04.06.2010

Fraktale Partikel wärmten junge Erde

Die Sonnenstrahlung war 30 Prozent geringer - trotzdem war es auf der jungen Erde warm.


Die Sonnenstrahlung war 30 Prozent geringer - trotzdem war es auf der jungen Erde warm. Ein Dunstschleier aus organischen Partikeln könnte das Paradoxon der schwachen Sonne lösen - und zugleich das entstehende Leben vor der ultravioletten Strahlung geschützt haben.

  

Unsere Sonne ist ein so genannter Hauptreihenstern, der in seinem Inneren Wasserstoff zu Helium fusioniert. Im Verlauf dieser rund zehn Milliarden Jahre währenden Phase des Wasserstoffbrennens nimmt die Leuchtkraft eines Sterns langsam zu. Modellrechnungen zeigen, dass unsere Sonne in der Frühzeit des Sonnensystems etwa 30 Prozent weniger Energie abgestrahlt hat als heute. Es gibt jedoch überzeugende Indizien dafür, dass es auch auf der jungen Erde flüssiges Wasser gab. Zwei amerikanische Forscher präsentieren jetzt eine neue Lösung für dieses "Paradoxon der schwachen Sonne". Demnach war die junge Erde in einen Dunstschleier aus organischen Partikeln gehüllt, deren fraktale Struktur eine Abkühlung der Erde verhinderte.

Abb.: Der Saturnmond Titan ist in einen dichten Dunst aus organischen Partikeln eingehüllt - ganz ähnlich könnte es bei der jungen Erde gewesen sein. (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

"Die fraktale Struktur der Aerosole hat einen starken Einfluss auf die Strahlungseigenschaften des Dunstschleiers", schreiben Eric Wolf und Brian Toon von der University of Colorado in Boulder. "Unsere Untersuchung zeigt, dass der aus fraktalen Partikeln bestehende Dunst im ultravioletten Bereich optisch dick ist, während er im sichtbaren Bereich relativ durchsichtig bleibt." Damit könnte der Dunstschleier den unteren Bereich der Atmosphäre und den Erdboden vor der zerstörerischen Wirkung der ultravioletten Strahlung geschützt haben, ohne zugleich - wie bislang vermutet - einen starken Anti-Treibhauseffekt zu verursachen.

Bereits 1996 hatte der amerikanische Astronom Carl Sagan vorgeschlagen, dass eine Kombination aus Ammoniak und organischen Partikeln in der Hochatmosphäre - ganz ähnlich wie es heute beim Saturnmond Titan zu beobachten ist - das Paradoxon der schwachen Sonne lösen könnte. Ammoniak ist ein potentes Treibhausgas und könnte so schon in geringen Mengen die schwächere Sonnenstrahlung ausgleichen. Doch Ammoniak wird durch ultraviolette Strahlung rasch abgebaut - davor sollte, so Sagans Idee, der organische Dunst schützen.

Rechnungen anderer Forscher zeigten jedoch rasch eine Schwachstelle dieses Szenarios: Der organische Dunst würde zu viel sichtbares Licht absorbieren und deshalb zu einem Anti-Treibhauseffekt und damit einer erheblichen Abkühlung der Erde führen. Wolf und Toon zeigen nun, dass diese Kritik an Sagans Modell auf fehlerhaften Annahmen über die organischen Partikel beruht.

Bei allen bisherigen Modellrechnungen gingen die Forscher davon aus, dass der Dunstschleier aus sphärischen Partikeln besteht. Simulationen im Labor zeigen jedoch, dass die Teilchen sich zu irregulären Ketten zusammensetzen. Es bilden sich komplexe Strukturen mit einer so genannten fraktalen Geometrie, bei denen die effektive Oberfläche erheblich größer ist als bei sphärischen Teilchen.

Dadurch ändern sich auch die Absorptionseigenschaften des organischen Dunstes. Während die Teilchen mit ihrer flockigen Struktur weiterhin vor der zerstörerischen ultravioletten Strahlung schützen, lassen sie sichtbares Licht nahezu ungehindert passieren. Damit verhindert der Dunstschleier also, wie von Sagan ursprünglich vorgeschlagen, den Abbau des Ammoniaks ohne zugleich den Treibhauseffekt des Ammoniaks zu konterkarieren.

Wolf und Toon schätzen, dass in der Atmosphäre der jungen Erde jährlich 100 Millionen Tonnen an organischen Dunstpartikeln produziert wurden. "Aus der Atmosphäre ist also organisches Material in großen Mengen in die Ozeane herab geregnet", so Toon, "himmlisches Manna, dass den ersten Lebensformen bei ihrem Kampf ums Überleben helfen konnte."

Rainer Kayser


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