Gaswolke im galaktischen Zentrum Teil eines größeren Gasflusses
Szenario könnte die fehlende Röntgenemission der Gaswolke in der Nähe des supermassiven Schwarzen Lochs erklären.
Die Gaswolke G2 wurde ursprünglich 2011 von Stefan Gillessen und seinen Kollegen am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) entdeckt. Sie beschreibt eine stark exzentrische Umlaufbahn um das galaktische Zentrum. Beobachtungen im Jahr 2013 haben gezeigt, dass ein Teil der Gaswolke seine größte Annäherung an das Schwarze Loch – in einer Entfernung von etwa 20 Lichtstunden, etwas mehr als 20 Milliarden Kilometer – bereits hinter sich hat. Die neuen, tiefen Infrarotbeobachtungen mit dem Instrument SINFONI am VLT zeigen die fortlaufenden Störungen der Gaswolke durch das starke Gravitationsfeld. Während Form und Pfad der Gaswolke gut mit den Vorhersagen aus den Modellen übereinstimmen, gab es bisher keine signifikant erhöhte Emission bei hohen Energien, die man aufgrund der damit verbundenen Stoßfront erwartet hatte.
Abb.: Die Gaswolke G2 im Zentrum unserer Milchstraße, aufgenommen mit dem SINFONI-Instrument am VLT. Der rote Teil der Wolke nähert sich dem vier Millionen Sonnenmassen schweren Schwarzen Loch (Kreuz) mit einer Geschwindigkeit von einigen tausend km/s. Der blaue Teil hat bereits den kürzesten Abstand zum Schwarzen Loch passiert und entfernt sich wieder davon. Die gestrichelte Linie zeigt den Orbit des Sterns S2, der bisher am besten vermessen wurde. Die Positionen der benachbarten Sterne sind ebenfalls markiert. (Bild: MPE)
Ein genauerer Blick auf die Daten führte nun zu einer Überraschung: „Bereits vor zehn Jahren haben wir eine weitere Gaswolke – jetzt bezeichnen wir sie als G1 – in der Zentralregion unserer Galaxie beobachtet“, erklärt Gillessen. „Wir untersuchten den Zusammenhang zwischen G1 und G2 und fanden eine erstaunliche Ähnlichkeit der beiden Bahnen.“
Das schwache und verschwommene Objekt G1 taucht in den Daten von 2004 bis 2008 auf und das MPE-Team war in der Lage, auch die Bahn von G1 zu bestimmen. Dabei zeigte sich, dass G1 das Perizentrum bereits 2001 passierte. Die Ähnlichkeit der Umlaufbahnen legt somit nahe, dass G1 der Gaswolke G2 etwa 13 Jahre voraus ist. Die Wissenschaftler speisten diese Informationen in ein Modell für eine kombinierte Bahn ein, wobei sie zum einen die verschiedenen Perizentrum-Zeiten berücksichtigten und zum anderen kleine Abweichungen aufgrund der Wechselwirkung des Gases mit dem Umgebungsmedium erlaubten. „Unsere Grundidee ist, dass G1 und G2 Klumpen desselben Gasflusses sein könnten“, erklärt Oliver Pfuhl vom MPE. „In diesem Fall sollten wir in der Lage sein, gleichzeitig beide Datensätze anzupassen. Und in der Tat: Unser Modell beschreibt die G1- und G2-Orbits bemerkenswert genau.“
„Die gute Übereinstimmung des Modells mit den Daten macht es höchst wahrscheinlich, dass G1 und G2 Teil des gleichen Gasflusses sind“, sagt Gillessen. Eine mögliche Quelle für sowohl G1 als auch G2 könnten dann Klumpen im Wind eines der massereichen Sterne in der galaktischen Scheibe sein, der vor rund 100 Jahren in der Nähe des Apozentrums des G2-Orbit ausgestoßen wurde. Eine andere mögliche Erklärung, die vor kurzem vorgeschlagen wurde, ist ein großer Stern, der von einer ausgedehnten Gaswolke umgeben ist. Die aktuellen VLT-Daten machen ein derartiges Modell allerdings unwahrscheinlich. Darüber hinaus könnte das Szenario des Gasflusses auch die fehlende Röntgenemission der Gaswolke in der Nähe des Schwarzen Lochs erklären, hoffen die Forscher.
MPE / RK