Frühe Galaxien erstaunlich modern
Relation zwischen Masse des zentralen schwarzen Lochs und galaktischer Sternenmasse auch vor 13 Milliarden Jahren schon erfüllt.
Quasare gehören zu den extremsten Objekten im Universum. Sie gehören zu den hellsten Objekten, die wir am Himmel sehen können, und verantwortlich für jenes helle Leuchten ist eine physikalische Extremsituation: Gas, das in supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien fällt. Solche Objekte haben Millionen oder sogar Milliarden Sonnenmassen. Nun ist es einer Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Masafusa Onoue (in der Anfangsphase des Projekts als Postdoc am Max-Planck-Institut für Astronomie) mit Hilfe des James-Webb-Weltraumteleskops zum ersten Mal gelungen, die Heimatgalaxien von Quasaren in der fernen kosmischen Vergangenheit zu beobachten, zu einem Zeitpunkt, als das Universum weniger als zehn Prozent so alt war wie jetzt.
Die Beobachtungen zeigen, dass diese frühen Quasare und ihre Galaxien den heutigen Galaxien in einem wichtigen Punkt sehr ähnlich sind: Bei modernen Galaxien besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Masse des supermassereichen schwarzen Lochs einer Galaxie und der Gesamtmasse der Sterne jener Galaxie. Die beiden frühen Quasare, die jetzt neu beobachtet wurden, erfüllen die gleiche Beziehung. Es ist noch nicht klar, was dies bedeutet und wie es zustande kommt – aber es dürfte ein wichtiger Datenpunkt zur Lösung eines hartnäckigen Rätsels früher, supermassereicher schwarze Löcher sein: wie jene schwarzen Löcher es geschafft haben, in einem kosmisch gesehen vergleichsweise kurzen Zeitraum große Menge an Masse anzuhäufen.
Seit Anfang der 2000er Jahre hat sich herausgestellt, dass es einen systematischen Zusammenhang zwischen der Masse des zentralen schwarzen Lochs einer Galaxie und der Gesamtmasse der Sterne jener Galaxie gibt. Trägt man diese beide Massen für verschiedene Galaxien auf, ergibt sich eine vergleichsweise einfache Funktion (ein Potenzgesetz), welche die beiden Größen zueinander in Beziehung setzt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Sternmassen von Galaxien rund tausend Mal größer sind als die Massen zentraler schwarzer Löcher, ist diese Beziehung, die für zentrale schwarze Löcher mit Millionen von Sonnenmassen ebenso gilt wie für Exemplare mit 100.000 Mal mehr Masse, bemerkenswert.
Die Annahme liegt nahe, dass diese Beziehung zwischen schwarzen Löchern und ihren Galaxien auf eine gemeinsame Geschichte dieser Objekte zurückgeht, dass also dieselben Umstände, die zur Bildung einer Galaxie mit hoher Sternmasse führen, auch zur Entwicklung eines massereicheren zentralen schwarzen Lochs führen und umgekehrt.
Einen sehr einfachen Mechanismus dafür liefert ein Vorschlag, der von Knud Jahnke (einem an der hier vorgestellten Forschung beteiligten MPIA-Wissenschaftler) und seinem Kollegen Andrea Macciò quantitativ ausgearbeitet wurde: In den gängigen kosmologischen Szenarien wachsen Galaxien als Ganzes durch die Verschmelzung mit beziehungsweise durch das „Verschlucken“ kleinerer Galaxien; die zentralen schwarzen Löcher entstehen dabei durch Verschmelzung oder „Verschlucken“ der zentralen schwarzen Löcher jener kleineren Galaxien. Die natürliche Folge nach zahlreichen Verschmelzungen ist, dass die Masse der Galaxien zur durchschnittlichen Masse der ursprünglichen Galaxienpopulation mal der Anzahl der aufgenommenen Galaxien tendiert, während die Masse der zentralen schwarzen Löcher zur durchschnittlichen Masse der ursprünglichen schwarzen Löcher mal der gleichen Anzahl tendiert. Insgesamt ergibt sich eine ungefähr lineare Beziehung.
