07.09.2009

Galaktischer Kannibalismus: Sternströme rund um die Andromeda-Galaxie

Neue Beobachtungen zeichnen das bislang vollständigste und detailreichste Bild von Prozessen der Galaxienentwicklung

Neue Beobachtungen zeichnen das bislang vollständigste und detailreichste Bild von Prozessen der Galaxienentwicklung. Sie zeigen die Überreste kleinerer Galaxien, die von der Andromedagalaxie, einer der uns nächsten Nachbargalaxien, „aufgefressen“ wurden.

In den herkömmlichen Modellen ist das entscheidende Element der Entwicklung von Galaxien – Ansammlungen von Milliarden von Sternen, die durch Gravitation zusammengehalten werden – der Kannibalismus: Massereichere Galaxien entstehen durch die Verschmelzung kleinerer Galaxien, und sie setzen ihr Wachstum fort, in dem sie sich weitere Galaxien einverleiben.

Abb.: PAndAS-Karte der Nachbarschaft der Andromeda-Galaxie (Bild: A. McConnachie/NRC; Triangulum-Scheibe mit freundlicher Genehmigung von T. A. Rector und M. Hanna)

Erst im Laufe der letzten fünf Jahre haben Astronomen sowohl in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, als auch in einigen entfernteren Galaxien Spuren solcher Akte galaktischen Kannibalismus nachweisen können: Sternströme – sehr langgestreckte Ansammlungen von Tausenden von Sternen, die wie im Formationsflug um die betreffenden Galaxien umlaufen. Verglichen mit den vielen Sternen etwa in der Scheibe unserer Milchstraße leuchten diese Sternströme nur sehr schwach, und sind entsprechend schwierig nachzuweisen. Jetzt zeichnen neue Ergebnisse des internationalen Projekts PAndAS (eine Abkürzung für „Pan-Andromeda Archaeological Survey“, wörtlich die „Ganz Andromeda umfassende archäologische Durchmusterung“) das bislang vollständigste und detailreichste Bild solcher Sternströme in der Umgebung einer Galaxie. PAndAS führt eine umfangreiche Durchmusterung der Andromeda-Galaxie, eines direkten Nachbarn unserer eigenen Galaxie (der Milchstraße), und ihrer Umgebung durch.

 

Nicolas Martin vom Max-Planck-Institut für Astronomie, der an der Datenauswertung beteiligt war, sagt: „Astronomen haben zwar früher schon Spuren solcher Sternströme gefunden. Doch erst jetzt ist es gelungen, eine so detaillierte Karte eines Sternstromgebiets zu erstellen.“ Die Bilder zeigen sechs verschiedene Ströme. Bei zweien davon handelt es sich um Neuentdeckungen. Keiner der Ströme war bis dahin so genau vermessen worden wie in der PAndAS-Untersuchung. Die neuen Daten bilden den Ausgangspunkt für Versuche, die Entwicklung der Andromeda-Galaxie über die letzten Milliarden Jahre nachzuvollziehen.

„Die Sternströme sind die Überreste von Zwerggalaxien, die sich die Andromedagalaxie einverleibt hat. Wir haben also einen galaktischen Kannibalen auf frischer Tat ertappt. Die betreffenden Sternströme werden sich im Laufe der nächsten Milliarden Jahre zerstreuen. Dann wird nichts mehr darauf hinweisen, dass diese Sterne einmal Teil einer anderen Galaxie waren,“ erklärt Martin.

Auch die Geschichte des Dreiecksnebels, einer kleineren Begleitergalaxie von Andromeda, muss im Lichte der neuen Ergebnisse umgeschrieben werden. Martin: „Bislang galt der Dreiecksnebel einfach nur als Begleiter der Andromeda. Jetzt haben wir überzeugende Hinweise darauf, dass die beiden Galaxien vor einigen Milliarden Jahren in eine Kollision verwickelt waren.“ Das zeigt ein neu entdeckter „Sternenschweif“ des Dreiecksnebels, der bei diesem Zusammentreffen durch Wirkung der Schwerkraft der Andromeda-Galaxie entstanden sein dürfte.

Mit einer Entfernung von 2,5 Millionen Lichtjahren ist die Andromeda-Galaxie (Messier-Katalognummer M 31) die unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, nächste andere Spiralgalaxie. Ihre Zentralregion ist am Himmel mit bloßem Auge als diffuser Fleck zu erkennen. Der Großteil der Durchmusterung findet in einem Umkreis von rund einer halben Million Lichtjahren rund um die Andromeda-Galaxie statt. Ein zweites Durchmusterungsgebiet mit einem Durchmesser von 300 000 Lichtjahren deckt die Umgebung des Dreiecksnebels (M 33) ab, einer Begleitergalaxie der Andromedagalaxie.

Zum PAndAS-Team gehören Astronomen von kanadischen, französischen, australischen, britischen, US-amerikanischen und deutschen Institutionen (darunter das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg). Wissenschaftlicher Leiter ist Alan McConnachie vom NRC Herzberg Institute of Astrophysics in Victoria, Kanada.

Max-Planck-Institut für Astronomie


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