01.12.2014

Gammastrahlensuche bei Mondlicht

Neue Kameratechnologie für Tscherenkow-Teleskope mit Gustav-Hertz-Preis gewürdigt.

Die Würzburger Wissenschaftlerin Daniela Dorner erhält den Gustav-Hertz-Preis 2015, gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Bretz, der ebenfalls einige Jahre seiner Forscherkarriere an der Uni Würzburg verbracht hat. Die beiden teilen sich den mit 7.500 Euro dotierten Gustav-Hertz-Preis. Das gab die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) am 27. November bekannt. Überreicht werden die Preise im März 2015 in Berlin.

Abb.: Die Preisträger Thomas Bretz und Daniela Dorner (Bild: privat / P. Winandy)

Die zwei Preisträger hätten der Astroteilchenphysik durch ihre Beiträge zur Verbesserung von Tscherenkow-Teleskopen einen originellen und zukunftsweisenden Impuls gegeben, wie es in der Laudatio der DPG heißt. Dieser Erfolg gelang Bretz und Dorner im Rahmen des deutsch-schweizerischen Projekts FACT (First Geiger-Mode Avalanche Photodiode Cherenkov Telescope), an dem auch Wissenschaftler der TU Dortmund, der ETH Zürich und der Universität Genf beteiligt sind.

Tscherenkow-Teleskope für die Beobachtung kosmischer Gammastrahlung beruhten bislang auf dem Nachweis einzelner Photonen mit so genannten Photomultiplier-Röhren. Diese Photosensoren benötigen Hochspannung im Kilovoltbereich und lassen sich bei Teleskopen unter freiem Himmel daher nur mit großem Aufwand betreiben. Außerdem sind sie bei hellem Mondlicht überlastet und müssen dann abgeschaltet werden. So kommt es regelmäßig zu Datenlücken.

Abb.: Dieses Teleskop der Europäischen Nordsternwarte auf La Palma arbeitet dank der neuen Kameratechnologie auch bei Vollmond. (Bild: D. Dorner)

Eine kontinuierliche Beobachtung ist aber gerade bei veränderlichen astronomischen Quellen wichtig. Besonders aktive Galaxienkerne zeigen extreme Helligkeitsschwankungen, die für das Verständnis physikalischer Prozesse in der Nähe Schwarzer Löcher wichtig sind. Um hier einen Fortschritt zu erzielen, waren hoch empfindliche Photosensoren nötig, die wenig Strom und keine Hochspannungsversorgung brauchen, gleichzeitig aber eine Nanosekunden-Zeitauflösung besitzen.

Angesichts dieser Herausforderung half eine Idee des kürzlich verstorbenen Physikers Eckart Lorenz vom Max-Planck-Institut für Physik in München weiter: Man könne versuchen, eine Kamera mit Halbleiter-Photosensoren auf Siliziumbasis für ein Tscherenkow-Teleskop zu entwickeln. Dieser Vorschlag erschien zunächst ungeeignet und viele Experten rieten davon ab.

Dennoch entschlossen sich Thomas Bretz und Daniela Dorner mit der FACT-Kollaboration, den Schritt zu wagen: Sie entwickelten eine entsprechende Kamera, die an der ETH Zürich gebaut wurde, und installierten sie in einem Teleskop auf der Kanareninsel La Palma, im Observatorium auf dem Berg Roque de los Muchachos, 2200 Meter über dem Meeresspiegel.

Dieser FACT-Kamera macht ein Zuviel an Mondlicht nichts aus. Bretz gelang es, die Kamera so zu optimieren, dass sie unter anderem in Sachen Datenqualität deutlich besser ist als die bislang eingesetzte Technik. Den weitaus höheren Datenstrom aus dieser Kamera konnte dann Dorner mit Datenbanken zähmen. Durch ein ausgeklügeltes Rückkopplungssystem erreichten die beiden zudem eine gleichbleibend hohe Konsistenz der Daten.

Die Software programmierten sie so, dass ein reibungsloser Observatoriumsbetrieb mit der neuen Teleskop-Technik möglich war. Schon nach einer kurzen Einweisung ist es selbst einem Laien möglich, mit dem Teleskop astronomische Gammaquellen zu beobachten, etwa den Krebsnebel, ein 1000 Jahre alter Supernova-Überrest im Sternbild Stier, oder den rund 500 Millionen Lichtjahre entfernten aktiven Galaxienkern Markarian 421 im Sternbild Großer Bär.

Wirklichkeit wurde auch, was ursprünglich als Jux der Preisträger gedacht war: Die Beobachtungen mit dem neuen System lassen sich über ein Smartphone-Interface steuern. Bretz und Dorner ist es gelungen, die komplexe Funktionalität der FACT-Technik wie bei einem Schweizer Taschenmesser einzukapseln und zu automatisieren.

Zum Einsatz soll die neue Technik auch beim MAGIC-Teleskopsystem der Europäischen Nordsternwarte auf La Palma kommen. Am Betrieb von MAGIC ist das Team des Würzburger Astronomie-Lehrstuhlinhabers Karl Mannheim maßgeblich beteiligt. Die neue Kamera gilt inzwischen als bewährte Technologie, sagt der Professor. Sie werde darum auch bei zukünftigen Großgeräten wie dem Cherenkov Telescope Array (CTA) eingesetzt, das voraussichtlich 2020 in Betrieb gehen soll.

Vielleicht kann mit FACT eines Tages auch die Idee verwirklicht werden, die die beiden Preisträger schon vor Jahren umtrieb: Ein Netzwerk von weltweit verteilten Tscherenkow-Teleskopen soll die Datenlücken schließen, die sich durch die Erdrotation ergeben. Wenn in La Palma der Sonnenaufgang naht, würden zunächst Teleskope in Amerika und anschließend in Asien die Beobachtungen fortsetzen, bis die Sonne schließlich wieder in La Palma untergeht.

U. Würzburg

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