Galaktischer Steppenwolf
Planetarischer Einzelgänger könnte helfen zu erklären, wie Sterne und ihre Trabanten entstehen.
Bei einem mit dem Very Large Telescope der ESO und dem Canada-France-Hawaii Telescope beobachteten Himmelskörper handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Planeten, der ohne einen Mutterstern durch das All vagabundiert. Von allen Kandidaten für solche freien Planeten ist er mit einer Entfernung von etwa hundert Lichtjahren der unserem Sonnensystem am nächsten gelegene. Den Wissenschaftlern erlaubte dieser Umstand, die Atmosphäre des Objekts detailliert zu untersuchen.
Abb.: CFBDSIR J214947.2-040308.9 (Bildmitte) wurde im Infraroten mit dem SOFI-Instrument am New Technology Telescope NTT am La Silla-Observatorium aufgenommen. (Bild: ESO / P. Delorme)
Frei bewegliche Planeten sind Himmelskörper mit der Masse normaler Planeten, die sich aber vollkommen ungebunden an einen Stern durch das Weltall bewegen. Mögliche Kandidaten für solche Objekte waren bereits zuvor entdeckt worden, aber solange ihr Alter nicht bekannt ist, können Astronomen nicht eindeutig feststellen, ob es sich dabei tatsächlich um Planeten oder um Braune Zwerge handelt.
Jetzt haben Astronomen mit dem Canada France Hawaii Telescope einen Himmelskörper entdeckt, der die Bezeichnung CFBDSIR2149 erhielt. Er scheint zu einer Ansammlung nahegelegener junger Sterne zu gehören, dem AB-Doradus-Bewegungshaufen. Die darin enthaltenen Sterne sind gemeinsam entstanden und bewegen sich mit etwa derselben Geschwindigkeit und in dieselbe Richtung. Unter der Annahme, CFBDSIR2149 gehöre zu diesem Haufen und sei demnach ein relativ junger Himmelskörper, lassen sich Rückschlüsse auf weitere Eigenschaften ziehen, wie etwa seine Oberflächentemperatur, seine Masse und die Zusammensetzung seiner Atmosphäre.
„Zu versuchen, Planeten um andere Sterne direkt zu beobachten, ist so als ob man ein Glühwürmchen einen Zentimeter neben einem hellen und weit entfernten Autoscheinwerfer sehen möchte”, erläutert Philippe Delorme vom Institut de planétologie et d’astrophysique in Grenoble an der französischen CNRS/Université Joseph Fourier. „Bei diesem uns nahen, frei herumvagabundierenden Himmelsobjekt können wir sozusagen das Glühwürmchen detailliert untersuchen, ohne dass das blendende Licht des Scheinwerfers dabei stört.”
Frei bewegliche Objekte wie CFBDSIR2149 sind entweder wie normale Planeten entstanden und dann aber aus ihrem Heimatsystem herausgeschleudert worden, oder aber sie entstehen als Einzelkörper, so wie die kleinsten Sterne oder Braune Zwerge. Unabhängig davon, welches dieser beiden Szenarien zutrifft, sind sie aber hochinteressante Studienobjekte: entweder als Planeten ohne Sterne oder als die kleinstmöglichen Himmelskörper am unteren Ende der Skala, die von den massereichsten Sternen bis hinunter zu den kleinsten Braunen Zwergen reicht.
„Derart kleine Himmelskörper wie dieser sind sehr wichtig, denn sie helfen uns zu verstehen inwieweit Planeten aus ihren Heimatsystemen herausgeschleudert werden oder eben wie leicht die kleinsten Einzelobjekte werden, die in Sternentstehungsgebieten entstehen”, ergänzt Delorme. „Wenn es sich bei diesem kleinen Körper tatsächlich um einen Planeten handelt, der aus dem Planetensystem herausgekickt wurde, in dem er geboren wurde, lässt das natürlich vor unseren Augen das Bild von lauter solchen Planeten-Waisen entstehen, die ziellos durch das Weltall treiben.”
Von solchen Welten könnte es viele geben – möglicherweise genauso viele wie normale Sterne. „Weitergehende Untersuchungen werden endgültig klären, ob CFBSIR2149 nun ein frei beweglicher Planet ist”, schließt Delorme. „Er könnte dann als Testfall für das Verständnis der Physik ähnlicher Exoplaneten herhalten, wie sie in Zukunft mit abbildenden Hochkontrast-Systemen entdeckt werden könnten – zum Beispiel mit dem SPHERE-Instrument, das demnächst am VLT installiert wird.”
ESON / OD