Über 99 Prozent der Materie im Weltall liegt in Form von Plasma vor, größten Teils im Inneren von Sternen. Als Entstehungsort für schwerere Atomkerne und damit neue Elemente unter enormer Energiefreisetzung sind diese stellaren Plasmen zur Erforschung von Prozessen rund um Nukleosynthese und Kernfusion hochinteressant. Doch Plasmen mit hoher Temperatur und Druck wie in den Sternen auf der Erde zu erzeugen und zu erforschen, ist aus verschiedenen Gründen alles andere als einfach. Physiker der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben nun aber eine neue Methode entwickelt, mit der sie einige der Probleme während der Plasmaproduktion in den Griff bekommen können. Über ihre Ergebnisse berichten sie im renommierten Forschungsjournal „Physical Review X“.
„Um Materie so erhitzen zu können, dass sich ein Plasma bildet, brauchen wir entsprechend hohe Energie. In der Regel nutzen wir dazu Licht in Form eines großen Lasers“, erklärt Christian Spielmann von der Universität Jena. „Dieser muss aber sehr kurz gepulst sein, damit die Materie nicht sofort expandiert, wenn sie die entsprechende Temperatur erreicht hat, sondern für einen kurzen Zeitraum als dichtes Plasma zusammenhält.“ Bei diesem Versuchsaufbau trete aber ein Problem auf: „Wenn der Laser auf die Probe trifft, entsteht zwar ein Plasma. Dieses reagiert aber sofort wie ein Spiegel und reflektiert einen Großteil der eintreffenden Energie, die somit nicht in die komplette Materie durchdringt. Je länger die Wellenlänge vom Laserimpuls ist, desto kritischer wird das Problem“, sagt Zhanna Samsonova, die federführend am Projekt beteiligt war.
Um diesen Spiegeleffekt zu vermeiden, haben die Jenaer Forscher Proben aus Siliziumdrähten verwendet, deren Durchmesser mit einigen hundert Nanometern kleiner ist als die Wellenlänge des eintreffenden Lichts, die etwa vier Mikrometer betrug. „Wir haben erstmals einen solch langwelligen Laser bei der Plasmaanregung zum Einsatz gebracht“, sagt Spielmann. „Das Licht dringt zwischen den Drähten in die Probe ein und erhitzt diese von allen Seiten, so dass für wenige Pikosekunden ein Plasma über ein wesentlich größeres Volumen entsteht, als wenn der Laser reflektiert worden wäre. Etwa 70 Prozent der Energie gelangt in die Probe.“ Dank des kurzen Laserpulses besteht das erhitzte Material zudem ein wenig länger, bevor es expandiert. Mithilfe von Röntgenstrahlspektroskopie können die Wissenschaftler schließlich wertvolle Informationen über den Zustand des Materials sammeln.
„Mit unserer Methode lassen sich in einem Labor neue Höchstwerte in Temperatur und Dichte erreichen“, sagt Spielmann. Das Plasma sei mit etwa zehn Millionen Kelvin weitaus heißer als etwa Material an der Oberfläche der Sonne. Der Jenaer Physiker verweist zudem auf die Kooperationspartner innerhalb des Projektes: Für die Laserexperimente nutzten die Jenaer Experten eine entsprechende Einrichtung an der TU Wien, die Proben stammen von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig, Computersimulationen zur Bestätigung der Erkenntnisse stammen von Kollegen aus Darmstadt und Düsseldorf.
Die Ergebnisse der Jenaer Physiker sind ein bahnbrechender Erfolg, bieten sie der Plasmaforschung doch ganz neue Voraussetzung. Theorien zum Zustand von Plasma können direkt durch Experimente und daran anschließende Computersimulationen verifiziert werden. Kosmologische Vorgänge lassen sich so besser verstehen. Außerdem leisten die Wissenschaftler wertvolle Vorarbeiten für die Installation von Großgeräten. So entsteht etwa in Darmstadt derzeit der internationale Teilchenbeschleuniger „Facility for Antiproton and Ion Research“ (FAIR), der etwa 2025 in Betrieb gehen soll. Dank der Informationen lassen sich Bereiche herausfiltern, auf die ein genauerer Blick lohnt.
FSU / LK
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- Originalveröffentlichung
Z. Samsonova et al.: Relativistic Interaction of Long-Wavelength Ultrashort Laser Pulses with Nanowires, Phys. Rev. X 9, 021029 (2019); DOI: 10.1103/PhysRevX.9.021029 - Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Optik und Quantenelektronik