In anderen Szenarien wurden Kausalzusammenhänge zwischen schwarzem Loch und Galaxienmasse untersucht. Gas, das in das zentrale schwarze Loch fällt, würde es in einen Quasar verwandeln. Die Strahlung des Quasars könnte wiederum das Gasreservoir in der Galaxie beeinflussen, welche das Rohmaterial für das Wachstum des schwarzen Lochs und die Sternbildung in der Galaxie liefert. Wird dieses Gas durch den Quasar aufgeheizt, würde das sowohl die Sternentstehung behindern als auch den Gas-Nachschub für das zentrale schwarze Loch drosseln. Diese Art von „Selbstregulierung“ könnte ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Sternentstehungsrate einer ganzen Galaxie und dem Wachstum ihres zentralen schwarzen Loches herstellen.
Die Entwicklung supermassereicher schwarzer Löcher ist mit einem weiteren Rätsel verbunden. Da Quasare so hell sind, können sie über enorme Entfernungen hinweg untersucht werden. In der Astronomie bedeutet die Beobachtung von weit entfernten Objekten immer, dass man die ferne Vergangenheit beobachtet. Das wiederum bedeutet, dass wir jene Objekte so sehen, wie sie vor langer Zeit waren, nämlich zu jener Zeit, als das Licht, das jetzt unsere Teleskope erreicht, ausgesandt wurde. Das Licht der am weitesten von uns entfernten Quasare hat mehr als 13 Milliarden Jahre benötigt, um uns zu erreichen.
Die supermassereichen schwarzen Löcher, die diese am weitesten von uns entfernten bekannten Quasare antreiben, haben überraschend hohe Massen von bis zu einigen Milliarden Sonnenmassen. Überraschend ist dieser Umstand deshalb, weil sieben- oder achthundert Millionen Jahre seit dem Urknall kosmisch gesehen nicht viel Zeit waren, eine derart große Masse anzusammeln. Obwohl eine Reihe von Szenarien in der Diskussion sind, ist die Frage, wie diese frühen supermassereichen schwarzen Löcher so schnell wachsen konnten, derzeit noch nicht geklärt.
Während ein Quasar vergleichsweise leicht zu beobachten ist, ist die Situation bei der umgebenden Galaxie ganz anders. Ein Quasar ist in der Regel mehr als fünfmal heller als alle Sterne seiner Heimatgalaxie zusammengenommen, und überstrahlt die Galaxie daher in der Regel deutlich. Quasar und Galaxie auseinanderzuhalten ist eine Aufgabe für Weltraumteleskope – selbst für die besten bodengebundenen Teleskope ist es aufgrund des störenden Einflusses der Erdatmosphäre schwierig, das Licht des Quasars sauber vom Licht der umgebenden Galaxie zu unterscheiden. Bei Quasaren, deren Licht bis zu zehn Milliarden Jahre braucht, um uns zu erreichen, war das Hubble-Weltraumteleskop bei der Abbildung von Quasar-Heimatgalaxien sehr erfolgreich.
Doch bei weiter entfernten Quasaren stößt Hubble auf Schwierigkeiten. Zum einen ist dort die kosmische Expansion, also der Umstand, dass sich die Abstände zwischen den Galaxien im Laufe der kosmischen Geschichte vergrößern. Eine Folge davon ist die kosmologische Rotverschiebung: Das Licht entfernter Galaxien wird auf immer größere Wellenlängen gestreckt. Bei Heimatgalaxien, deren Licht mehr als zehn Milliarden Jahre braucht, um uns zu erreichen, ist das Sternenlicht bereits stark in den infraroten Teil des elektromagnetischen Spektrums verschoben. Der zweite Grund ist die niedrige Umlaufbahn von Hubble in der Nähe der Erde, mit ihren sich ständig ändernden Temperatur- und Lichtverhältnissen. Diese Schwankungen schränken Hubbles Fähigkeit ein, das Licht der (punktförmigen) Quasare ausreichend gut zu charakterisieren.
