Binnen weniger Jahre steigerten die USA ihre Erdgas- und Erdölförderung um ein Vielfaches. Möglich wurde dieser Wandel mit dem Fracking-Verfahren, bei dem unter Hochdruck verpresstes Wasser, ergänzt mit teilweise giftigen Zusätzen, winzige Risse im Tiefengestein erzeugt. Wie genau durch diese Risse das zuvor gebundene Erdgas freigesetzt wird, untersuchte jetzt ein internationales Forscherteam mit molekulardynamischen Simulationen. Dabei entdeckten sie den Grund für die schon nach wenigen Monaten signifikant schrumpfende Förderraten. Auf der Basis ihrer Berechnungen schlagen die Forscher vor, statt des derzeit verwendeten Wassers superkritisches Kohlendioxid als Fracking-Substanz einzusetzen.
Abb.: Unter Hochdruck verpresstes Wasser erzeugt Risse im Untergrund, durch die absorbiertes Methan aus nanoporösem Material austreten kann. (Bild: B. Coasne et al. / NPG)
In unkonventionellen Schiefergas-Lagerstätten befindet sich das Erdgas in winzigen Poren des Tiefengesteins. Dieses nanoporöse Material simulierte Benoit Coasne vom Massachusetts Institute of Technology zusammen mit französischen Forschern der Université Grenoble Alpes. Als Grundlage für ihr Modell nutzten sie drei verschiedene Strukturen: Ein Areal aus geordneten Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, eine nanoporöse, ungeordnete Kohlenstoffmatrix und eine Mischung aus hydrophoben Kohlenstoffnanoröhrchen und hydrophilen Quarz-Partikeln. In der Simulation ergänzten sie zu jeder nanoporösen Struktur Methanmoleküle, die von dem jeweiligen Material absorbiert wurden.
Mit ihren Berechnungen wollten Coasne und Kollegen nun erklären, wie das absorbierte Methan durch ein Fracking mit Wasser freigesetzt werden konnte. Sie nahmen an, dass wie in den realen Lagerstätten unter einem hohem Druck von etwa 25 Megapascal verpresstes Wasser bei einer Temperatur von 423 Kelvin die Hohlräume öffnete. Sank darauf der Druck auf zehn Megapascal ab, desorbierte ein Teil des Methans und könnte gefördert werden. Nach einer gewissen Zeit sank die Freisetzungsrate des Methans allerdings. Den Grund dafür fanden die Forscher im Wasser, das eine Energiebarriere aufbaute und eine vollständige Methan-Desorption verhinderte.
Dieses Ergebnis deckt sich mit den Erfahrungen der Schiefergas-Förderunternehmen. Denn die Gasausbeute aus jeder Fracking-Bohrung sinkt bereits nach wenigen Monaten. Erneute Bohrungen und Frackingprozesse sind notwendig, um die Förderrate wieder zu erhöhen. In weiteren Simulationen verzichteten die Forscher daher auf Wasser, um den Aufbau einer Energiebarriere in wässriger Umgebung zu verhindern. Sie entdeckten, dass mit superkritischem Kohlendioxid statt Wasser als Frackingflüssigkeit keine Energiebarriere mehr aufbaut. Theoretisch könnte so deutlich mehr Methan aus den Nanoporen des jeweiligen Speichermaterials austreten und gefördert werden.
Diese Ergebnisse könnten eine große Relevanz für die Schiefergas-Industrie haben. Allerdings betonen die Forscher, dass es sich bisher nur um Simulationen handelte. Laborexperimente im kleinen Maßstab und Feldversuche mit superkritischem Kohlendioxid müssten die verbesserte Desorption von Methan erst bestätigen. Gegen diesen Weg sprechen allerdings die höheren Kosten, wenn auf die bewährten wässrigen Frackingflüssigkeiten verzichtet würde.
Dennoch wäre ein Pilotversuch für eine Zukunft der Fracking-Technologie durchaus interessant. Denn es lockt nicht nur eine höhere Ausbeute. Zudem könnte die Menge an Frackingflüssigkeit mit einer potenziellen Gefahr für das Grundwasser verringert werden. Die Forscher halten es sogar für möglich, dass sich das eingespeiste Kohlendioxid statt des zuvor absorbierten Methans in die Nanoporen des Gesteins ablagern könnte. Damit böte die nicht nur in Deutschland stark umstrittene Frackingtechnologie die Möglichkeit, das Treibhausgas Kohlendioxid dauerhaft im Boden speichern zu können.
Jan Oliver Löfken
RK