25.09.2020 • Quantenphysik

Frustration führt zu Supraleitung

Laserboost für frustriertes Quantensystem.

Wie entsteht Supraleitung bei relativ hohen Temperaturen in bestimmten Materialien? Wann gehen viele Elektronen in einen Quanten­zustand über, der verlustfrei Elektrizität trans­portieren kann und wie können diese Temperaturen noch weiter erhöht werden? Mit diesen wichtigen Fragen hat sich ein Forscher­team der University of Oxford und des MPI für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg befasst. Jetzt berichten die Wissen­schaftler, dass eine dynamische Version der Supra­leitung, die durch periodisches Schütteln des Materials erzeugt wird, eng mit starken elektro­nischen Korrela­tionen und geometrischer Frustration verbunden ist.

Abb.: Die Besetzung eines Gitter­platzes durch zwei Elek­tronen mit Spin...
Abb.: Die Besetzung eines Gitter­platzes durch zwei Elek­tronen mit Spin (Pfeile) kostet sie die Energie U. Durch Bestrah­lung mit einem Laser vibriert das Gitter und U wird zeit­ab­hängig, was zu einer supra­leitenden Paarung der Elek­tronen führt. (Bild: J. Tindall, U. Oxford)

Geometrische Frustration ist eine Eigenschaft von wechsel­wirkenden Quanten­systemen mit einem Spin-Freiheits­grad, der mit kleinen Kompass­nadeln verglichen werden kann. Wenn diese Spins in einem Anti­ferro­magneten neben­ein­ander liegen, versuchen sie, in entgegen­gesetzte Richtungen zu zeigen, um ihre Energie zu senken – einer davon nach Norden, der andere nach Süden. Würde man nun einen dritten Spin in einem Dreieck mit den zwei anderen anordnen – wie sollte er sich ausrichten? Wenn er nach Norden zeigt, wider­strebt es dem ersten Spin, wenn er nach Süden zeigt, dem zweiten. Dieses Dilemma wird als Frustration bezeichnet und ist die Wurzel vieler faszinie­render Eigen­schaften von Quanten­materialien.

Ein Theorieteam unter der Leitung von Dieter Jaksch an der University of Oxford und Michael Sentef am MPI für Struktur und Dynamik der Materie hat jetzt einen neuen Weg zur Ausnutzung der magnetischen Frustration aufgezeigt. Wenn das frustrierte Material durch einen kurzen Laserpuls der richtigen Frequenz angeregt wird, kann es bei Temperaturen supra­leitend werden, die viel höher sind als diejenigen, bei denen im gleichen Material Supraleitung ohne Laser­anregung entsteht. „Wir waren verblüfft, als wir diesen Effekt zum ersten Mal in unseren numerischen Ergebnissen sahen“, sagt Joseph Tindall aus Jakschs Gruppe.

Die Idee für diese Studie entstand aus einer Kollabo­ration mit der Experimental­gruppe von Andrea Cavalleri am MPI für Struktur und Dynamik der Materie, die Anfang dieses Jahres über licht­induzierte Supra­leitung in einem frustrierten organischen Leiter berichtet hatte. „In unserem Experiment beobachteten wir supra­leitendes Verhalten bei relativ hohen Temperaturen, wenn wir einen Laser bei Frequenzen verwendeten, die spezifische Gitter­schwingungen des Kristalls auslösen können“, erklärt Michele Buzzi vom MPI für Struktur und Dynamik der Materie. „Wir wandten uns dann an unsere Theorie­kollegen, um zu verstehen, was diese besonderen Schwingungen auszeichnete.“

„Berechnungen hatten uns gezeigt, dass bestimmte Schwingungen es ermöglichen, die gegen­seitige Coulomb-Abstoßung zwischen Elektronen im organischen Leiter dynamisch zu modulieren“, erklärt Sentef. Die von Tindall durch­ge­führten numerischen Simulationen nutzten diese Information als Input, um zu unter­suchen, unter welchen Umständen diese dynamischen Wechsel­wirkungen zu supra­leitendem Verhalten führen könnten. Dabei kam heraus, dass ein gewisser Grad an Frustration dazu beiträgt, den supra­leitenden Zustand durch Laser­stimulation zu erzeugen.

„Wir glauben, dass unsere Ergebnisse auf einen allge­meineren Mechanismus für die dynamische Erzeugung von Supra­leitung hinweisen“, erklärt Jaksch. „Während unsere Studie durch das Experiment in der Cavalleri-Gruppe motiviert war, weist unsere theoretische und numerische Analyse auf die wichtigen Faktoren für den Effekt hin: die Kombination von Frustration, der richtigen Frequenz des Lasers und der Gitter­struktur des zugrunde liegenden Materials.“ Und Cavalleri ergänzt: „Wir hoffen, dass uns diese Ergebnisse Gemein­sam­keiten zwischen verschiedenen Materialien zeigen werden, bei denen wir in unseren Experimenten bereits licht­induzierte Supra­leitung beobachtet haben. Das wäre richtungs­weisend für die Suche nach neuartigen Materialien, die erforscht werden sollten.“

MPSD / RK

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