Fünfeinhalb Minuten Schwerelosigkeit für Experimente
Erfolgreicher Start der Höhenforschungsrakete MAPHEUS-11.
Am 24. Mai haben sich drei Experimente des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt auf ihre kurze Reise in die Schwerelosigkeit und wieder zurück begeben. Vom European Space and Sounding Rocket Range im Norden Schwedens brachte die DLR-Höhenforschungsrakete MAPHEUS-11 die materialwissenschaftlichen Experimente MARS, X-RISE und SOMEX bis auf eine Höhe von 221 Kilometern. In der knappen Viertelstunde zwischen Start und Landung vollführte die Nutzlast nach dem Abtrennen der Booster eine Höhenparabel. Diese ermöglichte fünfeinhalb Minuten Schwerelosigkeit, um die Experimente durchzuführen. Nach dem Flug wurden die Experimente per Helikopter geborgen.
In der Schwerelosigkeit konnte unter anderem die Anwendung eines pulverförmigen 3D-Druckverfahrens erfolgreich getestet werden. Beim der additiven Fertigung wird pulverförmiges Material Schicht für Schicht aufgetragen, bis ein dreidimensionales Bauteil entsteht. Im Gegensatz zu konventionellen Verfahren, bei denen zum Beispiel ein Teil aus einem Block herausgefräst wird, hat der 3D-Druck einige Vorteile: Er ist flexibel und schnell, es lassen sich sehr komplexe Formen realisieren und es fallen wenig Materialreste an. „Diese Vorteile machen additive Fertigungsverfahren auch für Raumfahrtanwendungen in reduzierter Schwerkraft, etwa auf dem Mond oder Mars, interessant oder in Schwerelosigkeit während eines Raumflugs“, erklärt Andreas Meyer vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum. Die wenigen Minuten Experimentierzeit während des Flugs haben ausgereicht, um ein erstes kleines Bauteil zu drucken.
„Das Experiment MARS ist eine Premiere auf diesem Gebiet. Wir schaffen die Grundlagen, damit später Weltraummissionen größere Teile herstellen können. In Zukunft könnte man die benötigten Strukturen erst vor Ort im All fertigen, zum Beispiel auf Orbitalplattformen, und so den Transportaufwand von der Erde in den Weltraum erheblich senken“, so Meyer. Im Fokus des Experiments MARS stehen spezielle Metalllegierungen. Aus ihnen lassen sich Bauteile mit sehr vorteilhaften Eigenschaften herstellen. Dazu zählen vor allem sehr hohe Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit. Für den Flug auf MAPHEUS-11 hat das DLR-Institut basierend auf einem neuen Verfahren der Bundesanstalt für Materialforschung- und -prüfung eine kompakte Raketennutzlast entwickelt. Diese führte den additiven Fertigungsprozess in der Schwerelosigkeit während des Flugs vollautomatisiert durch.
Mit Hilfe des Experiments X-RISE wollen die DLR-Forscher die grundlegenden Prozesse der Diffusion in metallischen Flüssigkeiten verstehen. Zwei miniaturisierte Scherzellen-Öfen schmelzen dazu Aluminium-Germanium- und Aluminium-Indium-Legierungen auf. Eine spezielle Röntgenanlage nimmt dann während des Diffusionsprozesses Bilder in Echtzeit auf. Mit Hilfe dieser Aufnahmen können die Wissenschaftler die Bewegung der Atome in den flüssigen Metallen untersuchen.
„Diffusion ist ein wichtiger Parameter für viele Vorgänge in der Materialwissenschaft, unter anderem beim Berechnen von Bauteilen. Auf der Erde stören oft schwerkraftgetriebene Strömungen die Experimente zur Diffusion. In der Schwerelosigkeit bekommen wir dagegen ein unverfälschteres Bild der Vorgänge“, erklärt Meyer. Das Experiment X-RISE war bereits zum fünften Mal auf MAPHEUS im Einsatz.
Mit SOMEX hat das DLR-Institut eine universelle Plattform entwickelt, um weiche Materie in Schwerelosigkeit zu untersuchen. Mit SOMEX ist es dem DLR-Team erstmals gelungen, einen Experimentaufbau zu realisieren, der trotz seines kleinen Volumens viel Platz und die Möglichkeit bietet, Experimente mit einer ganzen Reihe an optischen Methoden zu untersuchen. Das SOMEX-Modul ist druckdicht und für mehrere Flüge ins All ausgelegt. Zudem können die teilweise sehr empfindlichen Proben mittels des eigens entworfenen Schnellverschlusses einfach und bis kurz vor Start ins Modul integriert werden.
Im ersten Flug auf MAPHEUS-11 kamen statische und dynamische Lichtstreuung, sowie differenzielle dynamische Mikroskopie zum Einsatz. Ein Epifloureszenz-Mikroskop ist in Entwicklung. Damit eröffnet SOMEX breite Anwendungsmöglichkeiten. Auf dem erfolgreichen SOMEX-Erstflug konnten Experimente zum grundlegenden Verständnis der Streuphysik granularer Materie durchgeführt werden. Außerdem wurde die Dynamik in einem Modellsystem für selbstangetriebene Mikroschwimmer untersucht. „Im Erdlabor verfälschen Auftriebs- und Sedimentationseffekte die Ergebnisse stark. Im Vergleich mit theoretischen Vorhersagen ermöglichen die SOMEX-Experimente in beiden Fällen neue Erkenntnisse über die Struktur und Dynamik solcher Systeme“, betont Meyer.
DLR / RK
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