10.05.2010

Galaxienhaufen verrät sich durch unsichtbares Licht

Messungen im Röntgen- und IR-Bereich stellen am weitesten entfernten bekannten Galaxienhaufen fest.

Messungen im Röntgen- und IR-Bereich stellen am weitesten entfernten bekannten Galaxienhaufen fest.

Ein internationales Astronomenteam aus Deutschland und Japan hat einen Galaxienhaufen aus den Anfängen des Universums entdeckt: die gemessene Entfernung von 9,6 Milliarden Lichtjahren ist die größte, bei der je ein Galaxienhaufen gefunden wurde. Die Beobachtungen im Infrarot- und Röntgenlicht zeigten, dass der Haufen hauptsächlich aus alten, massereichen Galaxien besteht, die sich in den frühen Phasen des Universums gebildet haben. Zusammen mit ähnlichen Beobachtungen erhalten die Astronomen so nicht nur Informationen über frühe Galaxienentwicklung, sondern auch über die Anfänge des Universums insgesamt.

Abb.: Dieses Falschfarbenbild hat eine Seitenlänge von 3,4 Bogenminuten (etwa ein Zehntel des Monddurchmessers). Die Pfeile deuten auf Galaxien, die sich wahrscheinlich in gleicher Entfernung befinden; sie häufen sich in der Bildmitte. Die Konturlinien entsprechen der Röntgenleuchtkraft des Haufens. Galaxien mit einer bestätigten Entfernungsmessung von 9,6 Milliarden Lichtjahren sind durch Kreise hervorgehoben. Die Kombination der Röntgendaten und massereichen Galaxien beweist, dass es sich um einen gravitativ gebundenen Haufen handelt. (Bild: MPI für extraterrestrische Physik.)

Galaxienhaufen sind die größten Bausteine des Universums. Unsere Galaxie, die Milchstraße, ist Teil des Virgo-Haufens, der aus 1000 - 2000 Galaxien besteht. Durch die Beobachtung von weit entfernten Galaxien und Haufen können die Astronomen außerdem die Zeit zurückdrehen, da das Licht, wenn es die Erde erreicht, bereits Millionen oder Milliarden Jahre unterwegs war und wir deshalb eine Situation sehen, die weit in der Vergangenheit liegt.

Ein internationales Team aus Astronomen vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der Universität Tokio und der Universität Kyoto haben nun einen Galaxienhaufen entdeckt, der weiter entfernt ist als alle bisher bekannten. Mithilfe von Beobachtungen des Subaru/XMM-Newton-Deep-Feldes im Röntgenbereich konnten sie die Einzelgalaxien als Haufenmitglieder identifizieren. Durch Infrarot-Beobachtungen mit dem Subaru-Teleskop konnte die Entfernung gemessen werden. Eine Besonderheit bestand darin, dass die Astronomen Infrarot-Wellenlängen verwendeten, die für das bloße Auge unsichtbar sind. Dies ist nötig, da sich weit entfernte Galaxien aufgrund der Ausdehnung des Universums schnell bewegen und ihr Licht dadurch vom sichtbaren zum infraroten Wellenlägenbereich verschoben wird. Das MOIRCS-Instrument (Multi-Object Infrared Camera and Spectrometer) am Subaru-Teleskop arbeitet im Nah-Infrarotbereich, wo diese Galaxien am leuchtstärksten sind.

"Das MOIRCS-Instrument hat eine extrem hohe Leistungsfähigkeit, wenn es darum geht, Abstände von Galaxien zu bestimmen; nur dadurch waren unsere schwierigen Beobachtungen möglich", sagt Masayuki Tanaka von der Universität Tokio. "Obwohl wir bei dieser Distanz nur einige Galaxien nachweisen konnten, gibt es ¨berzeugende Hinweise, dass es sich wirklich um einen gravitativ gebundenen Haufen handelt."

Dass die einzelnen Galaxien wirklich durch die Schwerkraft zusammengehalten werden, wird durch Beobachtungen in einem anderen Wellenlängenbereich gestützt. Die Materie zwischen den Galaxien in Haufen wird auf extreme Temperaturen aufgeheizt und emittiert Licht bei sehr kurzen Wellenlängen. Das Team nutzte deshalb das XMM-Newton-Weltraumobservatorium um diese Strahlung im Röntgenbereich nachzuweisen.

"Obwohl es schwierig war, die Rötgenphotonen mit einer effektiven Spiegelgröße zu sammeln, die nur etwa der eines Gartenteleskops entspricht, konnten wir klar die Handschrift des heißen Gases im Haufen nachweisen", sagt Alexis Finoguenov vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.

Die Kombination der Beobachtungen in diesen beiden Wellenlägenbereichen führte so zu der bahnbrechenden Entdeckung des Galaxienhaufens in einer Entfernung von 9,6 Milliarden Lichtjahren. Damit ist er etwa 400 Millionen Lichtjahre weiter entfernt als der vorherige Rekordhalter.

Eine Analyse der Beobachtungsdaten der einzelnen Galaxien zeigt, dass der Haufen bereits eine Fülle an alten, massereichen Galaxien enthält, die etwa zwei Milliarden Jahre früher entstanden sind. Da sich die dynamischen Prozesse der Galaxien-Alterung langsam vollziehen, bedeutet die Anwesenheit dieser Galaxien, dass der Haufen durch die Verschmelzung von massereichen Galaxiengruppen entstanden ist, wobei jede Verschmelzung zu einer massereichen Galaxie führte. Während diese Galaxien rötlich scheinen, sind junge, helle, blaue Galaxien - was auf eine aktive Sternentstehung hindeutet - relativ selten. Der Haufen ist deshalb ein ideales Labor, um die Entwicklung von Galaxien zu untersuchen, als da Universum gerade einmal ein Drittel seines jetzigen Alters hatte.

Da entfernte Galaxienhaufen außerdem die großräumigen Strukturen im Universum und ursprüngliche Dichtefluktuationen widerspiegeln, werden diese und ähnliche Beobachtungen in Zukunft wichtige Informationen für Kosmologen liefern. Die bisherigen Ergebnisse zeigen bereits, dass die derzeitigen Infrarotgeräte detaillierte Informationen über weit entfernte Galaxien liefern können, und das die Kombination mit Röntgendaten ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Das Team wir die Suche nach weit entfernten Galaxienhaufen deshalb fortsetzen.

MPI für Extraterretische Physik

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