11.01.2013

Garn aus Nanoröhrchen

Neuer Spinnprozess erhält Stabilität und Leitfähigkeit für Massenproduktion – Erste Anwendungen wohl in der Mikroelektronik.

Einzelne Nanoröhrchen aus Kohlenstoff bestechen durch ihre enorme Stabilität und hohe Leitfähigkeit für Strom und Wärme. Doch gebündelt zu greifbaren Fäden gehen diese Eigenschaften bisher verloren. Ein neues Spinnverfahren, entwickelt von einem internationalen Forscherteam um Matteo Pasquali von der Rice University in Houston, konnte dieses Problem zumindest teilweise beheben. Ihre bis zu 500 Meter langen Fäden aus Kohlenstoffnanoröhrchen erreichten hohe Zugfestigkeiten und mit Kupfer vergleichbare Leitfähigkeiten. Dies könnte einen wichtigen Schritt hin zur Massenproduktion neuartiger Kohlenstofffasern mit Anwendungen im Bereich der Mikroelektronik darstellen.

Abb.: Die Faden aus Abermilliarden von Nanoröhrchen aus Kohlenstoff unter dem Mikroskop. (Bild: D. Tsentalovich/Rice U.)

Als Ausgangsmaterial wählten Pasquali und die Kollegen vom niederländischen Unternehmen Teijin Aramid in Arnhem und vom Technion-Institut in Haifa etwa fünf Mikrometer lange, mehrwandige Nanoröhrchen. Diese lösten sie in Chlorsulfonsäure und leiteten diese Flüssigkeit durch feine Extruderdüsen in Wasser oder Azeton. Ein Zusatz von Iodatomen, die an die Nanoröhrchen andocken konnten, sicherte dabei die hohe elektrische Leitfähigkeit. Bei diesem Spinnprozess lagerten sich Abertausende der Nanoröhrchen zu engen Bündeln zusammen und bildeten beliebig lange Fäden, die sich auf eine Spule aufrollen ließen. „Auf einer solchen Spule befinden sich Billionen über Billionen von Kohlenstoffnanoröhrchen“, sagt Pasquali.

Abb.: Spule mit gut 50 Meter Faden aus Kohlenstoffnanoröhrchen. (Bild: Rice U.)

Belastungsversuche zeigten, dass die Fasern mehr als zehnmal so stabil waren wie gleich dimensionierte Metalldrähte. Mit etwa fünf Megasiemens pro Meter leiteten sie elektrischen Strom zwar schlechter als Gold (44 MS/m) oder Kupfer (58 MS/m), aber immer noch gut genug für den Einbau in elektronische Schaltkreise. Für die Wärmeleitfähigkeit ermittelten die Forscher Werte von bis zu 635 W/m K. Laut Pasquali empfehlen sich diese Fasern mit Durchmessern von nur einigen Mikrometern besonders für den Einsatz in filigranen Schaltkreise. In diesen könnten sie Metalldrähte ersetzen, die aus Stabilitätsgründen sehr viel dicker sind als sie für den elektrischen Kontakt eigentlich sein müssen.

Abb.: LED-Lampe hängt an leitfähigen Nanoröhrchen-Fäden. (Bild: J. Fitlow/Rice U.)

Die Zugfestigkeit der Fasern hinkt mit maximal einem Fünftel allerdings noch weit hinter der von einzelnen Nanoröhrchen hinterher. So reicht die Stabilität dieser Fäden nicht aus, um leichte und reißfeste Seile beispielsweise für die oft propagierten „Weltraumfahrstühle“ fertigen zu können. Dennoch eröffnet dieses Spinnverfahren erste Anwendungsfelder für Fäden aus Kohlenstoffnanoröhrchen etwa in der Elektronik.

In weiteren Versuchen will das Team um Pasquali die Eigenschaften ihrer Fäden Schritt für Schritt verbessern und plant, das Spinnverfahren mit möglichst perfekten, einwandigen Nanoröhrchen weiter zu optimieren. Das könnte nötig sein, da erst vor wenigen Monaten chinesische Forscher ein Kohlenstoffgarn aus Graphen mit sehr hoher Stabilität fertigen konnten. Die Leitfähigkeit der Graphen-Fäden lag jedoch mit 40.000 S/m weit unter den nun präsentierten Nanoröhrchen-Fasern.

Jan Oliver Löfken

PH

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