Freie Bahn für noch brillanteres Licht!
Bau des ersten hochenergetischen Synchrotrons der vierten Generation setzt Standard für Röntgenforschung im kommenden Jahrzehnt.
In diesem Jahr feiert die European Synchrotron Radiation Facility ESRF im französischem Grenoble ihr 30-jähriges Bestehen: 30 Jahre wissenschaftliche Entdeckungen, 30 Jahre Innovation. 1988 schrieb die ESRF als weltweit erste Synchrotronlichtquelle der dritten Generation Geschichte. Sie produzierte Röntgenstrahlen, die 100 Milliarden Mal heller waren als die in Krankenhäusern verwendeten Röntgenstrahlen und den Wissenschaftlern konkurrenzlose Möglichkeiten bei der Erforschung von Materialien und lebenden Materien boten. Seit 30 Jahren erzielt die ESRF mit der Brillanz und Stabilität ihrer Röntgenstrahlen Erfolg um Erfolg und bricht Rekorde mit ihren wissenschaftlichen Leistungen, die sich mittlerweile in über 30 000 Publikationen und vier Nobelpreisträgern fest in der Wissenschaftsgeschichte verankert haben.
Abb.:Zweistromland der Synchrotronforschung: Der im französischen Grenoble zwischen Isère und Drac gelegenen Speicherring der European Synchrotron Radiation Facility ESRF wird umfassend erneuert. (Bild: ESRF)
Diese auf Exzellenz in Sachen Röntgenforschung angelegte Strategie wird nun mit dem Bau der Extremely Brilliant Source ESB weitergeführt. Das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen ESFRI hat im September in Wien seine Roadmap 2018 vorgestellt und darin die ESRF-EBS als einen seiner Meilensteine bestätigt.
Mit dem von 22 Partnerländern finanzierten 150 Millionen Euro Projekt (Budget 2015-2022) setzt das ESRF einen ehrgeizigen neuen Standard für Synchrotron-Speicherringe. Der weltweit erste hochenergetische Speicherring der vierten Generation wird mit einzigartigen Röntgenleistungen überzeugen, die den aktuellen Speicherring um den Faktor 100 übertreffen. Wie Francesco Sette, Generaldirektor des ESRF, erklärte: „Die Eröffnung neuer Möglichkeiten für die Synchrotronforschung steht im Mittelpunkt der Mission des ESRF. Der neue Speicherring und das weltweit fortschrittlichste Portfolio an Strahlführungen werden es den Wissenschaftlern ermöglichen, die Röntgenwissenschaft in Forschungsbereiche und Anwendungen zu bringen, die vor einigen Jahren noch nicht vorstellbar waren. Ich freue mich sehr, dass dieses innovative Projekt als Meilenstein in der ESFRI-Roadmap 2018 bestätigt wurde.“
Zu den vielen Forschungsfeldern, die von dem ESB profitieren werden, zählen unter anderem auch die Entwicklungen der nächsten Generation von Medikamenten, Biomaterialien und nachhaltigen Materialien. Die neuen Forschungsmöglichkeiten werden tiefe Einblicke in die komplexen Mechanismen, die lebende Organismen steuern, gewähren und dazu beitragen, unsere jüngste und alte Vergangenheit aufzuklären, die sich in historischen Artefakten und Fossilien manifestiert. Darüber hinaus wird die EBS einzigartige Möglichkeiten für die angewandte Forschung bieten. Mit den neuen EBS-Beamlines, die den Einsatz einer Vielzahl wissenschaftlicher Methoden ermöglichen, wird es gelingen, die Struktur der Materie auf atomarer Ebene genauer, viel schneller und mit höherer Auflösung zu untersuchen.
Der Bau von ESRF-EBS ist in vollem Gange. Zum Aufbau der neuen Röntgenquelle wird der bestehende Speicherring mit doppelt gebogener Achromaten-(DBA)-Magnetsequenz demontiert und durch ein innovatives, am ESRF entwickeltes Hybrid-Multibiege-Achromaten-(HMBA)-Design ersetzt.
Abb.: ESRF-EBS Träger-Fertigungsstraße in der ESRF, Juni 2018. (Bild: ESRF/S. Cande)
Ab dem 10. Dezember 2018 wird die ESRF ihr Anwenderprogramm für 20 Monate unterbrechen, um den aktuellen Speicherring zu demontieren und die neue Anordnung zu installieren. Es folgen der Bau von vier brandneuen Beamlines, die Entwicklung eines ehrgeizigen Instrumentierungsprogramms und einer „Big Data“-Strategie, um die verbesserten Leistungen der neuen Quelle auch zu nutzen zu können.
Die Durchführung dieses Großprojekts basiert auf dem einzigartigen Fachwissen der ESRF, auf ihrer internationalen Ausrichtung, aber auch auf der synergetischen Zusammenarbeit mit Europäischen Laboratorien und Synchrotronen zur Entwicklung offener Innovationen und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Industrie durch offene Wissenschaft.
Heute basieren weltweit mehr als zehn laufende Forschungsprojekte auf dem ESRF-EBS-Modell, das für mindestens ein weiteres Jahrzehnt als Referenz dienen wird. Mit diesem Bau des ersten hochenergetischen Synchrotrons der vierten Generation stärkt die ESRF die Europäische Vorreiterrolle in der Synchrotronforschung.
ESRF / LK