27.03.2008

Gebrochene Symmetrie in Nanoröhrchen

Forscher beobachten eine unerwartet starke Spin-Bahn-Kopplung der Elektronen in Kohlenstoffnanoröhrchen. Ein Effekt, der für zukünftige Quantencomputer genutzt werden könnte.



Ithaca (USA) – Winzige Röhrchen aus Kohlenstoff leiten Strom so gut wie kaum ein anderes Material. Der Spin einzelner Elektronen sollte bei der Bewegung durch die Hohlräume erhalten bleiben. Die Nanoröhrchen wären damit ideale Leiterbahnen in zukünftigen Spintronik-Schaltkreisen, die nicht die Ladung, sondern den Spin der Elektronen nutzen. Ein amerikanisches Forscherteam schiebt diesen Erwartungen nun einen Riegel vor. Ihre Messungen zeigen eine unerwartet starke Kopplung von Spin und Bewegung der Elektronen.

"Unsere Ergebnisse ziehen wichtige Implikationen für spinbasierte Anwendungen in Kohlenstoffsystemen nach sich", schreiben Paul McEuen und seine Kollegen von der Cornell University in Ithaca. Denn bisher gingen Physiker davon aus, dass für die Energie eines Elektrons in reinen Kohlenstoffnanoröhrchen sowohl die Orbitalbewegung (mit und gegen den Uhrzeigersinn) als auch der Spin (up oder down) keine große Rolle spielen. Die Messung zeigte eine starke Spin-Bahn-Kopplung und damit ein Aufspalten der Energieniveaus einzelner Elektronen um etwa 37 Millielektronenvolt (meV) auf.

Für ihre Messungen spannten McEuen und Kollegen ein einwandiges, etwa 500 Nanometer langes Nanoröhrchen zwischen zwei Metallelektroden. Unterhalb dieses Aufbaus kontaktierten sie zwei Gate-Elektroden. Durch eine geschickte Wahl der hier angelegten Spannungen gelang es, ein einzelnes Elektron in dem Nanoröhrchen einzufangen. Das exakte Energieniveau des Elektrons lässt sich nun über eine regelbare Spannung zwischen den beiden Metallelektroden bestimmen. Je nach deren Stärke kann das Elektron aus seiner Falle, das auch als Quantenpunkt bezeichnet werden kann, heraustunneln.

Mit dieser Methode erkannten die Physiker, dass je nach Kombination von Orbitalbewegung und Spin dieser Tunneleffekt bei unterschiedlichen Spannungen zwischen den Elektroden auftritt. Sind Spin und das magnetische Moment der Orbitalbewegung entgegengesetzt ausgerichtet, ist das Energieniveau höher als bei paralleler Ausrichtung. Wirkt zudem ein äußeres magnetisches Feld parallel zum Nanoröhrchen, spalten die Niveaus sogar in vier unterschiedliche Energien entsprechend den vier möglichen Kombinationen von Spin und Orbitalbewegung auf. Analoge Messungen mit positiven Ladungsträgern, den Elektronenlöchern, zeigen ebenfalls Werte, die von den Werten für die Elektronen abweichen. Die eigentlich erwartete Symmetrie dieser Ladungsträger ist gebrochen.

Die starke Spin-Bahn-Kopplung kann für Quantencomputer genutzt werden, denn der Spinzustand eines Elektrons lässt sich über diese Kopplung gezielt manipulieren. Diese Eigenschaft macht das Nanoröhrchen interessant für robuste Quantenpunkte, die quantenphysikalisch miteinander gekoppelt werden könnten. Spin und Orbitalbewegung liefern die Grundlage für diese so genannte Verschränkung, die die wichtigste Voraussetzung für den Aufbau von Quantenbits, den kleinsten Recheneinheiten zukünftiger Quantencomputer, darstellt. "In der Tat könnte dieser Effekt für die elektrische Manipulation von Elektronenspins genutzt werden", beurteilt Arne Brataas von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie in Trondheim diese Ergebnisse in einem begleitenden Kommentar. Diese Eigenschaft könnte die Tür zu vielen weiteren Spintronik-Anwendungen öffnen.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:


Weiterführende Literatur:

  • Ando, T. J. Phys. Soc. Jpn 69, 1757–1763 (2000).
  • De Martino, A., Egger, R., Hallberg, H. & Balseiro, C. A. Phys. Rev. Lett. 88, 206402 (2002).
  • Huertas-Hernando, D., Guinea, F. & Brataas, A. Phys. Rev. B 74, 155426 (2006).
    Bulaev, D. V., Trauzettel, B. & Loss, D. preprint at http://arxiv.org/abs/0712.3767 (2007).
  • Tombros, N., Jozsa, C., Popinciuc, M., Jonkman, H. J. & van Wees, B. J. Nature 448, 571–574 (2007).

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