Bei den entfernteren Quasaren kann das JWST seine Stärken ausspielen. Das von der NASA, der ESA und der kanadischen Weltraumbehörde CSA betriebene Infrarot-Weltraumteleskop wurde Ende 2021 gestartet und schwebt 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt im All. Das sind beste Bedingungen, um sehr weit entfernte Quasare und deren Galaxien zu beobachten. Deshalb schlug das Team unter der Leitung von Masafusa Onoue, der zu jener Zeit am MPIA forschte, vor, im ersten Betriebsjahr des JWST zwölf der leuchtschwächsten bekannten Quasare im frühen Universum zu beobachten. Dass jene Quasare vergleichsweise leuchtschwach sind, erhöht die Chancen, ihre Heimatgalaxien beobachten zu können. Die ersten beiden Quasare aus dieser Liste, die das JWST jetzt tatsächlich beobachtet hat, tragen die Bezeichnungen J2236+0032 und J2255+0251. Sie waren 2015 und 2017 mit einem bodengebundenen Teleskop entdeckt worden, dem Subaru-Teleskop, das vom National Observatory of Japan auf Mauna Kea auf Hawaii betrieben wird. Das Licht dieser Quasare hat 12,9 und 12,8 Milliarden Jahre gebraucht, um uns zu erreichen, und zeigt uns die beiden Quasare entsprechend so, wie sie 870 und 880 Millionen Jahre nach dem Urknall waren.
Im Oktober und November 2022 beobachteten die Astronomen mit dem JWST, das zu diesem Zeitpunkt erst seit wenigen Monaten in Betrieb war, jeden der beiden Quasare fast zwei Stunden lang bei zwei verschiedenen Wellenlängen mit der Nahinfrarotkamera NIRCam. Knud Jahnke sagt: „Vor 25 Jahren war es ein großer Fortschritt, dass wir mit großen bodengebundenen Teleskopen die Galaxien von Quasaren aus einer Zeit von vor drei Milliarden Jahren beobachten konnten. Mit dem Weltraumteleskop Hubble konnten wir dann die Zeit des größten Wachstums schwarzer Löcher erforschen, vor zehn Milliarden Jahren. Jetzt zeigt uns das JWST die Galaxien, in denen die ersten supermassiven schwarzen Löcher entstanden sind.“
Die Heimatgalaxie wurde sichtbar, nachdem die Forscher das kompakte zentrale Licht des Quasars sorgfältig modelliert und das Ergebnis von den Bilddaten abgezogen hatten. Heraus kam ein Bild des Sternlichts der entferntesten Quasar-Heimatgalaxie, die bisher beobachtet werden konnte. Nach der Menge des Sternenlichts zu urteilen, besitzen jene Galaxien Sterne mit einer Gesamtmasse von 130 beziehungsweise 30 Milliarden Sonnenmassen Zum Vergleich: Die Sternenmasse unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, beträgt etwa 60 Milliarden Sonnenmassen.
Die Astronomen verwendeten außerdem den Nahinfrarot-Spektrographen NIRSpec des JWST, um das kombinierte Spektrum des Quasars und seiner Galaxie zu analysieren. So konnten die Forscher die Masse der schwarzen Löcher der beiden Quasare auf 1,4 Milliarden beziehungsweise 200 Millionen Sonnenmassen bestimmen. Wie sich herausstellte, passen beiden Datenpunkte aus dem frühen Universum für Schwarzloch-Masse und Gesamtmasse der Sterne erstaunlich gut zu den Eigenschaften modernerer Galaxien. Die Momentaufnahme aus dem frühen Universum, weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall, sieht erstaunlich modern aus: Schon damals bestand zwischen der Masse des zentralen schwarzen Lochs und der Gesamtmasse der Sterne einer Galaxie derselbe Zusammenhang wie heute.
Angesichts des derzeitigen Stands der Forschung reichen die Daten allein jedoch nicht aus, um bestimmte Modelle zu favorisieren oder auszuschließen. Sie werden aber zweifellos eine wichtige Rolle spielen, wenn künftige, umfassendere Szenarien für das Zusammenspiel zwischen Galaxien und ihren schwarzen Löchern formuliert werden. Solche Szenarien werden unter anderem daran gemessen werden, ob sie erklären können, warum der Zusammenhang von Gesamt-Sternmasse und Schwarzloch-Masse über rund zwölf Milliarden Jahren weitgehend derselbe geblieben ist.
MPIA / DE