Frühjahrsputz für Supraleiter
In situ Plasmareinigung präpariert komplex geformte Beschleunigerstrecken.
Wissenschaftler am Oak Ridge National Laboratory (ORNL) entwickelten eine in situ Plasmareinigung für die Beschleunigerstrecke der Spallationsneutronenquelle (SNS). Das neue zeit- und kostensparende Verfahren erhöht die Neutronenausbeute und die verbessert die Datenlage der an der Einrichtung durchgeführten Experimente. „Die Plasmareinigung ist zwar in der Elektrostatik wohlbekannt“, sagt Kevin Jones, Direktor der Beschleunigerabteilung am ORNL, „aber um sie erstmalig auch in supraleitenden Hohlräumen einsetzen zu können, waren schon eine ganze eine Reihe von Tricks erforderlich.“
Abb.: Blick hinter die Kulissen der Reinigung von Kryomodul 19 des SNS-Linearbeschleunigers in Oak Ridge. Der Einsatz unten rechts zeigt sechs der Hohlraumzellen mit Monitorbildern der in ihrem Inneren zu Reinigungszwecken gezündeten Plasmen. (Bild: Genevieve Martin/ORNL)
Der Linearbeschleuniger am SNS besteht aus über zwanzig Kryomodulen – große, fassartige Kapseln, in denen ein Protonenstrahl fokussiert und beschleunigt wird. In jedem dieser Module befinden sich drei bis vier Hohlraumstrecken aus Niob, die ähnlich einem Akkordeon geformt sind und – umgeben von flüssigem Helium – in ihrem Innern die zum Betrieb des Beschleunigers erforderlichen tiefen Temperaturen aufrechterhalten.
Jones erklärt, dass sich im Laufe der Jahre Spuren von Kohlenwasserstoffverbindungen in den Hohlräumen der Beschleunigerstrecke ansammeln. Dadurch wird es schwieriger die zur Protonenbeschleunigung eingesetzten starken elektrischen Felder aufrecht zu erhalten, und der Protonstrahl verliert an Energie. Bisher erforderten die Verunreinigungen die Stilllegung des Beschleunigers. Die Reinigung erfolgte dann nasschemisch nach Zerlegung des Strahlrohrs in Einzelteile, die anschließend wieder zusammengesetzt werden mussten – eine extrem kosten- und zeitintensive Prozedur.
Marc Doleans, Wissenschaftler am ORNL, und der Postdoc Puneet Tyagi fanden eine effizientere Reinigungsmethode. Gemeinsam mit Technikern des SNS supraleitenden Linac Systems untersuchten sie zunächst an einzelnen Hohlräumen bei Raumtemperatur verschiedene Alternativen zur Reinigung der Oberflächen. Die langwierigen, mit oberflächenphysikalischen Wissen gestalteten Testreihen führten schließlich zu einer Erprobung der neuen Methode an einem überschüssigen nicht im Betrieb stehenden Kryomodul.
„Im Wesentlichen verwendetet das Team heiße Plasmen, um die an der Grenzschicht zum Niob innerhalb der Hohlräume abgelagerten Kohlenwasserstoffrückstände zu verbrennen“, erläutert Jones. „Dazu wird ein Inertgas mit wenigen Prozent Sauerstoff versetzt. Nachdem das Sauerstoffplasma mit den Schmutzmolekülen an den Innenwänden reagiert hat, können die gasförmigen Substanzen denn einfach abgepumpt werden.“
Untersuchungen ergaben, dass sich die Leistungsfähigkeit des so gereinigten Kryomoduls signifikant gesteigert hatte, so dass das neue Verfahren schließlich auch in situ am Strahlrohr des Beschleunigers erprobt werden konnte.
Wie erwartet war die neue Reinigungsprozedur ein voller Erfolg. Innerhalb von drei Wochen konnten die gesamten, sich sonst über einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten erstreckenden Reinigungsarbeiten abgeschlossen werden. Darüber hinaus konnten die Protonen über die Beschleunigungsstrecke 11 MeV mehr Energie aufnehmen und das mit der neuen Methode gereinigte Strahlrohr mit 949 MeV verlassen.
Nach zwei weiteren Verbesserungen läuft der Beschleuniger nun mit einer Protonenenergie von 957 MeV – einem vorher noch nie erzielten Wert. „Wenn wir nun noch fünf weitere Kryomodule auf diese Art reinigen, werden wir locker Protonenenergien von 1000 MeV erzielen können“, freut sich Jones. Mit der Erhöhung der Protonenergie geht auch eine Erhöhung der Neutronenausbeute einher. Ein Effekt, des allen Wissenschaftlern zugutekommt, die das SNS zur Durchführung ihrer Experimente aufsuchen.
Die zuletzt in Applied Surface Science und NIM A veröffentliche Arbeit findet bereits große Beachtung. Das Team um Doleans arbeitet bereits mit Wissenschaftlern und Technikern anderer supraleitender Beschleunigungsanlagen zusammen.
ORNL / LK