakt­zonen ver­meiden lassen, die das Kristall­wachs­tum sonst begrenzen.

Die Wissenschaftler konnten ihr Verfahren gleich für eine ganze Reihe von Materi­alien erfolg­reich um­setzen. Es funktio­nierte – mit leichten Abwand­lungen – sowohl für Kupfer wie für Kobalt, Nickel, Palla­dium und Platin. Hierzu hängten die Forscher die Kupfer­folien über dünne Halter aus Quarz, während sie für die Kobalt- und Nickel­folien Halter aus Alumi­nium nutzten. Die Halter waren Stäb­chen von fünf Milli­metern Durch­messer und etwa zehn Zenti­metern Länge. Diese Folien wurden in spezi­ellen Öfen erwärmt. Bei Platin- und Palla­dium­folien gingen die Wissen­schaftler ein wenig anders vor und ver­banden sie an den Enden mit Elek­troden, so dass sie das Platin mittels Wider­stands­heizung erwärmen konnten. Die Metall­folien hatten dabei Dicken zwischen fünfzig und hundert Mikro­metern und eine Rein­heit von mindes­tens 99,9 Prozent.

Dann begann der Ausglühprozess, für den Temperaturen bis nahe an den Schmelz­punkt des jewei­ligen Materials von­nöten waren. Bei den Kupfer­folien erhöhten die Forscher die Tempe­ratur lang­sam auf 1323 Kelvin und hielten diese Tempe­ratur über zwölf Stunden oder etwas länger bei, wobei eine Schutz­gas­atmo­sphäre aus Argon und Wasser­stoff vor­lag. Bei den Nickel-, Palla­dium-, Kobalt- und Platin­folien mussten noch deut­lich höhere Tempe­ra­turen von 1623 bezie­hungs­weise 1673, 1773 und 1883 Kelvin erreicht werden, die zudem über einen teil­weise deut­lich längeren Zeit­raum eben­falls unter Schutz­gas auf­recht­erhalten wurden. Dann wurden die Folien lang­sam herunter­ge­kühlt.

Das Ergebnis dieses Ausglühprozesses untersuchten die Forscher dann mit ver­schie­denen kristallo­graphischen Ver­fahren, unter anderem mit Hilfe von Röntgen­beugung, Raster­elek­tronen­mikro­skopie und Elek­tronen-Rück­streu-Beugung. Wie sich heraus­stellte, wuchsen die ent­stehenden Kristalle relativ schnell. Ein Faktor, der hier eine wichtige Rolle spielt, ist die an den Folien­kanten ge­speicherte lokale Energie. Dadurch konnte der Kristall sich rasch über die Korn­grenzen hinweg­wachsen und sich die ver­schie­denen Körner „ein­ver­leiben“. Die exakte Analyse dieser Pro­zesse könnte auch für die Ober­flächen­physik und -chemie sowie für die Forschung an Kata­ly­sa­toren inte­res­sant sein.

Die entstehenden Kristalle erreichten zum Teil eine über­raschende Größe. Beim Kupfer konnten die Forscher einen 32 Quadrat­zenti­meter großen Ein­kristall nach­weisen. Beim Nickel und Kobalt ent­standen etwa elf Quadrat­zenti­meter große Ein­kristall-Folien. Beim Platin wurden rund drei und beim Palla­dium ein Quadrat­zenti­meter große Ein­kristall-Stücke erreicht. Dabei rea­gierten die ver­schie­denen Metalle unter­schied­lich auf das ver­wendete Schutz­gas. Palla­dium etwa ver­trug sich nicht besonders gut mit Wasser­stoff, so dass diese Ver­suche unter reinem Argon statt­fanden.

Ein solches Verfahren, mit dem sich erstaunlich große Ein­kristall-Metall­folien her­stellen lassen, ist für die Industrie von hohem Inte­resse. Denn andere Ver­fahren sind bei diesen Materi­alien um­ständ­lich und teuer. Wie die Wissen­schaftler speku­lieren, könnte sich das kontakt­freie Aus­glühen auch noch bei einigen weiteren Metallen durch­führen lassen.

Dirk Eidemüller

RK

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